Harte Vorwürfe gegen Polizei

von Redaktion

„Demütigung, Gewalt, Sadismus“ wirft Michael Herweg aus München einem Beamten des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd vor. Unglaubliches habe er erlebt bei einer Kontrolle am Echelon-Festivalgelände in Bad Aibling. Er erstattete Strafanzeige.

Bad Aibling – Blutende Schürfwunden, büschelweise ausgerissene Haare, eine zerrissene Jeans – Michael Herweg aus München ist immer noch zutiefst erbost über das, was ihm bei einer Kontrolle durch Beamte der Zivilpolizei vor dem Echelon-Festivalgelände am 18. August eigenen Schilderungen zufolge widerfahren ist. Er spricht von Gewaltexzess, Demütigung und Körperverletzung. Gegen einen der Beamten hat er deswegen bei der Staatsanwaltschaft nun Strafanzeige und einen Strafantrag gestellt. Die Staatsanwaltschaft Traunstein hat den Eingang der Strafanzeige dem Mangfall-Boten gegenüber bestätigt. Sie sei eingetragen, nun werde das weitere Vorgehen geprüft.

Keine Äußerungen zu
laufenden Verfahren

Auch eine Dienstaufsichtsbeschwerde habe er wegen einem der Beamten an Polizeipräsident Manfred Hauser geschickt, sagt Herweg. Zu diesem konkreten Fall und Herwegs Vorwürfen kann sich die Polizei aufgrund des laufenden Verfahrens allerdings nicht äußern, erklärt ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd gegenüber dem Mangfall-Boten. Doch nehme man „Vorwürfe dieser Art sehr ernst“. Soweit es strafrechtliche Vorwürfe betreffe, würden diese an eine externe Stelle zur Prüfung abgegeben und gegebenenfalls staatsanwaltschaftlich geprüft. Aber auch für Polizeibeamte gelte uneingeschränkt die Unschuldsvermutung, betont er in diesem Zusammenhang.

Herweg, dessen Unternehmen als Partner des Echelon-Festivals überregionale Bus-Shuttles anbietet, schildert in dem Schreiben an die Staatsanwaltschaft, er sei an besagtem Sonntag, als er vor der Rückfahrt nach München noch einen Rundgang auf dem Echelon-Gelände machen wollte, vor dem Eingang des Festivalgeländes von einem Zivilbeamten angesprochen worden. Er habe diesem den Inhalt seiner Hosentaschen vorgezeigt, darunter „ein Tütchen mit ein paar
Koffeintabletten“. Tütchen deshalb, weil die handelsübliche Dose mit 365 Tabletten unhandlich wäre, sagt Herweg.

Bei der in einem Polizeizelt folgenden „Leibesvisitation bis auf die Genitalien“ durch den Beamten habe er alle Fragen beantwortet. Doch als dieser eine Anzeige wegen Verdachts auf Betäubungsmittel geschrieben habe, sei es zu einem Diskurs gekommen. Er habe sich bei der Unterschrift des Protokolls unter Druck gesetzt gefühlt und erst im Nachhinein bemerkt, dass der Beamte den Passus „Unwiderrufliches Einverständnis mit der formlosen Einziehung“ mit „Ja“ angekreuzt habe. Damit sei er nicht einverstanden gewesen, da die Tabletten als Beweisstück für nachfolgende Verfahren hätten nötig sein können.

„Ich durchstrich auf meinem Original das Ja, kreuzte stattdessen ,Nein‘ an und forderte den Beamten auf, das auf den Durchschlägen ebenfalls zu tun. Das verweigerte er. Er bedeckte die Durchschläge mit der Hand.“ Herweg räumt ein, die Durchschläge genommen und zusammengeknüllt zu haben: „Um die Unterschrift ungültig zu machen.“ „So schnell konnte ich gar nicht schauen, wie ich zu Boden geschleudert wurde, von besagtem Beamten und zwei Zivilpolizisten, die die ganze Zeit um mich herum saßen. An eine Gegenwehr dachte ich nicht; ich war hier kein unvernünftiger Jungraver, sondern auf Geschäftsbesuch als Partnerunternehmer des Veranstalters, war nüchtern und hatte nichts zu verbergen“, so Herweg. Fünf Minuten sei er dort gelegen, sein Gesicht mit dem Knie „brutal auf den Boden gedrückt“.

Obwohl er, schon am Boden liegend, laut darauf hingewiesen habe, dass er eine Schulterverletzung habe, sei er mit den Händen auf den Rücken gefesselt worden. „Wegen der Folgen bin ich seither in orthopädischer Behandlung“, schildert er in seinem Schreiben an die Behörden. „Ich saß als gefesseltes Opfer da, ausgerissenes, wirres Haar, ohne meine Mütze, blutig, von unten bis ins Gesicht voller Bodendreck, Hose zerrissen.“ Dazu sei er nach eigenen Angaben von den Beamten wegen seines Zustands verspottet und verhöhnt worden: „Ich sähe ja gar nicht gut aus. Ich sei ja ganz schön verdreckt. Und das Blut erst, ,ned gsund‘, was denn mit mir passiert sei. ,Da haben Sie aber schon mal besser ausgesehen‘.“

Auf der Wache, auf die er danach gebracht worden sei, habe er nach dem Drogentest noch dreieinhalb Stunden warten müssen, bis er wieder gehen konnte. „Man schickte mich zu Fuß weg, trotz erwiesener Unschuld und schlimmster Unrechtsbehandlung. Weder für vier Stunden Freiheitsberaubung noch für die ,Sonderbehandlung‘ hat sich irgendjemand entschuldigt“, beschwert sich Herweg. Der Sprecher der Polizei kann sich aufgrund des laufenden Verfahrens auch hierzu nur generell äußern, erklärt aber, dass „besonders die Anwendung von unmittelbarer, körperlicher Gewalt stets das letzte und schärfste Mittel der zwangsweisen Durchsetzung“ darstelle. Dass die Polizei grundsätzlich jede Maßnahme mit Gewalt durchsetzen dürfe, erklärt sich ihm zufolge daraus, dass an polizeiliche Maßnahmen bereits hohe Anforderungen in den Voraussetzungen gestellt werden. „Könnte eine derartige Maßnahme – etwa die Durchführung einer Blutentnahme eines alkoholisierten Fahrzeugführers – nicht in letzter Konsequenz auch mit Gewalt durchgeführt werden, wäre die Polizei im Ergebnis nicht handlungsfähig“. Generell sind solche Vorfälle aber nach Aussagen von Polizei und früheren Aussagen der Veranstalter, die in dieser Woche für eine Stellungnahme nicht zu erreichen waren, beim Echelon so gut wie kein Thema, wie der Mangfall-Bote bei einem Rundgang über das Festivalgelände mit einem Polizeibeamten am ersten Veranstaltungstag erfuhr.

Bis zu 150 Kräfte
im Einsatz

Zu Spitzenzeiten würden bei der Großveranstaltung mit rund 60000 Besuchern an drei Tagen bis zu 150 Einsatzkräfte aus verschiedenen Dienststellen des Präsidiums eingesetzt. Dies jedoch nicht, weil das Echelon-Partyvolk einer besonderen Polizeipräsenz bedürfe und weil es für eine hohe Anzahl von Straftaten bekannt wäre, hatte der Beamte betont. Vielmehr sei das Echelon-Publikum erfahrungsgemäß „sehr, sehr entspannt“. Neben einzelnen Streitigkeiten mit Körperverletzung, Beleidigungen und Verkehrsdelikten machten nach Angaben des Polizeipräsidiums heuer erneut die festgestellten Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz mit rund 100 Drogendelikten das Gros aus.

Polizei ist kein
weiterer Fall bekannt

Doch sei bei derartigen Großveranstaltungen ein erhöhtes Beschwerdeaufkommen auch im Nachhinein zu erwarten, erklärte der Pressesprecher im vorliegenden Fall. Weitere Vorfälle beschriebener Art seien dem Präsidium nicht bekannt. Gegeben haben aber soll es mindestens einen weiteren. 2023 meldete sich ein Besucher mit einer Schilderung einer Kontrolle, in der er sich ebenfalls ungebührend behandelt und im Nachgang übel verspottet gefühlt habe. Anzeige habe er damals nicht erstattet, weil ihm – anders als bei Herweg – der Name des Zivilbeamten nicht bekannt und er aufgrund des Erlebten viel zu aufgewühlt gewesen sei, weshalb er sich erst einige Wochen später meldete.

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