Rott/Rosenheim – „Menschenunwürdig“ sei das Unterbringungskonzept des Landratsamts in der geplanten großen Erstaufnahme-Einrichtung für Flüchtlinge in Rott, hatten Bürgermeister Daniel Wendrock und die Bürgerinitiative „Rott rottiert“ seit der Bekanntgabe der Pläne immer wieder betont. Zu viele Menschen (ursprünglich bis zu 500) auf engem Raum in einer Industriehalle in einem Gewerbegebiet ohne Anschluss an öffentliche Einrichtungen: Das überfordere nicht nur Rott, das gehe auch aus humanitären Gründen nicht.
Zusätzlicher Sprengstoff
Zusätzlichen Sprengstoff gibt es, seitdem im Petitionsausschuss des Landtags bekannt gegeben worden ist, dass man in dem Gebäude eine Quecksilberbelastung festgestellt habe. Doch der Landrat, der in einem Interview mit den OVB-Heimatzeitungen und wasserburg24.de zugesagt hatte, bei einer nachgewiesenen Belastung finde keine Belegung der Halle statt, verkündete, dann würden die beiden betroffenen Räumen halt nicht belegt.
Beziehung auf
dem Tiefpunkt
Seit dieser Mitteilung hat die Beziehung zwischen Rott und dem Landratsamt einen neuen Tiefpunkt erreicht. Der Gemeinderat fühlt sich „verarscht“, warf dem Landratsamt in der legendären Sitzung am 1. August, als es verbal die Breitseite gab, in puncto Quecksilbergutachten „Pfusch“vor und gebrauchte in einer Presseerklärung das Wort „Käfighaltung“. Otto Lederer schwieg, auch eine Anfrage der OVB-Heimatzeitungen mit Bitte um Stellungnahme blieb mit Verweis auf einen Termin mit dem Anwalt von Rott unbeantwortet. Bis Mittwoch, 14. August. Im großen Sitzungssaal des Landratsamts nahmen der Landrat und die Abteilungsleiterin Roxanne Scheurl (Flüchtlingsunterbringung) sowie Abteilungsleiter Quirin Zallinger (Baurecht) Stellung.
Vorneweg eine Botschaft von Lederer zu den Missstimmungen zwischen seiner Behörde und der Gemeinde: Sachliche Kritik sei Teil der Demokratie, unsachliche müsse ein Landrat auch aushalten. „Unfundierte Vorwürfe“ könne er jedoch nicht unwidersprochen hinnehmen. Stichwort „Käfighaltung“ in der Presseerklärung der Gemeinde. Auch von einer „Kriegserklärung“ gegenüber Rott zu sprechen, wie in der vergangenen Gemeinderatssitzung, sei angesichts der Tatsache, dass viele Flüchtlinge ihre Heimatländer als Folge von Kriegen verlassen würden, nicht angemessen.
Lederer wies darauf hin, dass es nach wie vor darum gehe, die beiden zweckentfremdeten Turnhallen in Raubling und Bruckmühl freizubekommen. Die seit über zwei Jahren andauernde Situation sei für die Schulfamilien und die Sportvereine nicht länger hinnehmbar. „Der Ärger wächst.“ Das Landratsamt könne die Belegung der Turnhallen nur deshalb rechtlich vertreten, weil es bisher keine räumliche Alternative gegeben habe. Die liege nun mit der Immobilie in Rott jedoch vor.
Roxanne Scheurl, Abteilungsleiterin im Landratsamt, räumte ein, „dass auch diese Halle nicht perfekt ist“. Doch der Asylstrom reiße nicht ab – monatlich kommen nach wie vor 100 zugewiesene Flüchtlinge im Landkreis an, so Lederer. Die ehemalige Industriehalle im Gewerbegebiet in Rott ist jedoch laut Scheurl eine Verbesserung gegenüber den Turnhallen – weil hier eine Ankunftseinrichtung geplant sei, in der die Menschen höchstens drei Monate bleiben sollten, und weil das Gebäude in Rott, anders als Sporthallen, in durch Türen abtrennbare Räume unterteilt und hier Bereiche für Küche, Aufenthalt oder ein Spielzimmer geschaffen werden könnten. Auf den Vorwurf von Rott, das Landratsamt halte bei der geplanten Belegung die vom Innenministerium vorgesehene Mindestraumgröße pro Person nicht ein, reagierte der Landrat mit dem Verweis darauf, dass diese Mindeststandards nur für eine dauerhafte Unterbringung gegolten hätten und 2022 aufgehoben worden seien. „Diese Tatsache sollte Rott bekannt sein.“
Dass das Landratsamt die Anzahl der Geflüchteten, die in der Halle unterkommen sollen, von anfangs 500 auf 300 reduziert hat, liege nicht an den Ergebnissen des Quecksilbergutachtens, wies Abteilungsleiter Zallinger diesen Vorwurf aus Rott zurück. Dass das Gebäude keine 500 aufnehmen könne, habe das Landratsamt bereits im März der Gemeinde mitgeteilt. Grund: abwasser- und wassertechnische Probleme, die eine Reduzierung der Belegungszahl auf 300 erforderlich machen würden.
Das Immissionsgutachten habe nicht ergeben, dass Grenzwerte überschritten würden. Bei Quecksilber gebe es keine Grenz-, sondern Richtwerte. In einem Raum werde der Richtwert eins exakt erreicht, in einem weiteren geringfügig überschritten. Alle Ergebnisse der Messungen würden deutlich unter dem Richtwert zwei liegen, dem „Eingriffs- und Gefahrenwert“. Das Landratsamt habe im März ein renommiertes, akkreditiertes Institut mit dem Gutachten beauftragt, die Ergebnisse am 5. Juli erhalten, nach Prüfung sowie Abstimmung bezüglich der Veröffentlichung mit den Eigentümern am 19. Juli veröffentlicht. Der Vorwurf der Intransparenz ziehe deshalb nicht. Ein zweites Gutachten, wie von Rott gefordert, lehnt das Landratsamt ab. Auch der Gutachter von Rott habe die Plausibilität nicht angezweifelt, sondern nur von Klärungsbedarf gesprochen.
Der Landrat betonte angesichts der Auseinandersetzungen mit Rott, dass seine Behörde nach wie vor an einer einvernehmlichen Lösung interessiert sei. „Meine Hand zum Gemeinderat bleibt ausgestreckt“.
Lederer deutete auch an, dass es einen Weg aus der Krise geben könnte. Denn Rott habe in der Tat über die Verwaltungsebene sieben Alternativgrundstücke vorgeschlagen: Drei blieben nach der Prüfung übrig, darunter im Juni 2024 erstmals auch ein Grundstück für eine Belegung mit 250 Personen mit möglicher Aussicht auf einen positiven Gemeinderatsbeschluss. Doch Alternativen können laut Lederer nur dann realisiert werden, wenn die Regierung von Oberbayern zustimme. Diese habe jedoch mitgeteilt, dass die Alternativstandorte für Traglufthallen im Vergleich zur Gewerbehalle als „unwirtschaftlich“, also zu teuer, eingeschätzt würden.
Türe ist nicht zugeschlagen
Trotzdem ist die Tür damit nicht zugeschlagen, zeigte sich Lederer überzeugt. „Möglicherweise finden wir über die politische Schiene eine Lösung.“ Denn der Petitionsausschuss des Landtags, der sich auf Antrag der Bürgerinitiative „Rott rottiert“ mit der Thematik beschäftigt, wird zu einem Ortstermin in Rott erwartet. Wann stehe noch nicht fest.
Alternative zu
den Turnhallen?
Bis dahin sollte eine „gangbare Alternative zu den Turnhallen“ vorliegen, die auch von einem Rotter Gemeinderatsbeschluss getragen werde und bei der das Grundstück verfügbar sei. „Es kann ja sein, dass die Alternative andere Qualitäten aufweist, die den Mehrpreis gegenüber der Gewerbehalle rechtfertigen“, deutete Lederer an.