Aschau – „Wer von euch will eine wilde Fee sein, und wer ein wilder Ritter?“ Sofort gehen alle Hände der jungen Schlossbesucher hoch. Manuela Kranner weiß genau, wie sie ihre Gruppe begeistern kann. Beim Treffpunkt am Parkplatz Hohenaschauer Festhalle haben sich an diesem regnerisch-trüben Sonntag über 60 Leute versammelt. Kranner übernimmt die eine Hälfte, ihre Kollegin Daniela Herrmann die andere. „Es geht nicht um Jahreszahlen, sondern darum, euch Kindern lebhaft und spannend 900 Jahre Schlossgeschichte nahezubringen“, begrüßt Manuela Kranner die Gäste der Kinderführung „Wilde Ritter, freche Feen“.
Seit 15 Jahren ein absoluter Renner
Entstanden ist die Idee während der Landesausstellung in Bayern 2008. Einige Aschauerinnen, die dort Führungen gaben, merkten schnell, dass Kinder mehr wissen wollten: Über Burgen, Schlösser, Ritter, Feen und Gespenster. Und so wuchs in Zusammenarbeit mit der Tourist-Info das Konzept der Kinderführungen.
Die gibt es seit mittlerweile 15 Jahren, und nicht nur Gäste von außerhalb erfreuen sich daran, sondern auch bei Einheimischen sind die Kinderführungen nach wie vor der Renner. „Während Corona haben wir die Kinder als Geister verkleidet“, erinnert sich Herbert Reiter, Leiter der Tourist-Info.
Es gibt Sonderführungen zu Geburtstagen, für Schulklassen und sogar Kindergartenkinder.
Begeisterte Besucher aus ganz Deutschland
„Wir überlegen uns immer wieder was Neues.“ Doch zurück zur Schlossführung mit Manuela Kranner: Von einem Jahr bis Ü40 ist heute alles dabei. Vom Bodensee, aus Tübingen, aus Schweinfurt, aus Frankfurt an der Oder, aus Kirchdorf am Inn und und und. Schon auf dem Weg hinauf hatte Manuela Kranner die Devise ausgegeben: „Ein steiler Berg ist gut zur Verteidigung, aber der dichte Wald hilft uns beim Anschleichen.“ Und so nähert sich die Gruppe mucksmäuschenstill dem geschlossenen Unteren Burgtor. Manuela Kranner deutet auf das Wappen: „Man musste nicht mal lesen können. Dank des Wappens wusste man, wer dort wohnt.“ Hier grüßt nun das Wappen des Pankraz von Freyberg (1508 bis 1565), der sich sein Wappen mit seinen Initialen PVF, mit drei fünfstrahligen Sternen und dem Dreiberg (Kampenwand) von Aschau verzieren ließ.
Durch das Tor hindurch und schon sieht man zwei kämpfende Ritter: „Schon mit sechs Jahren begann die Ausbildung zum Ritter. Später musste man sich als Ritter im Turnier beweisen“, weiß Kranner. „Das will ich auch mal werden“, ruft der dreijährige Ruben. „Und was ist mit den Mädchen?“, will Charlotte (5) wissen. „Die mussten lesen, schreiben und rechnen lernen. Denn wenn der Ritter im Feld war, brauchte es jemanden, der den Haushalt führt“, erklärt die Schlossführerin.
Und schon geht es viele weitere Treppen hinauf zum nächsten Tor. Samt Fallgitter. Selbst die kleinen Besucher erahnen, dass es ratsam war, sich als Freund der Burg zu nähern. Doch heute darf man ungehindert passieren. Im Inneren Burghof werden die Knappen mit Helmen und die Mädchen mit Feentüchern ausgestattet. Beim Abstieg in den Keller, dem ältesten Teil der Burg, merkt so manches ältere Kind an: „Puh, hier riecht es muffig.“ Hier war früher der Gerichtssaal, erläutert Manuela Kranner. Zur Burg Aschau gehörte auch die Herrschaft, das heißt, wer sich schlecht benahm, bekam die Strafe schnell zu spüren. Mats (7) traut sich: Er bekommt die Schandmaske aufgesetzt. In die Halsgeige für zänkische Weiber hingegen will niemand: „Wir vertragen uns gut“, ruft Annika (11). Ihre kleine Schwester Jennika (5) nickt bloß.
Im nächsten Raum steht ein stattliches Burgmodell: Die vielen Besitzerwechsel – die ersten Herren von Aschau waren Konrad und Arnold von Hirnsberg, Untervögte der Grafen von Falkenstein-Neuburg, dann kamen die Mautners, später die Herren von Freyberg, Jahrhunderte später die von Preysings und viel, viel später übernahm Theodor Cramer-Klett die Burg – all das brachte Umbauten und Erweiterungen.
Ob die Kinder mit der ehrwürdigen edlen Garderobe – feinste wallende Seiden-Brokat-Gewänder und Kniebundhosen – spielen und toben wollen, ist eher unwahrscheinlich. Und ob die jungen Schlossbesucher im Laubensaal, den mit Ansichten römischer Gärten vom Boden bis zur Kassettendecke üppig bemalten Speisesaal, speisen wollen, ebenso.
Da gefällt den jungen Besuchern der jüngere Teil des Schlosses auf der Südseite der Burg doch weitaus besser. Der Preysing-Saal mit seinen beiden Vorräumen lässt Klein und Groß ehrfurchtsvoll erstaunen: „So eine Pracht, so viele edle Herren, die waren sicher wichtig.“ Auf einige besondere Personen weist Schlossführerin Kranner hin und auch auf die Funktion des prachtvollen Saales.
Wie man Geschichte mit nach Hause nimmt
Damals wurde hier gegessen und getanzt, heute dient der Raum als Standesamtssaal. Über das weite Treppenhaus, das als Refugium während der Belagerung diente, geht es wieder in den Innenhof.
Dort dürfen sich die wilden Ritter und frechen Feen im Lanzenstechen üben. „Die ist aber ganz schön schwer,“ staunt Charlotte (7), als sie – mit ihrem Papa als Helfer – auf das Ziel zustürmt. Mit viel Schwung und Anfeuerungsrufen trauen sich schließlich alle jungen Besucher, sich als Ritter zu bewähren. Jeder Teilnehmer erhält einen Wappenbrief und einen Button zum Abschied: „So nehmt ihr die Geschichte von Hohenaschau mit nach Hause.“