Pietzing – „Das absolut Gefährlichste am Foilen ist die Sucht“, sagt Peter Manstein und grinst. Ingrid Schlott und Alexander Faul lachen und nicken zustimmend. „Foilen“ ist das neue Surfen. Für verblüffte Badegäste am Simsseeufer sieht es aus, als ob die „Foiler“, wie sie sich selber nennen, mit ihren Brettern einen guten halben Meter über dem Wasser schweben.
Leichte
Boards
Sie tun das auf einem kleinen leichten Board mit einer etwa 80 Zentimeter ins Wasser ragenden Finne mit einer Tragfläche am unteren Ende. Manchmal reichen schon die leichten Wellen des Simssees und das Board erhebt sich aus dem Wasser. Manchmal schrauben sich die Wellenreiter mit pumpenden Arm- und Beinbewegungen in die Höhe. Meistens aber blasen sie ihr zwei bis acht Quadratmeter großes und etwa 2,5 Kilo leichtes Segel auf. Ingrid Schlott schmunzelt und erzählt, dass sie immer wieder gefragt werde „Ist das nicht superanstrengend, das nur mit den Händen festzuhalten?“ Ist es nicht. Wegen des geringen Eigengewichts und weil die „Wings“ (zu deutsch „Flügel“), wie die Segel der Foiler heißen, schon bei einem leichten Lüftchen Vortrieb entwickeln.
Die große Freiheit ist es, die die Foiler immer wieder aufs Wasser zieht. Die Ausrüstung ist übersichtlich, die Fortbewegung „ist wie schweben“ schwärmt Ingrid Schlott. Bei leichtem Westwind „kann man den Chiemsee einmal surfend überqueren, von Welle zu Welle gleiten“, erzählt Faul begeistert. Und: Man muss nicht weit fahren oder fliegen, foilen geht auf dem Simssee oder dem Chiemsee, windfoilen – also mit Flügeln flitzen – rund 60 Tage im Jahr, schätzt Manstein. Er kommt vom Kitesurfen. Da braucht man reichlich Wind, der einem das riesige Segel an 25 Meter langen Seilen aufbläst. Das funktioniert hier in der Region ein- oder zweimal im Jahr. Also suchte er sich etwas anderes und landete auf dem kleinen Board mit Tragflügeln.
Wie immer mehr andere Surfer. Allein auf dem Simssee sind 40 bis 50 Frauen und Männer regelmäßig unterwegs, viele das ganze Jahr über, berichten Manstein und Faul. Der Altersdurchschnitt liegt irgendwo zwischen 45 und 50 Jahren. Foilen zu lernen ist eigentlich nicht schwer, mit ein wenig Bewegungstalent haben Neulinge das Balancieren und Gleiten schnell raus. Das größte Problem: Hier in der Region ist zu oft Flaute. Die Foils brauchen etwa vier Knoten beziehungsweise acht Kilometer pro Stunde Geschwindigkeit, um sich auf ihre Tragflügel zu erheben. Dazu reicht der Wind hier meist nicht.
Die einfachste Lösung: Ein kleiner Hilfsmotor mit meist 1,4 Watt, der knapp unter dem Brett am Unterwassermast befestigt werden kann. „Den baue ich meiner Frau auch schon mal ans Foil“, sagt Manstein – wissend, dass er das nicht darf.
Denn Fahrzeuge mit eigenem Antrieb dürfen generell nur auf dem Main, der Donau, dem die beiden verbindenden Kanal und auf dem Bodensee fahren. Auf allen anderen Seen und Flüssen im Freistaat brauchen sie laut Umweltministerium eine Genehmigung der Kreisverwaltungsbehörde. Für den Simssee ist das der Landkreis Rosenheim, für den Chiemsee der Landkreis Traunstein.
Warum motorbetriebene Fahrzeuge auf den bayerischen Seen überhaupt genehmigt werden müssen, begründet Christina Centner vom Umweltministerium so: „Es zählen insbesondere das Wohl der Allgemeinheit, die Sicherheit des Verkehrs, die öffentliche Ruhe, der Schutz des Eigentums oder der Fischerei oder die Reinhaltung oder Unterhaltung des Gewässers.“
Ausgestattet mit
Mini-Motoren
Die auch „Foil Drive“ genannten Mini-Motoren entwickeln etwa die gleiche Geschwindigkeit wie die ältere Generation Elektroboote, die zu hunderten auf dem Chiemsee anzutreffen und genehmigt sind.
Ans Landratsamt Traunstein und an die Bayerische Schlösser-, Gärten- und Seenverwaltung wandte sich schon im Frühjahr der 67-Jährige, der vor Kurzem gleich zweimal von der Wasserschutzpolizei vom motorisierten Brett geholt wurde. Er beantragte die Genehmigung und Zulassung eines Schulungsmotors und machte auf die unterschiedlichen Motoren aufmerksam. „Bisher kannten die Behörden wohl nur die über 30 Kilo schweren Geräte, die tatsächlich 60 km/h erreichen“, sagt er. Entschieden hat das Landratsamt über den Antrag des 67-Jährigen bisher nicht, „damit werden die Nutzer unnötig in eine illegale Ecke gestellt.“
„Atypisches Wasserfahrzeug“
Das Landratsamt Traunstein erklärt auf Nachfrage der OVB-Redaktion, dass es sich bei Foils mit Motor – letztlich egal ob klein oder groß – um ein „atypisches Wasserfahrzeug“ handelt, für das der Freistaat Bayern (vertreten durch die Bayerische Verwaltung der Schlösser, Gärten und Seen) als Grundeigentümer jedenfalls der größeren Seen in Bayern die zwingend erforderliche privatrechtliche Zustimmung verwehrt. „Mangels privatrechtlicher Zustimmung besteht schon aus diesem Grund keine Aussicht, dass ein E-Foil genehmigt werden kann.“ Spielraum, nach Leistung zu differenzieren, gebe es nicht.
Außerdem, heißt es aus dem Landratsamt, bestünden durchaus Bedenken, auf dem Chiemsee – für den der 67-Jährige die Genehmigung beantragt hatte – eine neue, zusätzliche zur Nachahmung geeignete Nutzungsform zuzulassen. Zumal E-Foils wegen ihres geringen Wasserwiderstandes hohe Geschwindigkeiten erreichen könnten.
„Insbesondere muss befürchtet werden, dass durch die hohen Geschwindigkeiten Konfliktsituationen mit anderen Seenutzern inklusive entsprechenden Gefahren für deren Leib und Leben nicht zuverlässig vermieden werden können“, so ein Sprecher des Amtes.