„Warum soll’s allein Rott richten?“

von Redaktion

Die beiden Turnhallen in Raubling und Bruckmühl müssen endlich wieder frei werden: „Doch warum soll das Problem allein Rott lösen?“, fragt sich die Bürgerinitiative „Rott rottiert“. Sie findet: Es wird Zeit für mehr Solidarität bei der Flüchtlingsunterbringung durch die anderen 45 Kommunen im Landkreis.

Rott – „Das hat nichts mit dem Sankt-Florians-Prinzip zu tun“, weist Christine Kochwagner von der Bürgerinitiative (BI) „Rott rottiert“ Vorwürfe zurück, die immer dann aufkämen, wenn Rott versuche, die anderen Kommunen im Landkreis bei der Suche nach einer Lösung für eine Ankunftseinrichtung für Geflüchtete mit ins Boot zu nehmen. „Wir finden jedoch, es kann nicht sein, dass Rott es immer allein stemmen soll.“

So komme es der BI leider vor, auch nach der Pressekonferenz des Landrats. Otto Lederer hatte zwar seiner Hoffnung auf eine politische Lösung der Problematik Ausdruck gegeben, jedoch auch klargemacht, dass der Landkreis weiterhin an der Gewerbehalle am Eckfeld in Rott als Ersatz für die beiden belegten Turnhallen in Bruckmühl und Raubling festhalten müsse.

Ergebnisse
unter Richtwert

Denn die Regierung von Oberbayern habe drei von der Kommune genannte Alternativgrundstücke für Traglufthallen in Rott als „unwirtschaftlich“ im Vergleich zur Industriehalle eingeschätzt. Auch das Argument von Kommune, Gemeinderat und BI, die ehemalige Gewerbeimmobilie weise eine Quecksilberbelastung auf, war vom Landratsamt zurückgewiesen worden. Alle Ergebnisse der Messungen würden deutlich unter dem Richtwert zwei liegen, der als „Eingriffs- und Gefahrenwert“ gelte. In zwei Räumen, in denen der Richtwert eins exakt erreicht und geringfügig überschritten werde, verzichte das Landratsamt auf eine Belegung. Das von Rott geforderte zweite Gutachten lehnte der Landrat ab. BI-Mitglied Christian Jendel kann das nicht verstehen: „Es gibt berechtigte Zweifel am Gutachten“, ist er überzeugt. Die Messungen hätten zu Bedingungen in einer leeren Halle stattgefunden, die nicht der geplanten Nutzung entsprächen.

Es bleibt trotzdem derzeit dabei: Im Fokus steht weiterhin die Industrieimmobilie in Rott, die jetzt mit etwa 300 Personen belegt werden soll. Auch ein Schreiben von Innenminister Joachim Herrmann vom 16. August an den Elternbeirat des Gymnasiums Bruckmühl, der sich zwecks der seit über zwei Jahren andauernden Turnhallenbelegung erneut an ihn gewandt hatte, zeigt auf, dass sich die Bemühungen auf dieses Gebäude in Rott konzentrieren: „Ich gehe weiterhin davon aus, dass die geplante Unterkunft in Rott am Inn verwirklicht wird. Die Inbetriebnahme dieser Unterkunft hat die Freigabe der Schulturnhalle in Bruckmühl und Raubling zum Ziel“, schreibt der Minister. Er bittet jedoch um Geduld: „Die Beteiligten arbeiten mit Hochdruck an der Klärung der letzten Sachfragen bezüglich der Unterkunft in Rott am Inn.“

Petitionsausschuss
in Rott

Hoffnung nährt in Rott jedoch die Tatsache, dass der Petitionsausschuss des Landtags nach den Sommerferien (Termin noch offen) in Rott erwartet wird. Er hatte eingeräumt, dass die komplexe Thematik einen Ortstermin erfordere. Auf eine politische Lösung hofft auch die BI. Klappt es damit nicht, behält sich die Gemeinde eine Klage vor. Es dauert also noch, bis der erste Bus kommen könnte.

Trotzdem wird die BI nicht müde, darauf hinzuweisen, dass sie der Meinung ist, Rott könne und dürfe die Problematik einer fehlenden großen Ankunftseinrichtung nicht alleine ausbaden. „Jede Kommune sollte ihre Hausaufgaben machen und überlegen, ob sie nicht doch ein Grundstück für die Aufstellung von Containern hat“, fordert Christian Jendel. Günther Hein, Seniorchef der gleichnamigen Spedition, die gleich neben der vorgesehenen Halle Am Eckfeld liegt, findet, der Landrat müsse die Gemeinden und Städte auffordern: „Macht euch Gedanken, wie ihr helfen könnt.“ Das habe Rott schließlich auch getan: Sieben Alternativgrundstücke seien intensiv geprüft worden. Ziel müsse landkreisweit eine Gleichverteilung sein. Was die BI außerdem gar nicht verstehen kann: Warum Liegenschaften des Bunds (Kaserne Bad Aibling) oder freie Flächen auf dem Bundespolizeigelände in Rosenheim außen vor bleiben. „Rott rottiert“ sieht auch die Stadt Rosenheim in der Pflicht, mehr zu tun. Ministerpräsident Markus Söder hatte jüngst betont, die Städte im Freistaat sollten mehr in die Pflicht genommen werden. Sie könnten große Unterkünfte besser stemmen als ländliche Kommunen.

Nach wie vor ist die Bürgerinitiative deshalb der Meinung, dass der Landrat auch die kreisfreie Stadt Rosenheim noch mehr ins Boot nehmen müsse. In der Nähe des Landratsamts im Bereich Bahnhof müsse es doch geeignete Flächen geben. Dann hätten es die Geflüchteten nicht weit zu den Behörden, zu Ärzten und Sozialverbänden, seien nicht so isoliert wie im Rotter Gewerbegebiet. „Beim Romed-Verbund arbeiten Landkreis und Rosenheim ja auch zusammen und teilen sich die Kosten. Warum nicht beim großen Thema unserer Zeit, der Flüchtlingsunterbringung?“, fragt Hein.

Schon über 120
Geflüchtete

Die BI plädiert auf dem Land für kleinere Einheiten. „Unsere Bürgerinitiative gäbe es nicht, wenn 50 weitere Geflüchtete kämen“, sagt Hein. „Das kann unsere kleine Gemeinde stemmen. Das ist machbar.“ Er verweist außerdem darauf, dass Rott schon über 120 Geflüchtete aufgenommen hat. Problemlos. Doch 500, wie ursprünglich angekündigt, oder 300, die Zahl, die nun angepeilt werde, das gehe nicht. Die Infrastruktur der Kommune reiche nicht aus, der Standort im Gewerbegebiet sei noch dazu absolut ungeeignet.

Überhaupt findet „Rott rottiert“, dass auch bei Ankunftseinrichtungen zur Erstaufnahme der Weg wegführen sollte von großen Sammelunterkünften mit Hunderten von Personen. Auch hier seien viele kleinere, dezentrale Standorte die bessere Lösung. Und hier kämen dann wieder die 45 anderen Kommunen im Landkreis Rosenheim ins Spiel. Sie sollten ihre Grundstücke noch einmal auf Herz und Nieren prüfen und Flächen für kleinere Containerstandorte melden. „Das muss doch möglich sein“, findet Hein. Der Landkreis Rosenheim könne als Pilotregion vorangehen und zeigen, dass große zentrale Ankunftseinrichtungen nicht das Nonplusultra seien, sondern bei ausreichender Solidarität aller Gemeinden auch eine Erstaufnahme in kleineren, über die Region verteilten Einheiten möglich sei, so Jendel. Hein findet: „Ein Konzept wie in Rott, bei dem eine Immobilie Security und Zäune braucht, ist von vornherein falsch.“

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