Halfing – Fast fünf Prozent der Halfinger Einwohner sind Flüchtlinge. Wie das Miteinander in der Gemeinde funktioniert, wie es zur Asylunterkunft in Grafing kam und ob auch Halfing mit einer Containerunterkunft rechnen muss. Fragen, die Bürgermeisterin Regina Braun im OVB-Interview beantwortet.
In der Gemeinde Halfing gibt es schon seit 2015 eine Flüchtlingsunterkunft. Welche Erfahrungen haben sie mit den Bewohnern gesammelt?
Bislang nur gute. Die Asylunterkunft Am Graben wurde 2015 am Rande des Gewerbegebietes errichtet. Es ist, wie ich finde, ein schöner Wohnkomplex, von dem man guten Gewissens sagen kann, dass die geflüchteten Menschen dort in ihren Wohnungen menschenwürdig leben können. Anfangs hat sich der Halfinger Asylhelferkreis sehr engagiert um diese Menschen gekümmert. Inzwischen gibt es diesen nicht mehr. „Startklar“ Rosenheim-Ebersberg hat die soziale Betreuung der Asylbewerber übernommen. Am Graben leben Menschen unterschiedlicher Nationalitäten unter einem Dach. Da kommt es auch mal zu Streit, muss die Polizei gerufen werden. Das ist aber immer intern. Die Halfinger spüren so gut wie nichts vom Asylbewerberheim.
In Grafing leben acht Asylbewerber unter dauerhafter Betreuung eines Sicherheitsdienstes. Wurden Sie in die Entscheidung eingebunden, dass dort „Personen mit erhöhtem Konfliktpotenzial“ untergebracht sind?
Das Landratsamt fragt nicht. Es macht einfach. Die Gemeinde hatte kein Mitspracherecht und wurde im Nachhinein darüber in Kenntnis gesetzt. Diese Einrichtung ist für mich ein Beispiel für das Versagen der Bundesregierung. Immer mehr Probleme, die seit langem dringend geklärt werden müssten, werden auf die Kommunen abgewälzt. Es gab unzählige Initiativen der Bürgermeister und Landräte, in denen sie Alarm geschlagen haben, weil sie an der Grenze der Belastbarkeit angelangt sind. Aber statt mit den Bundesländern, Landkreisen und Gemeinden gemeinsam nach Lösungen zu suchen, werden Asylbewerber nach wie vor nach dem Königsteiner Schlüssel verteilt. Und so kommt auch im Landkreis Rosenheim immer wieder ein Bus mit Menschen an, die versorgt werden müssen. Diese Belastung kann ein Landkreis nur bewältigen, wenn die Gemeinden sich solidarisch an der Unterbringung der schutzsuchenden Menschen beteiligen. Diese Last wäre geringer, würden die Menschen, die aus sicheren Herkunftsländern kommen und kein Aufenthaltsrecht haben, in ihre Heimatländer zurückkehren. Bei jenen ausländischen Bürgern aber, die die Gesetze unseres Landes nicht respektieren und straffällig werden, muss es möglich sein, sie sofort abzuschieben. Da gibt es für mich kein Wenn und Aber.
Aktuell ist es so, dass sie nach Verbüßung ihrer Haftstrafe als Geduldete in staatlichen Unterkünften wie dem alten Gasthof in Grafing untergebracht werden müssen und bewacht werden. Wie reagieren die Nachbarn darauf?
Bislang wusste kaum jemand, dass dort acht straffällig gewordene Asylbewerber leben, bei denen besondere präventive Maßnahmen erforderlich sind. Es ist rund um die Uhr ein Sicherheitsdienst vor Ort, der bei schweren Konflikten wie der Messerattacke im Juli die Polizei alarmiert. Das war das erste Mal, dass es zu solch einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen ist. Zum Glück gab es in Grafing bisher nur Probleme innerhalb der Einrichtung. Ich habe von den Einwohnern keine Rückmeldung, dass die Asylbewerber im Ort negativ aufgefallen seien. Deshalb glaube ich nicht, dass sich die Nachbarn in ihrer Sicherheit eingeschränkt fühlen. Zumindest wurden noch keine Beschwerden an die Gemeinde herangetragen.
Stimmt es, dass in Grafing auch eine Containerunterkunft geplant ist?
Nein. Es gab mal eine Anfrage, ob für Grafing ein Bebauungsplan aufgestellt werden könnte, um Mitarbeiterwohnungen und eine Asylunterkunft zu errichten. Eine konkrete Bauvoranfrage wurde nie gestellt. Das wäre aber auch nicht möglich, da es sich baurechtlich um einen Außenbereich handelt.
Wenn es um Asylunterkünfte geht, spielt der Außenbereich ja keine Rolle mehr.
Das stimmt leider. 2014 wurde im Baugesetzbuch eine zeitlich begrenzte Sonderregelgung verankert, um Asylunterkünfte auch im baurechtlichen Außenbereich errichten zu können. Damit werden meiner Meinung nach unsere Bürger und auch wir Gemeinden benachteiligt. Ich glaube aber, dass wir hier auf regionaler Ebene durchaus den Spielraum hätten, das Baugesetzbuch im Interesse aller zu handhaben. Denn es kann nicht sein, dass die Gemeinden einerseits bei der Einrichtung von dezentralen Gemeinschaftsunterkünften mitwirken und dem Bauen im Außenbereich ihr Einvernehmen geben sollen. Andererseits wird aber bei privaten Bauvorhaben trotz der Zustimmung der betreffenden Gemeinde das Bauen im Außenbereich streng unterbunden. Gerade wenn es um junge Familien geht, die auf dem elterlichen Grundstück bauen wollen und es nicht dürfen, weil das Baufenster nur ein paar Meter in den Außenbereich hineinragen würde. Oder wenn es um das harmonische, landschaftstypische und vernünftige Wachstum kleiner Dörfer geht. Da wird vom Landratsamt ohne Kompromisse auf die Regeln für den Außenbereich gepocht. Ich glaube, wenn es hier mehr Kompromissbereitschaft gäbe, hätten unsere Bürger wieder das Gefühl, dass gleiches Recht für alle gilt. Und dann wäre vielleicht auch die Bereitschaft der Gemeinden größer, in ihren Außenbereichen für eine bestimmte Zeit Containerunterkünfte für Flüchtlinge zuzulassen.
Rechnen Sie damit, dass das Landratsamt Rosenheim auch in Halfing noch nach Grundstücken für Containerdörfer suchen wird?
Nein. Unsere Gemeinde hat ihre Asylbewerber-Quote schon übererfüllt. Es gibt zwar keine rechtliche Grundlage für die Quotenverteilung auf die einzelnen Gemeinden nach der Einwohnerzahl. Aber es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass im Rahmen der gemeindlichen Mitwirkung so viele Asylbewerber aufgenommen werden sollten, dass ihre Zahl etwa 1,99 Prozent der Bevölkerung ausmacht. Halfing hat 2800 Einwohner. In unserer Gemeinde leben 135 Asylbewerber und ukrainische Kriegsflüchtlinge. Das sind 4,7 Prozent.Interview: Kathrin Gerlach