Auf Schatzsuche in Hertfordshire

von Redaktion

Frasdorfer Tobias Möhrlein wird beim Detectival-Festival für zwei Tage zum Forscher

Frasdorf – „Sondeln ist aktiver Umweltschutz“, sagt Tobias Möhrlein (39). Seit vier Jahren sucht der Frasdorfer mit seinem Metalldetektor nach Schätzen. Immer im Einklang mit dem Gesetz, denn: „Einzelne illegale Raubgräber ruinieren das Ansehen einer ganzen Gemeinschaft, die im Interesse der Allgemeinheit Spuren der Heimatgeschichte entdecken will.“

Beliebtes Hobby mit
großer Bedeutung

Sondeln ist ein beliebtes Hobby. Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege schätzt, dass allein im Freistaat jedes Jahr ungefähr 15000 bis 20000 aktive Sondengänger unterwegs sind. Bei verantwortungsvoller Anwendung kann die Metalldetektion einen wichtigen Beitrag zum archäologischen Wissen leisten. Gute Beispiele dafür gibt es in der Region: „Der einzigartige bronzezeitliche Goldfund an der Kampenwand oder das Brandschüttungsgrab bei Leitenberg wären ohne die Sondengänger und ihre Ehrlichkeit nie entdeckt worden, hätten von Archäologen nie in Fundlage dokumentiert werden können und wären also auch nie der Allgemeinheit bekannt geworden“, sagt Möhrlein.

Suche mit Erlaubnis
der Grundbesitzer

Jeder Sondengänger hofft auf das Glück, historisch wertvolle Funde zu machen. „Dabei geht es nicht um materielle Dinge, sondern um Heimatgeschichte“, beschreibt der Frasdorfer seine Leidenschaft. „Ich freue mich über alles, was mir Geschichte erzählen kann.“

Bodendenkmäler sind tabu. Ihre Grenzen sind im Bayerischen Denkmal-Atlas für jeden sichtbar. Doch Spuren der Siedlungsgeschichte der Chiemgauer Alpen und des Alpenvorlandes gibt es überall. Vor allem die „Geschichte der letzten paar hundert Jahre“ ist es, die Möhrlein fasziniert. Er steht in engem Kontakt mit Landwirten. „Die Historie ihrer Familien ist ihnen durch mündliche Überlieferungen im Gedächtnis. Viele Höfe haben Ahnentafeln, die bis ins Spätmittelalter zurückreichen.“ Mit der Erlaubnis der Bauern darf er auf ihren Wiesen und Feldern sondeln oder genauer gesagt „prospektieren“.

Den Elektroniker fasziniert auch die technische Seite seines Hobbys. „Die Suchspule des Detektors sendet elektromagnetische Wellen in den Boden, die vom jeweiligen Objekt reflektiert werden und ein Signal auslösen“, beschreibt er. Jedes Metall erzeuge aufgrund seines speziellen elektrischen Leitwertes ein anderes Signal. „Ein Nagel hört sich kratzig an, Gold und Eisen haben einen gleichbleibenden, stabilen Ton, aber einen sehr unterschiedlichen Leitwert.“ Aluminium und größere Silberteile (wie ein Fünf-Mark-Stück) seien jedoch kaum zu unterscheiden. Vorsichtig ausgegraben wird alles, was ein Signal sendet und so auch die Umrisse erahnen lässt.

Dass ein Sondengänger 95 Prozent Müll berge, sei normal, sagt er. „Dosenschnipsel, Blech, Blei, Kupfer – ich sammle im Jahr etwa 380 Kilogramm Mischschrott von den Feldern. Die Bauern sind froh, wenn das Zeug aus dem Boden kommt. Und für mich ist es ein Beitrag zum Umweltschutz.“

Enger Kontakt mit
Heimatpflegern

Wirklich wertvolle oder kulturhistorisch interessante Funde hat Tobias Möhrlein, der mit lokalen Heimatpflegern in engem Kontakt steht, noch nicht gemacht. Doch Wert ist für ihn relativ. „Wenn ich eine Zehn-Kreuzer-Münze aus dem Jahr 1770 finde, beschäftige ich mich mit der Zeitgeschichte und wertschätze diese Münze als ein Symbol der harten Arbeit eines Menschen, für den zehn Kreuzer damals ein Tageslohn waren“, beschreibt er. Seine Recherchen zum „Heiermann“ – einem silbernen Fünf-Mark-Stück, das es bis 1975 gab – führte ihn in die Häfen, zu den Seeleuten und ins Rotlichtmilieu, nur online natürlich.

Ab und an wird der Metalldetektiv auch zu Hilfe gerufen. Beispielsweise, wenn Bauern Metallteile ins Heu gefallen sind, und sie das Futter retten wollen. Oder wenn etwas Wertvolles abhandengekommen ist. „Eine Seniorin suchte verzweifelt ihren Verlobungsring, den sie seit mehr als 60 Jahren jeden Tag am Finger trug und beim Spazierengehen verloren hatte. Als wir ihn fanden, hat sie vor Glück geweint, denn es war ein Geschenk ihres verstorbenen Mannes“, erzählt Möhrlein von einem besonders emotionalen Moment.

Archäologische Funde müssen gemeldet werden. Doch was ist ein archäologisch meldepflichtiger Fund und was nicht? „Man kann sich über die digitale Fotosuche schlau machen, bei Heimatforschern nachfragen oder erfahrene Sondengänger zurate ziehen“, erklärt Möhrlein. Wünschenswert wäre die enge Zusammenarbeit mit Archäologen und Denkmalpflegern. Doch bis auf wenige Ausnahmen lehnen diese eine Zusammenarbeit mit Sondengängern ab. „Ich bin schon oft sehr abfällig behandelt worden, nur weil ich eine Frage zu einem Fund hatte“, berichtet der Frasdorfer Hobbyarchäologe. Anders ist das in England und Dänemark: „Hier werden Sondengänger eingebunden, wird bürgernaher Denkmalschutz gelebt.“

In England, Wales und Nordirland wurde mit dem „Treasure Act“ der Umgang mit Schatzfunden geregelt. „Im Portable Antiquities Scheme (PAS) – einer Online-Datenbank – werden alle archäologischen Zufallsfunde von gewöhnlichen Menschen registriert. Diese Daten sind ein wesentlicher Bestandteil der archäologischen Forschung im Vereinigten Königreich“, informiert das Britische Museum auf seiner Homepage. Die Akzeptanz in der Bevölkerung sei so groß, dass seit 1997 mehr als 1,4 Millionen Gegenstände erfasst wurden, von prähistorischen Feuersteinen bis hin zu nachmittelalterlichen Kleidungsaccessoires. „Dabei liegt der Anteil der Sondengängerfunde bei mehr als 90 Prozent“, weist der PAS-Jahresbericht aus.

Auf den Spuren
der Vergangenheit

Auf Grundlage dieser partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Museen, Archäologen und Laien entwickelten sich in England auch Events. Eines davon ist das Schatzsucher-Festival „Detectival“. Metalldetektive aus aller Welt erkunden am Wochenende (7./8. September) ein etwa 400 Hektar großes historisches Gelände in der Nähe von Letchworth in der Grafschaft Hertfordshire. Und Tobias Möhrlein wird dabei sein. Er freut sich vor allem auf eines: „Das wertschätzende und konstruktive Miteinander von Gleichgesinnten, von Laien und Wissenschaftlern, die sich für dieselbe Sache engagieren, die nach Spuren suchen, um die Vergangenheit besser zu verstehen.“ Natürlich ist er auch ein wenig aufgeregt, denn bei den „Detectivals“, die seit 2016 auf verschiedenen Flächen stattfinden, wurden immer archäologische Funde aus verschiedenen Epochen gemacht – im Beisein von Archäologen.

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