Stephanskirchen – Karl Mair ist erklärter Fan des „Stephanskirchner Zwickl Hell“. Derzeit bleibt dem Bürgermeister sein Lieblingsbier allerdings im Hals stecken, so sehr ärgert ihn das Gebaren der Hersteller und deren Umfelds. Es ging schon los, bevor es losging: „Simsseer Biergarten bleibt geschlossen“, postete die Brauerei und sorgte damit für Schimpftiraden im Internet.
Bei „Drecksgemeinde“ und „Vollpfosten des Gemeinderats“ war dann die Mair‘sche Schmerzgrenze erreicht. Zumal der Biergarten nicht geschlossen blieb. Jonathan Beblo, schon die vergangenen zwei Jahre Unterpächter der Braumanufaktur, eröffnete den „Simssee-Biergarten“ Anfang Juni. Mit seinem in den vergangenen zwei Sommern bewährten Konzept und dem ebenso bewährten Team.
Der junge Stephanskirchner berichtet, „die Stimmung im Biergarten ist gut“, angesichts des Wetters seien momentan überwiegend Stammgäste da. Großes Thema sei der neue Bierlieferant nicht. Zumal der kein Exklusivrecht hat und Beblo auch andere Biersorten anbieten kann. „Für die Gäste ist ja sonst auch alles beim Alten.“ Nur, dass der Biergarten kleiner ist.
Kleiner ist der Simssee-Biergarten am alten Waldgasthof Liebl, weil die „Simsseer Gastro- und VeranstaltungsUG“ den Uferstreifen vor Biergarten und angrenzendem Nachbargebäude direkt von den Seebesitzern gepachtet hat. Dieser Streifen steht Beblo heuer nicht zur Verfügung.
Uferstreifen gehört
den Seebesitzern
Denn den Uferstreifen konnte selbst die Gemeinde nicht erwerben, als sie 2012 das Hauptgebäude des ehemaligen Waldgasthofs an einer der schönsten Lagen am Simsseeufer kaufte. Darüber wachen die Seebesitzer. Die damaligen Gemeinderäte Günther Dörfler, Toni Forstner und Karl Mair unterstützten Bürgermeister Rainer Auer bei der Idee, das Gelände – zu dem auch das alte Strandbad gehört – langfristig wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Immer wieder
Interessenten
Das sollte noch einige Jahre dauern. Jahre, in denen sich mehrere Interessenten, „darunter bekannte Rosenheimer Gastronomen“, wegen der seit Jahrzehnten brachliegenden Gaststätte bei der Gemeinde gemeldet hatten, berichtet Mair. Ende 2019/Anfang 2020 kam es dann zu Gesprächen mit der Braumanufaktur über einen Biergarten.
Im Mai 2020, Corona tobte, schloss der frisch gewählte Bürgermeister Mair für zwei Jahre einen Vertrag über einen jeweils sechswöchigen Biergartenbetrieb ab – der Pandemie zum Trotz. Am 18. Juli 2020 war Eröffnung – und der Simsseer Biergarten wurde auf Anhieb für viele zum Lieblingsplatz für die Feierabendhalbe mit Panoramablick auf Wasser und Berge.
Hinter den Kulissen begann es allerdings schnell zu gären. Weil sich die Braumanufaktur nicht an den mit der Gemeinde unterzeichneten Vertrag hielt. „So wurde die Gaststätte vertragswidrig weiterverpachtet, es wurden Räume genutzt, deren Nutzung untersagt war und Ein- und Umbauten wurden ohne die vereinbarte Abstimmung mit der Gemeinde vorgenommen“, sagt Mair.
„Es kam sogar dazu, dass Küchenabwässer in den See flossen“, ist der Bürgermeister noch Jahre später empört. Denn: Das Waldgasthaus Liebl liegt im Landschaftsschutzgebiet. Die Gemeinde musste laut Mair einiges an Vorarbeit leisten, dass der Biergarten überhaupt öffnen konnte und es eine Gaststättengenehmigung gab, obwohl nur ein WC-Container vorhanden ist.
Die Brauerei sei, so Mair, im Umgang mit der Gemeinde oft wenig zimperlich gewesen. Seine Mitarbeiter und er seien immer wieder als Bürokraten belächelt worden, sprachen sie kritische Punkte an. Als er eine Rechnung hinterfragte, sei schriftlich sogar mit dem Umzug der Brauerei in eine andere Gemeinde gedroht worden. Angesichts dessen nimmt es Wunder, dass jetzt im Internet, auf Social-Media-Plattformen und in anderen Veröffentlichungen auch Verwandte und Bekannte der beiden Brauereibesitzerfamilien fordern, die Gemeinde hätte ihre schützende Hand über die Brauerei halten müssen.
Nach den Problemen in den ersten beiden Jahren schloss die Gemeinde für 2022 und 2023 mit der eigens gegründeten „Simsseer Gastro- und VeranstaltungsUG“ einen neuen Vertrag ab. Für beide Jahre wurde der Biergarten in Abstimmung mit der Gemeinde an Jonathan Beblo, im Gemeindegebiet quasi in Sichtweite des Simssees aufgewachsen, verpachtet. Der junge Koch überzeugte nicht nur die Gäste, sondern auch die Gemeinde. Weil er motiviert und zuverlässig war und ist. Von der Qualität des Angebots gar nicht zu reden.
Fünf statt zwei
Jahren Vertrag
Für 2024 und vier weitere Jahre entschloss sich die Gemeindeverwaltung, direkt einen Pachtvertrag mit Beblo abzuschließen. Der Braumanufaktur wurde im Herbst 2023 über einen Bierliefervertrag für eben diese fünf Jahre die exklusive Präsenz ihrer Produkte angeboten. „Leider begann die Brauerei, Gespräche zu verzögern“, bedauert Mair. Sie wollte selber Pächter bleiben und präsentierte Mair ein neues Wirtsehepaar. Beides wollte die Gemeindeverwaltung nicht. Zu gut waren die Erfahrungen mit Jonathan Beblo, zu durchwachsen die mit der Brauerei.
Im März unterschrieben Mair und Beblo den Pachtvertrag für das Grundstück der Gemeinde. Ende April schien man sich auch über die Lieferung von Bier und alkoholfreien Getränken mit der Braumanufaktur einig. Nur die Nutzung des Uferstreifens am See war noch nicht geregelt. Zwei Tage später lag Beblo ein elfseitiger Vertrag vor. In dem es nicht nur um die Nutzung des Uferstreifens ging. „Was hat denn die Zahl meiner Ruhetage mit dem Uferstreifen zu tun?“, fragte Beblo nicht nur sich, sondern auch den Bürgermeister.
Mair und seine für die Immobilien der Gemeinde zuständige Mitarbeiterin, eine Volljuristin, fanden noch etliche andere fragwürdige Punkte. Beblo unterschrieb nicht und die Gemeinde teilte den Geschäftsführern der „Simsseer Gastro- und VeranstaltungsUG“ das Ende der Verhandlungen mit. „Uns fehlt das Vertrauen für eine fünfjährige Zusammenarbeit“, sagt Mair deutlich.
Beblo stand vier Wochen vor der Eröffnung des Biergartens ohne Bierlieferant da. Er wandte sich an die Brauerei Flötzinger in Rosenheim. „Wenn ein junger engagierter Gastronom bei uns anruft, dann sind wir gerne bereit, ihn zu unterstützen“, sagt Geschäftsführer Lorenz Stiglauer. Denn von der Sorte gebe es nicht viele. Gemeinsam durchsuchten Stiglauer und Beblo den Fundus der Brauerei. Zu der Schank und bunten Tischgarnituren aus dem Gin-Garten kamen noch Schirme, die die einheimischen Weishäupl-Produkte ergänzen, und einige Stühle. Seit Anfang Juni liefert nun Flötzinger an den Simssee, wenn auch nicht exklusiv. Das nahm die Brauerei in Kauf: „Bevor er zu einer Münchner Großbrauerei wechselt, wechselt er lieber zu uns“, sagt Stiglauer.
Leichtfertig
aufs Spiel gesetzt
Aus Mairs Sicht hat die Brauerei den Biergarten leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Für ihn unverständlich, weil der Biergarten für die Brauerei nicht nur ein guter Imagefaktor war, sondern nach den ihm bekannten Umsatzzahlen auch wirtschaftlich sehr erfolgreich. Den momentan gerne erhobenen Vorwurf, die Gemeinde würde die Brauereimanufaktur nicht unterstützen, weist Mair zurück. Nicht nur, dass sich die Gemeinde für die Genehmigung des neuen Brauereistandortes in sensibler Außenbereichslage bei der Krottenhausmühle einsetzte. Sie schenkt bei ihren Veranstaltungen immer die Simsseer-Biere aus und in den mit lokalen Spezialitäten gefüllten Geschenkkörben ist das heimische Bier selbstverständlich dabei.