Kiefersfelden – Möglicherweise geht die Gemeinde Kiefersfelden schon bald einen neuen Weg bei der Nutzung von Fahrzeugen nahezu jeglicher Art. Dazu stellte Felix Weiss von der Firma Überall (da steckt im Namen fast schon das Programm) aus Prien dem Kieferer Gemeinderat eine noch relativ neue Art der Fahrzeugnutzung vor, das Carsharing-Projekt.
Beim Carsharing, was so viel wie „Autoteilen“ heißt, besitzt man das Fahrzeug nicht selbst, sondern teilt es sich mit anderen. Halter des Fahrzeugs wäre in diesem Fall die Firma Überall, die ihre Fahrzeuge in der Gemeinde Kiefersfelden als sogenannte „Ankergemeinde“ positioniert. Anders als bei konventionellen Autovermietungen wäre auch ein kurzzeitiges, auch minutenweises Anmieten von Fahrzeugen aller Art von verschiedensten Personen oder Institutionen erlaubt.
„Fahrzeuge
sind Stehzeuge“
Der Fachmann brachte es dann auf den Punkt: „Fahrzeuge sind eigentlich Stehzeuge, die im Durchschnitt 23 Stunden pro Tag stehen, teils auf wertvollen Parkflächen.“ Sein Unternehmen, das aktuell an mehr als 25 Standorten in der Region rund 60 Fahrzeuge im Carsharing anbietet, strebt eine multimodale Nutzung an, „denn Carsharing-Nutzer fahren deutlich häufiger mit Bus, Bahn oder Fahrrad“, so Weiss.
Seine Firma offeriert vom Verbrenner über E-Auto bis hin zum Lastenfahrrad alle möglichen Vehikel, neu oder auch gebraucht. „Die Buchung für dieses stationsbasierte Carsharing erfolgt über unsere Buchungsplattform und ermöglicht so den schlüssellosen Zugang zu Fahrzeugen nahezu aller Arten und Modelle – mit nur einer Registrierung“, ergänzt er.
Natürlich wirft das die Frage auf – funktioniert das wirklich? Dazu holt der Experte weiter aus. „In dem jeweiligen Standortangebot der Kommune (Ankermieter) entsteht eine digitale Full-Service-Plattform mit schlüssellosem Zugang per App oder Chipkarte. Es folgt eine einmalige Registrierung mit Führerscheinüberprüfung und dann wird der Tarif für Privatkunden angezeigt, je nach Standort und Fahrzeugmodell, was im Vorfeld individuell mit dem Ankermieter (Gemeinde) vereinbart wurde.“ Alles läuft über die App des Carsharing-Anbieters, von der Mietung bis hin zur Abrechnung.
Der Nutzen dieses Modells scheint enorm, denn Bürger ohne eigenes Auto oder Haushalte ohne Zweitwagen bekommen Zugang zu preisgünstiger Individualmobilität als Ergänzung zum ÖPNV-Angebot. Gäste und Besucher sind durch ein Carsharing vor Ort eher bereit, mit Bahn und Bus statt mit dem eigenen Auto anzureisen. Weiter stärkt Carsharing den ÖPNV, denn die Nutzer steigen häufiger um in Bus, Bahn oder aufs Radl. Vor allem wird auf das Carsharing-Auto nur dann zurückgegriffen, wenn es für eine bestimmte Strecke zu einer bestimmten Uhrzeit keine sinnvolle Alternative gibt. Von Vorteil weiter ist das digitale Fahrtenbuch, denn es gibt einen deutlichen Überblick über alle Fahrten, egal ob Dienstfahrten, Einsatz oder Privatfahrten.
Durch eine, wenn gewünscht, Full-Service-Abwicklung wird das gesamte Fuhrparkmanagement für die Gemeinde (Fahrzeugwartung, Reinigung, Schadensabwicklung, TÜV) übernommen. Schlussendlich, so führt Felix Weiss aus, „steht bei uns auch der Klima- und Umweltschutz ganz vorne auf der Agenda, denn durch ein Carsharing-Fahrzeug können langfristig bis zu zwölf private Fahrzeuge ersetzt werden. Das spart Stellplätze und reduziert Verkehrsaufkommen und Emission (Ausstoß von Kohlenstoffdioxid) deutlich.“
Die Tarife für Privatkunden werden je nach Standort und Fahrzeugmodellen durch die Gemeinde als Ankermieter individuell vereinbart, wobei ein unverbindlicher Vorschlag des Anbieters auf 2,50 pro Stunde plus 0,20 bis 0,35 Euro je gefahrenen Kilometer basiert.
Dass dies auch funktioniert, beweisen belastbare Zahlen aus der Gemeinde Prien, wo dieses Projekt bereits seit dem Jahre 2021 läuft, mit Erweiterung in den Jahren 2022 und 2023. Bisher gibt es dort 225 registrierte Priener Bürger als Nutzer, die insgesamt bereits mehr als 70000 Kilometer im Carsharing zurückgelegt haben. Auch die Nutzung stellt sich klassisch dar, 55 Prozent private Nutzer, 30 Prozent der Buchungen erfolgten für Dienstfahrten und Besucher und Touristen buchten die restlichen 15 Prozent.
Auch Nutzung
als Dienstfahrzeug
Bürgermeister Hajo Gruber (UW) und seinen Ratskollegen „gefällt diese Idee sehr gut“, wobei in der Gemeinde ein E-Auto zum Einsatz kommen soll, sowohl als Dienstfahrzeug als auch für Bürger und Touristen, die das Fahrzeug auch buchen und fahren dürfen.
Als Standort für das Auto schlug der Rathauschef den Parkplatz vor den zentral gelegenen Gemeindewerken in der Kufsteiner Straße vor, zumal Schnellladesäulen für das E-Auto in unmittelbarer Nähe am Rathausplatz zur Verfügung stehen.
Die Laufzeit eines solchen Leasingvertrags beträgt mindestens zwei Jahre. Weitere Modalitäten wie Fahrzeugtyp oder Preisgestaltung würden bereits im Vorfeld geklärt.
Die Gemeinderatsmitglieder überzeugte das vorgeschlagene Projekt ohne Wenn und Aber. Es soll nun in einer der nächsten Sitzungen konkretisiert werden.