Stephanskirchen – Wenn man den Ziehharmonikaspieler Klaus Jakubik fragt, warum er einmal im Monat mit seiner Frau Anneliese Dahlem-Jakubik für die Seniorenbegegnungsstätte Stephanskirchen (SBS) musiziert, hat er eine einleuchtende Begründung: „Anlass ist eigentlich meine Mutter. Sie war bei vielen Seniorenveranstaltungen dabei, und für sie war es immer ein schönes Erlebnis, wenn musiziert wurde. Eines Tages bin ich selbst in den Ruhestand gegangen. Da habe ich zu mir gesagt, man hat meiner Mutter so viel Freude gemacht. Da will ich etwas zurückgeben. Das war vor 20 Jahren.“ Mittlerweile ist der 79-Jährige selbst rüstiger Senior.
An zwei Sonntagnachmittagen im Monat bietet die SBS Livemusik, bei der mitgesungen werden kann. Es steht eine große Anzahl an Liedern zur Verfügung, aus denen sich die 30 bis 40 Anwesenden nach Kaffee und Kuchen Wunschlieder auswählen können.
Warum jedoch ist Musik gerade für reifere Menschen so wichtig? „Studien haben gezeigt, dass aktive musikalische Betätigung die geistigen Fähigkeiten älterer Menschen verbessert“, sagt Vorsitzende Cornelia Gerner-Elsässer: „Musik hat die Kraft, Emotionen zu beeinflussen. Außerdem kann Musizieren Stress reduzieren, Angstzustände lindern und die Stimmung heben.“
Was sagen die Gäste? Warum sind sie gekommen? Die 93-jährige Viola Z. erzählt: „Ich hätte früher nach dem Krieg gerne gesungen. Meine Eltern haben in Berlin verhindert, dass ich mit Herrmann Prey Gesangsprofi wurde.“ Und Rosa G. meint: „Hier gibt es immer eine schöne Unterhaltung mit fröhlichen Menschen. Außerdem gehe ich am Sonntag der Familie nicht auf den Wecker.“ „Man fühlt sich willkommen“, sagt Brigitte E., „die Tische sind so schön gedeckt, es stehen so schöne Blumen da. Und Singen ist ein wunderbarer Zeitvertreib.“
Dass Musik auch einen Einfluss auf zahlreiche physikalische Vorgänge im Körper hat, erläutert Gerner-Elsässer: „Musik verändert den Herzschlag, beeinflusst die Atemfrequenz und den Blutdruck. Sie wirkt sich auf Muskelspannung und Hormonhaushalt aus.“ Musikkönne beflügeln, Menschen glücklich stimmen.
Das erlebt man, wenn die Senioren singen. Bei manchen Liedern wird geschunkelt, bei anderen geklatscht und gelacht. Immer wieder trauen sich Tänzer auf das Parkett. Manche Teilnehmer beruhigen sich und entspannen. Bei anderen Menschen werden Erinnerungen wachgerufen. Beispiele dazu sind die Lieder „Böhmerwald“ oder „Aus Böhmen kommt die Musik“, bei denen Heimatvertriebene Emotionen verspüren.
Tränen kommen dem 88-jährigen Hans L., wenn das „Wolgalied“ gespielt und gesungen wird. Besonders sentimental stimmt der Refrain: „Hast du dort oben vergessen auf mich?“ Die tägliche Einsamkeit wird durch den Gesangsnachmittag überwunden. Auch die Sehnsucht der Menschen auf friedliches Zusammenleben wird deutlich. Mit großem Engagement singen alle „Ein bisschen Frieden“ von Nicole.
Am Schluss gibt es ein allseitiges „Vergelt’s Gott, Anneliese und Klaus!“ für den zwanglosen Sonntagnachmittag. Beim nächsten Termin steht dann Sepp Peteranderl als Solist auf dem Programm, wenn es um 14 Uhr wieder heißt: „Musiknachmittag in der Seniorenbegegnungsstätte Stephanskirchen“.