Klimawandel überholt Planungen

von Redaktion

Hochwasserschutzkonzept für Achenmühle ist fertig – Bau frühestens 2026

Rohrdorf – Achenmühle nach der Jahrhundertflut. Die Menschen sind erschöpft und entmutigt. Schon wieder hat sich eine Sturzflut aus Wasser und Schlamm durch die Austraßen-Siedlung gewälzt. Zum zweiten Mal in vier Jahren. Wieder hat das Wasser in der Siedlung tiefe Spuren hinterlassen, Bankette ausgeschürft, Kies und Geröll vor sich hergeschoben, Gärten, Keller und Garagen geflutet, Straßen unterspült, um dann im Schuss in die Rohrdorfer Ache zu stürzen.

„Haben drei Stunden
gekämpft“

„Wir haben mit der Feuerwehr drei Stunden lang gekämpft, aber dann wurde die Situation zu bedrohlich“, sagt Sergej Henke. Als Haus und Garage mit Sandsäcken nicht mehr zu sichern waren, ist auch er mit seiner Familie evakuiert worden. Noch in derselben Nacht durften sie zurück. „Zum Glück hatte ich die Garagentür zur Ache geöffnet. So konnten sich die Wassermassen durchs Grundstück wälzen und wurden nicht angestaut.“ Dennoch stand die braune Suppe aus Schlamm in Hof und Keller etwa 40 Zentimeter hoch.

Wurde seit 2020
nichts gemacht?

Die Familie hat in der Katastrophennacht kein Auge zugemacht, den Keller ausgepumpt, den Schlamm weggekehrt, aufgeräumt. „Wir haben Glück gehabt. Das Wasser ist nicht bis in den Heizungsraum gekommen“, sagt Sergej. Trotzdem ist nach der Flut wieder viel Inventar reif für den Müll. Aufregung und Anstrengung sind auch nach Tagen noch groß. Und die Angst ist wieder da. Bei jedem Regen. Was Sergej Henke nicht versteht: „Warum werden wir nicht besser geschützt? Warum wurde in den letzten vier Jahren hier nichts gemacht?“

Planungen laufen
seit vier Jahren

Doch die Auswirkungen des Klimawandels sind schneller als Planungsverfahren. „Wir haben nach der Überschwemmung von 2020 den Hochwasserschutz für Achenmühle mit Priorität behandelt, sofort mit den Vermessungen begonnen, die Erfahrungen der Anwohner einfließen lassen, Planungsvarianten und Ergebnisse mehrmals im Rohrdorfer Gemeinderat vorgestellt und diskutiert“, informiert Dr. Hadumar Roch vom Wasserwirtschaftsamt Rosenheim. Doch Achenmühle ist nur ein Baustein des Schutzsystems: „Wir können am Oberstrom nicht etwas bauen, was die Unterlieger gefährdet“, macht Roch klar. Deshalb wurden Achenmühle, Rohrdorf und Thansau als Ganzes betrachtet.

Latente
Hochwassergefahr

Bis 2020 war die Austraßen-Siedlung in Achenmühle nicht als hochwassergefährdetes Gebiet bekannt. Inzwischen wurde die latente Hochwassergefahr für die Austraßen-Siedlung mit hydrologischen Berechnungen des Wasserwirtschaftsamtes nachgewiesen.

„Das Problem in diesem Bereich ist der Weißbach, der aus Daxa und Frasdorf sehr viel Wasser bringt“, erklärt Projektleiter Jan Schäble. Der Weißbach vereinigt sich kurz vor der Siedlung mit dem Schneiderbach zur Rohrdorfer Ache, die an der Siedlung vorbeifließt. „Doch die Bachläufe im Bereich der Siedlung sind nicht das Problem“, betont Schäble. Das liegt wenige hundert Meter weiter am Oberlauf des Weißbachs.

„Das eigentliche Nadelöhr ist der Durchlass unter der Frasdorfer Straße. Auch ohne Verklausungen ist er zu eng“, erklärt Hadumar Roch. Dadurch breitet sich der Weißbach bei Starkregen auf den Wiesen am Weißbachweg aus, überflutet die Frasdorfer Straße, wälzt sich durch die Austraßen-Siedlung und sucht sich seinen Weg zur Ache.

Mehrere Schutzvarianten wurden hydrologisch berechnet. Die Entscheidung fiel für ein Projekt, das den Neubau der Straßenbrücke über den Weißbach mit größerem Querschnitt vorsieht. Im weiteren Verlauf sollen die Böschungen des Bachs aufgeweitet und der Gewässerverlauf optimiert werden.

Neue Straßenbrücke,
optimierter Bachlauf

„Das heißt, dass der sehr kurvenreiche Verlauf des Weißbachs vor der Siedlung etwas begradigt und der Zusammenfluss mit dem Schneiderbach verbessert wird“, erläutert Schäble. Die Basisstudie wurde vom Freistaat Bayern befürwortet. „Der Vorentwurf für das Hochwasserschutzprojekt wurde von uns bei der Regierung von Oberbayern zur baufachlichen Prüfung eingereicht“, so Roch. „Mittlerweile haben wir grünes Licht.“ Jetzt können Angebote bei Ingenieurbüros eingeholt werden. Nach Submission und Auftragsvergabe kann die Genehmigungsplanung beginnen.

Projekt wird jetzt
ausgeschrieben

Parallel dazu bemüht sich die Gemeinde Rohrdorf um den Erwerb der erforderlichen Grundstücke, erfolgen naturschutzfachliche Kartierungen und anschließend das Wasserrechtsverfahren. „Ich denke, dass wir Ende 2025 eine wasserrechtliche Genehmigung haben und mit der Ausführungsplanung beginnen können“, umreißt Hadumar Roch den Zeitplan.

Und wann ist Baubeginn? „Frühestens 2026. Alles andere wäre unrealistisch.“ Die Bauzeit dagegen ist verhältnismäßig kurz: „Höchstens ein Jahr“, schätzt Projektleiter Schäble.

Flussabwärts der Rohrdorfer Ache wurden 2023 schon die Voraussetzungen für den Hochwasserschutz in Achenmühle geschaffen. „In Rohrdorf wurde der Deich saniert. Er ist standsicher und hat dem Hochwasser vom 3. Juni standgehalten“, so Roch.

In Thansau ist die hydrologische Situation komplexer: „Dort sind mit Ache, Vorlandgräben und Bahngrabensystem drei Verantwortliche im Boot, dort kann es zudem zum Rückstau des Inns kommen“, erläutert Roch. Derzeit werden verschiedene Lösungen diskutiert, um Wasser aus dem Ort zurückzuhalten und beispielsweise die Baggerseen als Retentionsflächen (Ausbreitungs- oder Speicherflächen) zu nutzen.

1,3 Millionen Euro
für Achenmühle

Die Gesamtkosten für das Projekt in Achenmühle werden auf etwa 1,3 Millionen Euro geschätzt. Zum Vergleich ordnet Dr. Tobias Hafner, der Leiter des Wasserwirtschaftsamtes, die Summe in den Haushalt seines Amtes ein. „Grob haben wir jährlich vier Millionen Euro für den Wildbachbereich. Um unsere Schutzsysteme aufrechtzuerhalten und die etwa 12000 Wildbachbauwerke in den Landkreisen Rosenheim und Miesbach instandzuhalten, brauchen wird pro Jahr etwa 2,5 Millionen Euro. Für den Neubau von Schutzanlagen haben wir dann circa 1,5 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung.“

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