Kiefersfelden – Mit der symbolischen Durchtrennung des roten Absperrbandes gaben Bürgermeister Hajo Gruber, die stellvertretende Landrätin Alexandra Burgmaier und Carolin Mayer, Leiterin Produktionsverarbeitung und -steuerung der Deutschen Bahn, nun den Weg frei zur barrierefreien Nutzung des Bahnsteigs 1 am Kieferer Bahnhof.
Ein- und Umsteigezahl
eigentlich zu gering
Zu Beginn der kleinen Zeremonie hob Carolin Mayer die Anstrengungen der Bahn hervor, die „schon über 500 barrierefreie Zugänge zu den Gleisen gebaut hat“. Der Umbau in Kiefersfelden sei nicht leicht gewesen, denn die Bedingung für einen solchen Umbau – eine tägliche Ein- und Umsteigezahl von 1000 – werde hier nicht erreicht. „Den Gleisausbau haben wir dann aber, trotz enormen zeitlichen Aufwands, zusammen mit der Gemeinde letztlich doch verwirklichen können“, so Mayer.
Der Dank von Kiefersfeldens Bürgermeister Hajo Gruber ging an die Deutsche Bahn für ihr Engagement zu dem wichtigen und notwendigen Umbau, „denn das ist für uns auch ein enormer Qualitätssprung. Ich weiß, wovon ich rede“, so der Rathauschef, der selbst auf einen Rollstuhl angewiesen ist, weiter: „Jetzt haben wir wirkliche Barrierefreiheit erreicht.“
Dazu erinnerte er an den wesentlichen Initiator Jürgen Wille, der zwischenzeitlich leider gestorben ist: „Er hat seit dem Jahre 2016 diesen Umbau durch seine Beharrlichkeit immer wieder angeschoben und hat auch bei scheinbar stockenden Verhandlungen nie lockergelassen, bis zu seinem Tod.“ Die stellvertretende Landrätin Alexandra Burgmaier überbrachte „ganz herzliche Glückwünsche an die Gemeinde, die immer wieder den Schulterschluss zwischen Tradition, Moderne und Notwendigkeit schafft, wie hier jetzt mit dem barrierefreien Bahnsteig.
Auf insgesamt rund 6,4 Millionen Euro summierten sich für die Deutsche Bahn die Kosten dieser Baumaßnahme, die heuer von März bis Juni durchgeführt worden ist. Exakt an 26 Tagen wurde in Tag- und Nachtschichten rund um die Uhr gearbeitet. Dafür musste ein Gleis komplett für den Bahnverkehr gesperrt werden. Es wurde der bislang zu niedrige Außenbahnsteig an Gleis 1 zurückgebaut und in einer Höhe von 76 Zentimetern komplett neu errichtet. Rollstuhlfahrer oder Familien mit Kindern und Kinderwagen kommen jetzt stufenfrei bis in den Zug und auch wieder heraus. Zuvor mussten sie, zumeist mithilfe des Zugpersonals, einen enormen Höhenunterschied überwinden, was nicht immer komplikationslos verlief.
Pünktlich zur Durchtrennung des Absperrbandes am Zugang zur Auffahrrampe zum Gleis 1 lief dort ein Zug aus Rosenheim ein und so konnten alle Beteiligten die Vorteile des barrierefreien Zu- und Ausstiegs erkennen. Noch eine weitere Besonderheit ist auf dem Bahnsteig verbaut worden. „Wir haben hier des erste fertige DSA+ (Dynamischer Schriftanzeiger) in einen Beleuchtungsmasten einbauen können, der es nun unter anderem Sehbehinderten möglich macht, durch Betätigen der entsprechenden Taste die aktuellen Bahninformation und Gleiszustiege abzurufen sowie den mit verschiedenen tastbaren Elementen gezeichneten Weg von und zu den Zügen mithilfe eines Pendelstocks zu erreichen“, so Carolin Maier. Im Zuge des Umbaus wurden auch zwei Wetterschutzhäuser am Außenbahnsteig sowie ein weiteres am Mittelbahnsteig errichtet, die nun Reisenden besseren Schutz vor schlechtem Wetter bieten.
Die Zeiten, als sich Behinderte oder Familien mit Kleinkindern und Kinderwagen oftmals auf abenteuerliche Bahnreisen von und nach Kiefersfelden begeben mussten, sind jetzt wohl Geschichte. Das bisherige Prozedere für Menschen mit Behinderung, Rollstuhlfahrer oder Frauen mit Kinderwagen, die nicht selbstständig den Ausstieg in Kiefersfelden nutzen konnten, sah, da es auf dieser Strecke keinen mobilen Dienst gab, so aus, dass sie rechtzeitig beim Betreiber ihre Zugfahrt anmelden mussten. Im Zug selbst halfen dann Zugbegleiter oder gar Fahrdienstleiter beim Aus- oder Einstieg.
Manchmal mussten Passagiere zupacken
War man jedoch nicht angemeldet, konnte es passieren, dass man auf die Hilfe von Mitreisenden angewiesen war, weil kein Zugpersonal zur Verfügung stand, das helfen konnte – besonders zu späterer Stunde. Der Kiefersfeldener Jürgen Wille war selbst mehrmals Betroffener und so nahm er im Jahr 2016 persönlich das Heft in die Hand und suchte die Gespräche mit den zuständigen Vertretern der Bayerischen Staatsregierung, der Deutschen Bahn und der Bayerischen Oberlandbahn.
Auch Kiefersfeldens Bürgermeister Hajo Gruber, ebenfalls Rollstuhlfahrer, war von Anfang an involviert und unterstützte das sinnvolle Vorhaben nach besten Kräften. Auch suchte Jürgen Wille den Weg zu den OVB-Heimatzeitungen, die mehrfach über diesen Missstand berichtete.