Aschau – Es ist Gaufestsonntag und eigentlich noch viel zu früh zum Aufstehen. Nach einer rauschenden Nacht in Fest- und Barzelt sollte man eigentlich ausschlafen. Vor allem, wenn man auch noch Geburtstag hatte. Doch Punkt 6.30 Uhr holt die Musikkapelle Aschau den Schirmherrn des Gaufestes mit einem Marsch aus den Federn. Mit Morgenmantel, Stöpselhut und einem strahlenden Lächeln begrüßt Ludwig Cramer-Klett die musikalische Abordnung, die ihn festlich in den Tag bringen will.
Geheimwaffe aus der japanischen Küche
Minuten später steht der Baron wieder in der Küche. Wie schon Stunden zuvor. Für die Musi hat er etwas ganz Besonderes gekocht. Eine Dashi-Suppe, die Geheimwaffe der japanischen Küche. „Die Brühe muss zwölf Stunden köcheln, damit alle Zutaten ihre Aromen entfalten können“, verrät er. Am Samstagabend hat er sie angesetzt, in der Nacht immer mal wieder geschaut, ob alles passt. Nun, am Morgen richtet er sie für seine Musiker an und verrät: „Das ist eine Suppe mit vielen Elektrolyten, Vitaminen und Mineralstoffen, ein echter Energielieferant.“
Musikalischer Marathon
Die Geheimwaffe der japanischen Küche soll die Lebensgeister der Aschauer Musiker wecken. Nicht, weil die Musi mit 160 Jahren schon älter als der Trachtenverein Hohenaschau ist. Nein. Als Festmusi stecken die Aschauer gerade mitten in einem „unbeschreiblich anstrengenden Wochenende“. Der musikalische Marathon begann schon am Samstagabend mit dem Totengedenken. Das Marschieren hatten die Musiker vor dem Gaufest extra nochmal geübt, denn Musizieren im Marsch kostet Kraft. Da muss die Schrittlänge passen – für kleine und große Füße. Wenn‘s passt, macht‘s Spaß. Holt Kapellmeister Michael Morgott mit seinem Majorstab allerdings zu viel Schwung, gibt‘s Blasen an den Füßen und die Luft wird knapp.
Wenig später beginnt der Gauheimatabend. Dafür hatten die Musiker noch Extra-Stücke einstudiert, beispielsweise einen Geburtstagsüberraschungsmarsch für den Baron, vor allem aber Begleitmusik für die Trachtentänze. Denn, wenn die besten Volkstänzer des Chiemgau-Alpenverbandes drehen und platteln, muss das Tempo auf den Punkt passen. „Und dabei richten wir uns nach den Tänzern“, erklärt Dirigent Morgott.
Kurz vorm Auftakt sitzen die Musiker noch bei einem Bier am Fuße der Kampenwand zusammen. Die Hitze ist kaum auszuhalten. Auf der Bühne ist es noch heißer. 28 Stücke werden sie an diesem Abend spielen. Von 20 Uhr bis weit in die Nacht. „Es sind viele Wechsel, unterschiedliche Tempi. Wir haben großen Respekt vor dem Gesamtkunstwerk dieses Abends“, verrät Morgott.
Anzusehen ist es den Musikern nicht. In der Generalprobe haben sie gemeinsam mit den Tänzern die Stücke so lange wiederholt, bis Tanz und Musik im perfekten Einklang waren. Heute wird es klappen. Um 19.45 Uhr geht es auf die Bühne: „So, jetzt sorgen wir für Stimmung“, ruft Morgott seiner Truppe zu.
Viele der Musiker sind schon seit Jahrzehnten dabei. Das Schöne an der Aschauer Musikkapelle sei das familiäre Miteinander. Wer neu hinzukomme, gehöre sofort dazu. Drei Stunden ist die musikalische Familie am Gauheimatabend auf der Bühne. Sie erntet viel Beifall und jede Menge „Daumen hoch“ von ihrem Dirigenten.
Zu vorgerückter Stunde dann die Überraschung für den Schirmherrn des Gaufestes: Volksmusikpfleger Leonhard Meixner hatte in den Volksmusikarchiven des Bezirks Oberbayern einen Cramer-Klett-Marsch entdeckt. Und Ludwig Cramer-Klett durfte sein Geburtstagsständchen selbst dirigieren – dank der Musi eine gelungene Premiere für den Baron.
Radler, Bier und Schorle halten die Kehlen feucht. Nicht nur bei den Gaufestbesuchern, sondern vor alllem bei den Musikern. In einem dreistündigen Blasmusik-Konzert brauchen sie unendlich viel Luft, um ihre Instrumente zum Klingen zu bringen. Dazu noch die extreme Hitze auf der Bühne. Wer das durchhalten will, muss für seinen Wasserhaushalt sorgen und trinken. Fürs gemütliche Trinken, Ratschen und Feiern haben die Musiker am Samstagabend allerdings keine Zeit.
Während die Trachtler im Barzelt mit den Preaner Buam bis früh in den Morgen tanzen und ausgelassen feiern, müssen sie vernünftig bleiben und ins Bett. Am Sonntagmorgen stehen sie mit den Hühnern auf, sind mit ihrer Blasmusik schon wieder in Aktion.
Punkt 6 Uhr beginnt das traditionelle Aufwecken bei Festleiter Rudi Angermaier. „Wir grüßen mit Musik“ heißt der erste Marsch am Sonntagmorgen. Und auf die Frage „Habt‘s scho an Durscht“ gibt‘s ein fröhliches „Na klar“. Und so beginnt die musikalische Reise durchs erwachende Priental mit einem Bier. Nur für Busfahrer Thomas nicht, denn der bringt die Musi regensicher und unfallfrei zu ihren vier Stationen.
Nach der stärkenden Dashi-Suppe beim Baron werden um 7 Uhr Vereinsvorsitzender Claus Reiter sowie seine Eltern Christa und Bernd geweckt. Doch Christa ist da schon seit zwei Stunden wach, um den festlichen Empfang der Musi vorzubereiten. Sie kredenzt belegte Brote, Bier, Schnäpse und natürlich auch Alkoholfreies. Auf „Herberts Bankerl“ genießt manch ein Musiker eine willkommene Verschnaufpause – mit bestem Blick auf die Kampenwand.
Dann geht‘s weiter zu Bürgermeister Simon Frank und seiner Familie. Ob drei Monate, zwei, 13, 15 Jahre alt oder in den 40ern – alle sind schon auf den Beinen, als die Musi zum Wecken kommt. Auch die Nachbarn öffnen ihre Fenster, um das Konzert mitzuerleben. Dann gibt‘s Kaffee und Kuchen für den harten Teil des Tages, der in strömendem Regen beginnt.
Der Kirchenzug muss aufgrund des Wetters abgesagt werden. Nicht aber das „Reinspielen“ der Trachtenvereine. Am Triumphbogen werden sie normalerweise von der Festmusi abgeholt und musizierend ins Festzelt begleitet. An diesem Morgen ist das die Höchststrafe. Zum Glück haben viele Vereine ihre Musi dabei, die die Marschmusik übernimmt. Nur einmal müssen die Aschauer dann doch „ausrücken“. Doch Petrus ist gnädig. Als der Gewitterguss über dem Festgelände niedergeht, sind sie nur wenige Meter vorm Ziel. Und so bleiben sie (fast) trocken.
Um 10 Uhr dann erwartet die Musi wieder ein ganz anderes Genre. Sakrale Musik zur Begleitung des Festgottesdienstes. Der endet in einem atemberaubenden Konzert: Michael Morgott dirigiert 20 Musikkapellen aus dem Chiemgau-Alpenland, die gemeinsam die Bayernhymne intonieren. Ein Gänsehautmoment.
Nur kurze
Atempause
Nach einer kurzen Atempause geht es für die Aschauer Musiker schon weiter. Die Festmusi spielt für mehr als 4500 Trachtler auf. Das Festzelt ist bis auf den letzten Platz an Biertischen und Gängen gefüllt. Punkt 14 Uhr startet der Festumzug. Und wieder ist es die Aschauer Musikkapelle, die den 140-jährigen Trachtenverein „D‘Griabinga“ Hohenaschau anführt.
Nach sechs Kilometern durch Aschau geht es zurück auf die Bühne. Bis spät in den Abend halten die Aschauer mit ihrer Musik Tausende Festgäste bei bester Feierlaune. Wie Miraculix‘ Zaubertrank haben die Kochkünste des Barons und die gute Verpflegung beim morgendlichen Weckruf in Hohenaschau den Musikern Kraft gegeben und sie gut durch den Tag gebracht. Nun sind ihre schlaflosen Nächte erst einmal vorbei.
So geht‘s
musikalisch weiter
Das musikalische Zepter beim Chiemgauer Tanzfest (Donnerstag, 1. August) übernimmt die Weißenbacher Tanzlmusi. Beim Bier- und Weinfest (Freitag, 2. August) spielen die Oberkrainer und die Postwirtmusi auf. Den Festheimatabend (Samstag, 3. August) gestalten die Rottauer Tanzlmusi und die Alpenlandler. Beim Gaupreisplatteln am Sonntag, 4. August, ist es dann wieder die Musikkapelle Aschau, die ihre musikalischen Plattler genau auf die Tänzer aus dem Chiemgau-Alpenverband abstimmt. Mit dem Tag der Betriebe (5. August) geht das 140-jährige Jubiläumsfest der Hohenaschauer zu Ende. Den letzten Marsch des Gaufestes 2024 blasen die Stoalingkrainer.