Selbstbestimmtes Leben im Alter

von Redaktion

Erste Wohnungen im neuen Senioren-Quartier in Haidholzen bereits bezogen

Stephanskirchen – Es gibt keinen besseren Ort als das eigene Zuhause, um alt zu werden. Doch wenn Rollator und Treppenlift als „Barrierebefreier“ nicht mehr ausreichen, wird es schwierig. Stephanskirchen hat für dieses Problem ein Konzept: Möglichst viele Stephanskirchener sollen auch im Alter und bei Pflegebedürftigkeit im Ort wohnen bleiben können. Deshalb befürwortete der Gemeinderat das Senioren-Quartier, ein Projekt der ortsansässigen Pur Vital Altenhilfe GmbH, einstimmig. Die Inhaber Mario und Markus Mittermeier investieren etwa 25 Millionen Euro. Jetzt haben die ersten Senioren ihre Wohnungen im Betreuten Wohnen bezogen.

46 Wohnungen
und ein Café

In drei Gebäuden entstehen insgesamt 46 Wohnungen. Das Gebäude C mit 14 Wohnungen ist bezugsfertig. Im Erdgeschoss wurde gerade die Tagespflegeeinrichtung mit 20 Plätzen ihrer Bestimmung übergeben. Hier befinden sich auch die Zentrale des mobilen Pflegedienstes und das öffentliche Café-Bistro „Wuid“. Im August wird das Gebäude A mit 25 Wohnungen und Clubraum fertig. Im Dezember geht Gebäude B mit sieben Wohnungen und zwei ambulant betreuten Wohngemeinschaften mit jeweils zehn Plätzen ans Netz.

In allen Bereichen genießen Stephanskirchener Vorrang. Das haben die Investoren und die Gemeinde in einem städtebaulichen Vertrag festgehalten. Zur Verfügung stehen Wohnungen mit Größen zwischen 38 und 94 Quadratmetern. Alle barrierefrei und rollstuhlgerecht, mit großem Bad mit bodengleicher Dusche und Haltegriffen. Alle mit Einbauküche, Abstellraum, Terrasse oder Balkon, Notruf und smarter Technik wie Klingelanlage mit Kamera und elektronischem Türspion, elektrischen Rollläden und schlüssellosem Eintritt.

Im städtebaulichen Vertrag ist verankert, dass ein Drittel der Wohnungen zu einem um 20 Prozent reduzierten Mietpreis angeboten werden. Zum Vergleich: Eine „normale“ Beispiel-1,5-Zmmer-Wohnung mit 38,89 Quadratmetern kostet 720 Euro kalt. Das entspricht einem Quadratmeterpreis von 18,51 Euro. Bei einer vergünstigten Wohnung beträgt die Kaltmiete 575 Euro, der Quadratmeter-Preis also bei 14,78 Euro.

Ist das zu teuer? „Im Vergleich zu den Mietpreisen in der Region Rosenheim nicht, sondern eher empfehlenswert“, meint Christina Landshammer aus Stephanskirchen, die gerade ihre Mutter in deren neuen betreuten Wohnung besucht. Im Mietpreis seien auch Einbauküche, teilweise möblierte Wirtschaftsräume, Gemeinschaftsflächen und die Infrastruktur des Quartiers mit inbegriffen.

„Vergünstigte Wohnungen können Mieter erhalten, deren Jahreseinkünfte einen Betrag von 27144 Euro bei Alleinstehenden oder 45240 Euro bei Paaren nicht überschreiten“, erläutert Katharina Zimmerer von der Pur Vital Altenhilfe GmbH, die die Wohnungen im Quartier vermietet.

Was das konkret bedeutet? Ein alleinstehender Senior, der nur seine Rente zum Leben hat, dürfte also bis zu 2262 Euro pro Monat bekommen. Die vergünstigte 1,5-Zimmer-Wohnung in Stephanskirchen kostet 575 Euro kalt. Hinzu kommen 100 Euro Nebenkosten und eine Grundleistungspauschale von 150 Euro. Insgesamt kostet die Wohnung also 825 Euro. Damit etwa 700 Euro zum Leben bleiben, müsste der Senior also eine Rente von 1525 Euro bekommen.

Senioren, die weniger Geld zur Verfügung haben, können bei der Wohngeldstelle des Landratsamtes Rosenheim einen Mietzuschuss beantragen. Anspruch darauf hat nach dem Wohngeldgesetz „jede natürliche Person, die Wohnraum gemietet hat und diesen selbst nutzt“. Wer Leistungen vom Sozialamt bezieht, sollte die Kostenfrage mit dem zuständigen Sozialamt klären, empfiehlt die Verbraucherzentrale. Wie es sich im Einzelfall verhält, muss immer individuell geprüft werden. „Senioren, die sich fürs Betreute Wohnen interessieren, können sich jederzeit melden“, macht Katharina Zimmerer auch weniger gut betuchten Menschen Mut, sich zu informieren.

An den Mietvertrag gekoppelt ist eine Grundleistungspauschale von 150 Euro (für Paare 225 Euro). Diese ist für Dienst- und Fürsorgeleistungen, also unter anderem für Hausmeister und Quartiersmanagerin. Sie ist die Schnittstelle zwischen Privathaushalt und Leben in der Gemeinschaft des Quartiers. Sie hilft in allen Lebenslagen – sei es bei Anträgen oder behördlichem Schriftwechsel, bei Terminvereinbarungen oder der Medikamenten- und Getränkebeschaffung. Sie fördert die Hausgemeinschaft, organisiert Freizeitaktivitäten oder koordiniert Veranstaltungen im Clubraum. „Uns ist wichtig, dass die Menschen im Senioren-Quartier nicht einsam sind, sondern in der Gemeinschaft ein erfülltes Leben genießen“, betont Mittermeier. Die „Kümmerin“ heißt Birgit Klein. Sie verzahnt auch die Angebote im Quartier, vermittelt beispielsweise Wahlleistungen wie den mobilen Pflegedienst oder Essenslieferungen.

Beides kommt ebenfalls direkt aus dem Quartier. Hier kocht der neue Wirt Martin Obermüller nicht nur für die Besucher seines öffentlichen Café-Bistros, sondern auch für die Mieter des Betreuten Wohnens.

In den eigenen vier Wänden leben und trotzdem Pflege und Betreuung in Anspruch nehmen, das ist in Haidholzen möglich, denn auch mobiler Pflegedienst und Tagespflege gehören zum Senioren-Quartier. „Ein pflegebedürftiger Mensch kann also beispielsweise am Morgen und am Abend in seiner Wohnung vom Pflegedienst gepflegt werden und den Tag in Gesellschaft in der Tagespflege verbringen“, beschreibt Markus Mittermeier sein Konzept. Beide Leistungen werden ab dem Pflegegrad 2 von den Pflegekassen bezahlt.

Ambulant betreute
Wohngemeinschaft

Wenn auch dafür die Kräfte nicht mehr reichen, kann man in die ambulant betreute Wohngemeinschaft umziehen. Auch hier hat jeder sein eigenes Zimmer mit barrierefreiem Bad, Terrasse oder Balkon. In den Gemeinschaftsräumen werden die Bewohner von Alltagsbegleitern betreut. Um ihre Pflege kümmert sich der mobile Pflegedienst. Die Kosten entsprechen denen einer stationären Pflegeeinrichtung. Der Vorteil einer Wohngemeinschaft im Quartier: „Wird beispielsweise ein Partner schwerpflegebedürftig, kann der eine in seiner Wohnung bleiben und der andere in der Wohngemeinschaft leben. Trotzdem müssen sie sich nicht trennen, sondern bleiben nah beieinander, weil alle Angebote nur wenige Schritte entfernt sind“, so Mittermeier.

Ende 2024 ist das Senioren-Quartier mit seinen Außenanlagen – Park, Gärten, Hochbeete, Brunnen und Wegen – fertig. Dann greifen die verschiedenen Wohnformen ineinander, können Senioren, solange es geht, selbstbestimmt leben und entsprechend ihrer persönlichen Situation flexibel versorgt werden.

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