Ein Auffangnetz nach der Schockdiagnose Krebs

von Redaktion

Klinik Bad Trissl hat seit fünf Jahren psychosomatische Station für Patienten – Einzigartiges Angebot in Deutschland

Oberaudorf – Krebs: Diese Diagnose ist längst nicht mehr ein Todesurteil. Die Heilungschancen steigen vielmehr fortwährend, über alle Krebsarten hinweg gesehen sind es mehr als 50 Prozent der Erkrankten, die auch nach fünf Jahren keine Symptome mehr aufweisen, bei manchen Krankheitsarten sogar bis zu 90 Prozent.

Dennoch erscheint die Diagnose wohl allen Betroffenen zunächst wie ein Sturz ins Bodenlose. Viele davon können wieder zu sich und einer gewissen seelischen Stabilität finden, durch die Unterstützung der Familie, der behandelnden Ärzte, Hilfsangeboten wie etwa der Krebsberatungsstellen. 30 Prozent aber entwickeln eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung, die ambulant oder gar allein nicht immer in den Griff zu bekommen ist.

Bis vor fünf Jahren waren diese Menschen allein auf die Hoffnung angewiesen, ihre Seelenlage in einer „normalen“ psychosomatischen Klinik wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Doch die Wartezeiten dafür sind teilweise lang, das Thema „Krebs“ oft stigmatisiert und vor allem: Nicht selten musste dafür die eigentliche Krebsbehandlung verschoben oder unterbrochen werden.

Seit fünf Jahren gibt es in der Klinik Bad Trissl in Oberaudorf eine spezielle psychosomatische Station für Krebspatienten. Damit können beide Behandlungsschwerpunkte in einem Haus und damit Hand in Hand gehen. Ein Umstand, der für jeden Laien auf Anhieb so sinnvoll und vernünftig klingt, dass man darin eine Selbstverständlichkeit sehen möchte. Die Realität war aber eine andere.

Die Idee war am Anfang alles andere als leicht zu verwirklichen, wie die Chefärztin der Station, Dr. Sabine Schäfer, bei einer kleinen Jubiläumsfeier erläuterte. Unter anderem galt es zunächst, die Krankenkassen von der Wirksamkeit dieser doppelten Behandlungsform zu überzeugen. Dafür musste neben dem Aufbau der eigentlichen Station samt ihrer Behandlungsstruktur ein Begleitforschungsprozess, also eine nachprüfbare Erfolgskontrolle, entwickelt werden. Deren Ergebnisse sind eindeutig: Die Patienten, die befragt wurden und weiterhin befragt werden, betonen alle eins: eine sehr deutliche Verbesserung ihres seelischen Zustandes, nicht nur während des Aufenthaltes, sondern sogar noch Monate danach.

Lutz Priebe und A. Schlierf können das nur bestätigen. Für sie beide war die Aufnahme in Bad Trissl gewissermaßen das Netz, das in letzter Sekunde ihren freien Fall in Depression und Angstzustände bremste: „Bad Trissl war für uns schlichtweg die Rettung“, sagen sie. Alleine wären sie nicht zurechtgekommen mit der Tatsache, dass der Schock der Krebsdiagnose oft andere seelische Baustellen ans Tageslicht bringt, die man für längst überwunden gehalten hatte oder die einem nicht einmal bewusst waren. Und Lutz Priebe, der am Tag nach dem Jubiläum seinen Klinikaufenthalt beenden konnte, meinte zuversichtlich: „Es werden einem hier Werkzeuge an die Hand gegeben, die einem auch nach dem Klinikaufenthalt weiterhelfen. Man wird vielleicht noch ab und zu stolpern, aber man wird nicht mehr fallen.“ A. Schlierf ergänzt: „Dass Sorgen und Ängste immer wieder mal lebendig werden, ist etwas, mit dem man leben muss, aber auch kann. Entscheidend ist, dass diese Zustände dann nicht mehr in jene nackte Panik abgleiten, die einen komplett lähmt.“

Diese Zuversicht der Patienten ist das Ergebnis einer Behandlung, die den ganzen Menschen umfasst, meint die Chefärztin. „Hier können wir den Ängsten und Sorgen, die die Krebserkrankung auslöst, in den verschiedenen Therapien Raum geben wie zum Beispiel in Einzel- und Gruppengesprächen, der Kunst-, Musik- und Körpertherapie, der Entspannungs- und der Aktivgruppe, aber auch in Wahlangeboten wie etwa Aromatherapie, Klangschale, Gartentherapie. Und hier gehen psychosomatische und onkologische Betreuung Hand in Hand. So können wir, wenn nötig, auch eine onkologische Therapie parallel zur psychosomatischen Behandlung sicherstellen.“

Die Klinik Bad Trissl ist mit ihrem Konzept in Deutschland immer noch ein einzelner Leuchtturm. Weswegen nicht nur Oberaudorfs Bürgermeister Matthias Bernhardt, sondern auch stellvertretende Landrätin Alexandra Burgmaier sich bei Klinik und Personal ausdrücklich bedankten: Nicht nur dafür, diese Idee gehabt zu haben, sondern vor allem auch für das Engagement und die Zähigkeit, mit der sie verwirklicht wurde. Johannes Thomae

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