Kolbermoor/Oberaudorf – Er hat in seinem Leben bereits unzählige Gipfel erklommen, dabei immer wieder auch brenzlige Situationen erlebt. „Bislang bin ich aber immer heil heruntergekommen“, sagt Karl Hegele (78), staatlich geprüfter Berg- und Skiführer und Vorsitzender der Bergsteigergilde Kolbermoor, einer Ortsgruppe der Sektion Bad Aibling im Deutschen Alpenverein (DAV). Worin seiner Ansicht nach die größten Gefahren für Leib und Leben bei Touren im Gebirge bestehen, wieso auch das Glück eine wichtige Rolle spielt und was er Einsteigern in den Bergsport rät, hat Hegele im Interview mit den OVB-Heimatzeitungen verraten.
Bei einem Informationsgespräch des Bayerischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit Ende August am Hocheck bei Oberaudorf wurde bekannt, dass heuer, Stand 19. August, bereits 33 Menschen in den bayerischen Bergen tödlich verunglückt sind. Und das, obwohl eigentlich der Herbst als Hauptsaison gilt. Eine erschreckende Zahl?
Ja, auf jeden Fall. Kürzlich ist ja wieder eine Person bei Ruhpolding tödlich verunglückt. Auf einer Route, auf der einer unserer Führer jüngst mit einer Gruppe unterwegs war. Da denkt man in derartigen Momenten dann auch nochmal dran, wie schnell etwas passieren kann. Oft sind es ja auch namhafte Berge wie der Watzmann oder das Matterhorn, wo es immer wieder zu Unglücken kommt, weil viele den Reiz verspüren, unbedingt auf diese Berge zu steigen, aber nicht das Können dafür besitzen.
Was sind denn aus Ihrer Sicht die Hauptgründe für Todesfälle in der Bergwelt?
Da gibt es einige Gründe. Bei älteren Bergsteigern oder -wanderern ist das sicherlich die abnehmende Leistungsfähigkeit, die eine entscheidende Rolle spielt. So muss einem in meinem Alter beispielsweise klar sein, dass er einfach nicht mehr so leistungsfähig ist, wie noch im Alter von 50 Jahren. Da muss ich vieles bei Touren dann auch anders machen, teilweise einfach auch andere Touren wählen. Bei jüngeren Menschen ist es wahrscheinlich eher der sportliche Anreiz, der dann zu einer Fehleinschätzung des Könnens führt. Letztlich geht es immer um das persönliche Können und die Selbsteinschätzung, die passen muss. Wobei es aber auch objektive Gefahren gibt.
Sie meinen Gefahren, die der Bergsportler nicht beeinflussen kann?
Genau. Bei diesen Situationen, die der Wanderer nicht beeinflussen kann, ist er quasi zur falschen Zeit am falschen Ort, beispielsweise bei einem Felssturz oder Steinschlag. Daher muss man ganz ehrlich auch sagen, dass beim Bergsteigen und Bergwandern auch Glück dazu gehört. Ein Glück, das letztlich jeder große Bergsteiger schon einmal auf seiner Seite hatte. Tatsache ist, dass ein Restrisiko immer bleibt. So kann einen Wanderer, der nur auf die Tregler Alm bei Bad Feilnbach will, auf dem Weg auch der Schlag treffen, weil er sich einfach übernommen hat.
Es gibt ja aber auf jeden Fall viele Möglichkeiten, das Risiko zu minimieren. Welche Tipps haben Sie?
Letztlich geht es immer um eine ausführliche Planung der Tour. Der Klassiker ist, dass sich Ausflügler im Vorfeld nicht über das Wetter informieren. Doch das gehört unbedingt dazu. Und wenn ich dann sehe, dass nachmittags ein Gewitter angekündigt ist, dann muss ich halt eine Tour machen, bei der ich nachmittags schon wieder im Tal bin. Eine gute Tourenplanung ist letztlich das A und O.
Wie sieht es in puncto Ausrüstung aus? Was spielt die für eine Rolle?
Die Ausrüstung ist auch ein wichtiger Aspekt und muss zur jeweiligen Tour passen. Als Bergsteiger sollte man beispielsweise immer einen Wetterschutz dabei haben. Wichtig ist außerdem das passende Schuhwerk – da gibt es heutzutage ja eine unglaublich breite Auswahl und nahezu für jede Art von Tour die passenden Schuhe – vom einfachen Wanderschuh bis zum Extremwetterschuh. Und das braucht‘s eigentlich noch nicht einmal.
Sondern?
Für einen Einsteiger, der mit leichten Bergwanderungen starten will, tut‘s ein normaler Wanderschuh locker. Wenn er allerdings auf Routen unterwegs ist, wo es Altschnee oder gar Eis-Stellen geben kann, dann ist er damit natürlich nicht mehr passend ausgerüstet. Wenn ich beispielsweise auf eine leichte Bergwanderung gehe, in der ich keinen Schneekontakt haben werde, dann habe ich relativ leichte, halbhohe Wanderschuhe an.
Muss ich aber mit Schneekontakt rechnen oder weiß ich, dass mich Schnee oder Eis erwarten, wo ich vielleicht sogar Grödeln oder Steigeisen benötige, dann habe ich einen stabileren Wanderschuh, für den Winter zudem einen Schneetourenschuh. Und wer in höheren Regionen jenseits der 3000 Meter unterwegs ist, der braucht natürlich Schuhe, die ausreichend warm sind.
Haben Sie auch spezielle Ratschläge für Menschen, die einfach mal ausprobieren wollen, ob das Wandern in der Bergwelt etwas für sie ist?
Zunächst einmal kann meiner Meinung nach jeder, der sozusagen noch ein bisschen geradeaus gehen kann, auch mit dem Bergwandern anfangen. Wer einen passenden Einstieg sucht, kann sich beispielsweise einer Wandergruppe des Alpenvereins anschließen, wie wir sie als Bergsteigergilde Kolbermoor anbieten. Denn diese Touren werden ausschließlich von ausgebildeten Tourenleitern geführt, die zum einen die Touren planen, zum anderen aber im besten Fall auch im Vorfeld abklären, ob der Interessent überhaupt für die Tour geeignet und zum Beispiel schwindelfrei ist. Dennoch muss sich der Teilnehmer selbst einschätzen können, ob er das bewältigen kann oder nicht. Die Eigenverantwortung spielt immer eine ganz große Rolle.
Welchen Berg in der Region würden Sie für Einsteiger und Ungeübte empfehlen?
Der Heuberg im Inntal ist ein Berg, bei dem ich schon eher sagen würde, dass er – je nach Strecke – für Einsteiger gut zu bewältigen ist. Da gibt es beispielsweise einen einfacheren Wanderweg, der über Almen und einen Wiesenweg nach oben führt. Dort gibt es eigentlich keine große Absturzgefahr. Wenn man allerdings den Weg über die Bichleralm wählt, kommt dann schon ein Waldweg, der relativ steil ist. Dort muss man dann schon genau darauf achten, wo der Weg weitergeht und aufpassen, wenn es mal feucht und dadurch rutschig ist. Wichtig ist einfach, immer konzentriert und aufmerksam unterwegs zu sein.
Ich war vor rund einer Woche an der Rampoldplatte unterwegs. Auf dem Weg gibt es eine kleine Abkürzung, wo viele Frauenschuhe wachsen, weshalb der Bereich auch Frauenschuh genannt wird. Da war es ziemlich feucht – und es geht ziemlich steil den Abhang hinunter. Da muss auch ein geübter Bergsteiger aufpassen, dass er nicht ausrutscht oder stolpert und dann runterfliegt. Interview: Mathias Weinzierl