Stephanskirchen – Mittlerweile ist es schon zur Tradition geworden, dass die Stephanskirchener Senioren zum Rosenheimer Herbstfest einen eigenen
„Wiesnbetrieb“ für die älteren Mitbürger der Gemeinde organisieren.
Auch heuer war der Vereinsraum im „Roten Schulhaus“ in Schloßberg bis auf den letzten Platz gefüllt, denn nicht jeder reifere Mensch kommt mit Rollator bis zur echten Wiesn in Rosenheim. Überrascht waren die Gäste allerdings, als sie erfuhren, dass auch nebenbei Geburtstag gefeiert wurde.
Seit 125 Jahren
fester Bestandteil
Zum einen hatte Therese Müller mit einer großzügigen Spende zu Leberkäse und Brezen samt Bier eingeladen, zum anderen galt es, an die 125 Jahre zu erinnern, die das jetzige Bürgerhaus in Schloßberg auf dem Buckel hat, wie die Vorsitzende Cornelia Gerner-Elsässer berichtete. „Am 14. August 1899 wurde dieses Haus, in dem wir heute unsere Vereinsräume großzügiger Weise von der Gemeinde Stephanskirchen kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen, eingeweiht. Die damalige Gemeinde Schloßberg hatte sich angesichts der wachsenden Kinderzahl dazu entschlossen, einen Neubau zu wagen, anstatt auf das 1876 erbaute erste Schulhaus aufzustocken“, erzählte Gerner-Elsässer. Baumeister des ungewöhnlichen Backsteinbaus war Johann Meishammer, der die Schloßberger Kirche in ähnlicher Weise errichtet hatte. Diese wurde jedoch, einem neuen Geschmack folgend, in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts verputzt.
Cornelia Gerner-Elsässer erzählte auch, warum das unter Bürgermeister Aßbichler gebaute rote Schulhaus, heute ein Wahrzeichen von Schloßberg, so außergewöhnlich gestaltet ist. Angeblich habe die Regierung von Oberbayern Wert auf dieses Äußere gelegt, ehe sie einen Zuschuss zu dem Neubau gab, der zwei Klassenzimmer mitsamt einem Handarbeitsraum und Lehrerdienstwohnungen enthielt. Der jetzige Bürgermeister und Kreisheimatpfleger Karl Mair beschreibt den Bau in seinen Aufzeichnungen so: „Dieser markante Backsteinbau erinnert mehr an eine norddeutsche oder industrielle Architektur als an einen bayerischen Schulhausbau.“
80 Jahre diente das „Rote Schulhaus“ übrigens als Schule, in der vor rund 65 Jahren zwei bei der Wiesn anwesende Damen fleißig lernten: Anneliese Jakubik (geborene Thaller), die mit ihrem Mann Klaus und Sepp Peteranderl musizierte, sowie Marga Böhmer (geborene Vordermeier), die vor 54 Jahren mit ihrem Mann nach Australien ausgewandert ist und ihre alte Heimat Schloßberg jährlich besucht. Für sie war es ein besonderer Moment zu erfahren, wie alt ihre ehemalige Schule, die seit 1983 als Denkmal geführt wird, schon ist.
Von 1979 bis 2003 war die ehemalige Schule auch Teil des Rathauses. Ein Klassenzimmer wurde auch als Sitzungsraum genutzt. Nach der Sanierung 2008 konnte die Gemeinde Stephanskirchen, die gleich nebenan ein neues Rathaus baute, das „Rote Schulhaus“ den Bewohnern des Schloßbergs als Bürgerhaus übergeben.
Heute sind darin die Gemeindebibliothek, der Spielmannszug, die Musikschule und etliche Vereine wie die Seniorenbegegnungsstätte Stephanskirchen, abgekürzt SBS, untergebracht. Diese konnte ihre diesjährige Wiesn also gleich mit dem Geburtstag der früheren Stätte der Erziehung und Bildung verbinden, wozu viele fleißige Helfer unter der Regie von Gisela Stanek beitrugen.