„Uns geht es darum, Leib und Leben zu schützen“

von Redaktion

Interview Caritas-Fachbereichsleiterin Margit Rychly über die Gründe für den Zaunbau in Schonstett

Schonstett – Sie kennt jeden Winkel im Caritas-Heim Schonstett, jeden Flecken in den weitläufigen Grünanlagen, denn Margit Rychly war hier von 2004 bis 2022 Einrichtungsleiterin. Viele Bewohner, die an diesem Morgen in ihren Rollstühlen vor dem Haupteingang oder auf der Terrasse sitzen, grüßen und suchen das Gespräch mit der Vorgängerin von Vanessa Arbter. Dass Rychly noch einmal zurückgekehrt ist für ein Gespräch mit der Redaktion, liegt an den Diskussionen um die Sperrung von großen Teilen des Parks, der zum Grundstück des Wohnheims für Menschen mit Behinderungen gehört. Die 59-Jährige ist beim Caritasverband für die Erzdiözese Fachbereichsleiterin für die stationären Wohnheime, also auch für den Standort Schonstett.

Nachdem die Caritas hier mit einem Zaunbau begonnen hatte, der die Areale absperren soll, in denen Gefahren durch kranke Bäume bestehen können, ist der Aufruhr im Ort groß. Es kam sogar zu Vandalismus und Beschimpfungen der Bauarbeiter.

Es besteht nach wie vor Erklärungsbedarf in Schonstett. Warum kann, darf und will die Caritas die Finanzierung der Pflegemaßnahmen in den gesperrten Teilen nicht mehr übernehmen?

Wir haben als Grundeigentümer die Verkehrssicherungspflicht. Wir mussten bisher zweimal im Jahr einen Gutachter kommen lassen, der fachgerecht den alten Baumbestand untersucht und entsprechende Baumpflegemaßnahmen anordnet. Es gab eine kirchliche Stiftung, die uns nicht zweckgebundene Gelder für diese Maßnahmen zur Verfügung gestellt hat. Nur deshalb konnten wir das machen. Die Stiftung gibt es noch, sie stellt uns auch noch Gelder zur Verfügung, allerdings nicht mehr für diese Maßnahmen, sondern ausschließlich zweckgebunden für die Betreuung und Versorgung der hier lebenden Menschen mit Beeinträchtigungen. Das heißt, diese Gelder können wir als Sozialverband nicht mehr in die Verkehrssicherungspflicht des Parks stecken. Wir müssen außerdem unterscheiden zwischen normaler Grünanlagen-Pflege und Verkehrssicherungsmaßnahmen. Letztere sind akute Arbeiten, wenn es nach einem Sturm oder wie im vergangenen Winter zu Schneebruch gekommen ist. Dann brauchen wir Baum-Gutachter. Wird festgestellt, dass Gefahren, etwa durch herabfallende Äste, drohen, sind wir auf unserem Grundstück in der Pflicht zu handeln. Und in der Haftung. Dann geht es um die Gesundheit von Menschen.

Die Caritas betreibt mehrere Heime für Senioren oder Menschen mit Behinderungen. Viele Gebäude haben eigene Park- und Grünanlagen. Gehören Pflege und Unterhalt nicht zu den gängigen Betriebskosten eines Heimes? Sind Gärten nicht sogar notwendige Angebote, um den betreuten Menschen Aufenthalte im Freien zu ermöglichen, wichtig für ihre Lebensqualität?

Unser Auftrag als Sozialverband ist es, zum Wohle der Bewohner zu wirken, was vor allen Dingen ihre direkte Versorgung und Betreuung anbelangt. Und selbstverständlich gehört auch das Naturerlebnis zum Wohlbefinden, es fördert die Gesundheit und Lebensqualität. Deshalb sind Grünanlagen und Gärten wichtig. Wenn man sich jedoch die Ausmaße des Schonstetter Parks ansieht, ist er in dieser Größenordnung nicht erforderlich. Unsere Bewohner haben noch viele Flächen, die sie weiterhin nutzen können: eine über 100 Quadratmeter große Terrasse, einen frei zugänglichen Garten mit Hochbeeten, einen Parkbereich mit rollstuhlgeeigneten Wegen. Die nun abzusperrenden Areale waren schon vorher für unsere körperlich beeinträchtigten Bewohner nicht eigenständig nutzbar, weil sie zu 90 Prozent keine Offroad-Rollstühle haben. In den Bereichen, die nun gesperrt werden, fanden auch nie die beliebten Begegnungsfeste mit den Schonstetter Bürgern statt, sondern nur in Hausnähe.

Die Zaunaufstellung kostet auch Geld. Hätten diese Mittel nicht besser für die Verkehrssicherungsmaßnahmen verwendet werden sollen?

Wir gehen davon aus, dass es erheblich günstiger wird, wenn wir mit einem Zaun das bedrohte Areal absperren. Das ist eine einmalige Investition. Wir sind sicher, dass die Kosten deutlich unter denen liegen, die für die jährliche Parkpflege zur Verkehrssicherung aufgewendet werden müssen. Und den Zaun muss man sowieso aufstellen, denn der nächste Sturm kommt bestimmt. Wir müssen zum Beispiel danach nicht mehr jedes Totholz entfernen, also nicht jeden Ast, der herunterfallen könnte.

Die Caritas darf aber auch die gesperrten Bereiche nicht einfach sich selbst überlassen.

Natürlich nicht. Die normale jährliche Pflege gehört zu einer Grünanlage oder zu einem Baumbestand dazu. Wir müssen beispielsweise weiterhin schauen, dass wir keinen Borkenkäferbefall haben oder Bäume am Rande der Absperrungen den Nachbarn auf den Kopf fallen. Wir müssen ja auch unsere Gebäude instand halten. Das alles gehört zur normalen Immobilienbewirtschaftung. Doch bei Verkehrssicherungsmaßnahmen, die akut auftreten können, kommen wir auf ganz andere Summen. Wir können außerdem die Gelder, die wir beispielsweise vom Bezirk Oberbayern bekommen, um Menschen mit Beeinträchtigungen zu pflegen und zu betreuen, nicht für die Verkehrssicherheit eines Parks hernehmen.

Am Mittwoch, 10. Juli, hat es auch in Schonstett kräftig gestürmt, Bürger sagen, im Caritas-Park sei nichts passiert. Die Maßnahmen seien deshalb überzogen.

Wie gefährdet ein Baum ist, können wir als Laien nicht beurteilen. Das lässt sich von außen oft nicht erkennen. Es kann laut Baumgutachter auch Tage nach einem Sturm noch zu Vorkommnissen kommen. Wir vertrauen auf die Expertise unserer Gutachter, denn ob ein Baum einen Schaden davongetragen hat oder nicht, sieht man ihm leider oft gar nicht an. Uns geht es bei der Absperrung nicht darum, Schonstett zu ärgern, uns geht es darum, Leib und Leben zu schützen. Wenn Gefahr in Verzug ist, wird übrigens überall gesperrt: auch im Englischen Garten in München. Hier kommen dann Schilder hin und Flatterbänder. Das haben wir in Schonstett auch versucht, es hat nicht funktioniert, weil sich die Leute nicht daran gehalten haben.

Es gibt Befürchtungen in der Bürgerschaft, die Caritas wolle sich auch aus dem Heim in Schonstett zurückziehen, nach dem Beispiel des Seniorenheims St. Konrad in Wasserburg.

Es gibt keine Pläne für eine Schließung. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren mehrere Millionen Euro in das Haus gesteckt. Unter anderem in drei Aufzüge. Wir haben in die Fassade investiert. Zwischen 2011 und 2016 haben wir im laufenden Betrieb eine komplexe Teilsanierung vorgenommen, vor allem im Hauptgebäude. Das macht man nicht, wenn man gehen will.

Aber die Anzahl der Bewohner soll sich in den vergangenen Jahren reduziert haben.

Wir haben momentan 44 Bewohner, werden im August noch mal zwei neue aufnehmen. Wir haben gegenwärtig 68 Mitarbeitende in allen Bereichen. Der Grund, weswegen wir nicht auf 60 Bewohner aufstocken können: Uns fehlen Fachkräfte – sowohl in der pädagogischen Betreuung als auch in der pflegerischen Versorgung. Wir haben leider 20 Interessenten auf der Warteliste. Vor etwa 15 Jahren hatten wir in der Tat mal 92 Plätze. Doch wir haben im Zuge der Teilsanierung Haus C schließen müssen, weil es nach den aktuellen gesetzlichen Vorgaben des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes nicht geeignet ist für die Unterbringung von Menschen mit Rollstuhlbedarf. Deshalb haben wir nun mit dem Bezirk Oberbayern eine Leistungsvereinbarung für 60 Plätze. Es gibt keine Bestrebungen, davon abzurücken.

Haus C wurde zur Flüchtlingsunterkunft. Diese soll also nicht erweitert werden?

Die Gemeinde ist 2016 an uns herangetreten mit der Frage, ob wir das Gebäude zur Verfügung stellen würden. Und das haben wir natürlich gerne gemacht. Die Bewohnerzahl ist im Vertrag mit dem Landratsamt ausdrücklich auf 25 festgelegt worden. Diese maximale Belegungszahl hatten wir mit der Verwaltung Schonstett vorher so vereinbart. Hätten wir unser Haus nicht angeboten, hätte die Kommune vermutlich auf Gemeindegrund Container aufstellen müssen.

Welche Zeitschiene hat die Caritas für die Beendigung der Vertragsverhandlungen mit der Gemeinde?

Wir sind seit zwei Jahren in Verhandlungen mit der Gemeinde. Wir strecken eine Hand nach der anderen aus. Uns und vor allem auch mir als ehemaliger Einrichtungsleiterin liegt der Standort Schonstett am Herzen. Unser Ziel ist es, eine vertraglich langfristige, für alle Seiten gute und vor allen Dingen saubere Lösung hinzubekommen, mit Schwerpunkt Kindergarten und Spielplatz. Im Juli wird wieder eine Verhandlung stattfinden. Ich hoffe inständig, dass wir uns mit der Gemeinde noch in diesem Jahr einig werden. Unser Wunsch ist eine Lösung auf Erbpachtebene.

Dann müsste die Gemeinde die Verkehrssicherungspflichten übernehmen.

Ja, so ist es. Die Verkehrssicherungspflicht für einen Grund, den man auf Erbpacht zur Verfügung hat, die trägt man nun mal. Übrigens ist es auch nicht die Aufgabe eines gemeinnützigen Sozialverbands, für Freizeitflächen in einer Kommune zu sorgen. Das ist die Aufgabe der Gemeinde.

Warum dauern aus Ihrer Sicht die Verhandlungen schon so lange? Warum hat man sich noch nicht einigen können?

Diesbezüglich kann ich auch nur staunen. Ich nehme an, weil es so hochkomplex ist. Doch ich bin keine Juristin. Nur Juristen können beurteilen, was in einen solchen Vertrag aufgenommen werden muss. Das dauert. Es geht in erster Linie um den Spielplatz und den Kindergarten auf unserem Grund. Und das ist etwas ganz, ganz Wichtiges für die Gemeinde.

Dann ist da noch der Weg über das Gelände, den viele im Dorf gerne benutzen. Wird er durch den Zaun unterbrochen?

Nein, der Weg wird weiter nutzbar sein. Hier sausen die Kinder durch zur Schule. Das ist ja viel ungefährlicher als unten an der Straße. Da gibt es nämlich nicht mal einen Gehweg. Der Zaun wird so gesetzt, dass man da weiter durchgehen kann.

Was sagen Sie zum Verdacht in der Gemeinde, die teilweise Sperrung des Parks wäre auch ein Druckmittel der Caritas, damit die Verhandlungen mit der Gemeinde Dampf bekommen?

Dann hätte die Caritas ja den letzten Sturm und den letzten Schneebruch bestellt. Doch wir bestellen das Wetter nicht. Es geht um die Sicherheit. Und ich wiederhole: Wir müssen uns den Realitäten stellen. Wir sind gezwungen, bestimmte Maßnahmen zum Schutz zu ergreifen. Wir können nicht die Gelder, die wir für die Betreuung und Versorgung der Menschen mit Behinderung bekommen, für etwas anderes hernehmen. Interview: Heike Duczek

Die Kosten

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