Aschau – Die Könige der Lüfte haben Nachwuchs bekommen: „Prinzessin Leia“ vom Geigelstein ist flügge geworden und kreist über dem Priental. Wie Drachenflieger die Kleine dabei unterstützten.
Otto und Ronja sind Eltern geworden. Das Steinadler-Paar vom Geigelstein hat erfolgreich gebrütet. „Das ist in diesem Jahr ein ganz besonders großer Erfolg“, sagt Revierförster Felix Wölfl vom Forstbetrieb Ruhpolding der Bayerischen Staatsforsten. In den Chiemgauer Alpen ist ein reichhaltiges Nahrungsangebot für die Steinadler vorhanden. Hier ist es das Wetter, das den Bruterfolg limitiert. Und das war in diesem Jahr mehr als dürftig.
Mit Sorge hat das Monitoring-Team seine Schützlinge beobachtet. „Am 25. März war die Eiablage“, berichtet der Bernauer Tierarzt Michael Pohl. Er verbringt fast jede freie Minute mit seinem Spektiv an der Beobachtungshütte, sah aus etwa einem Kilometer Entfernung die Girlandenflüge der Steinadler während der Balz, war Zeuge ihrer Paarung, der Eiablage und des späten Wintereinbruchs: „Im April lagen 30 Zentimeter Schnee im Horst.“
Schnee und Regen
lassen Brutabbruch
befürchten
Die Brutzeit dauert 43 bis 45 Tage. „Bei andauerndem Regen oder bei Schnee in der ersten Phase kann es passieren, dass die Steinadler ihre Brut aufgeben“, beschreibt Wölfl das Verhalten der Greifvögel. Brutabbrüche sind die größte Gefahr für die Population der Steinadler. 2023 haben die Geigelsteiner Steinadler ihre Brut vor dem Schlupf aufgegeben. In diesem Jahr aber hatten die Aschauer Glück: „Am 9. Mai ist das Jungtier geschlüpft. Irgendwann haben wir ein kleines, weißes Daunenköpfchen in der Nestmulde entdeckt“, berichtet Pohl vom „Glück der tüchtigen Beobachter“.
Wie wichtig dieser Bruterfolg ist, zeigt nicht nur ein Blick in die Historie: Bis Ende des 18. Jahrhunderts waren Steinadler in Deutschland bis weit ins Flachland hinein verbreitet. Durch systematische Verfolgung und Abschussprämien wurden sie bis zum Ende des 19. Jahrhunderts fast ausgerottet. Inzwischen sind Steinadler in der gesamten EU geschützt. Die Bestände haben sich erholt. Heute leben etwa 40 Revierpaare in den bayerischen Alpen. Es ist das einzige Steinadler-Vorkommen in Deutschland.
Zum Erhalt der Steinadler wird in den Chiemgauer, Berchtesgadener und unmittelbar angrenzenden Salzburger Alpen die Entwicklung und Verbreitung der Steinadler dokumentiert. Im Rahmen eines langfristigen Monitoring-Projekts der Nationalparkverwaltung Berchtesgaden werden auf einer Fläche von etwa 1500 Quadratkilometern 17 Reviere mit aktuell 15 Steinadlerpaaren überwacht – darunter auch Otto und Ronja vom Geigelstein.
Zur Monitoring-Gruppe gehören neben Forstrevierleiter Wölfl und Tierarzt Pohl etwa 20 ehrenamtliche Helfer – darunter auch die Drachen- und Gleitschirmflieger von Kampenwand und Hochries. Denn genauso wichtig wie das Beobachten der Tiere und die Dokumentation ihres Brutverlaufs ist ihr Schutz. „Ohne Nachwuchs ist das System fragil“, macht Wölfl klar: „Und da ist die Beteiligung von Gleitschirmfliegern in der Monitoring-Gruppe unheimlich wertvoll.“
Der Nachwuchs ist rar. „Wir gehen von einer Brutrate von 0,3 Jungtieren pro Jahr und Paar aus. Das heißt also, dass nur jedes dritte Paar pro Jahr erfolgreich brütet“, erklärt Steinadler-Experte Ulrich Brendel vom Nationalpark Berchtesgaden. Bei 40 Tieren im Alpenraum müssten in diesem Jahr zwölf Jungtiere flügge geworden sein. Doch es war kein gutes Jahr: „Gesichert wissen wir von zwei Jungtieren“, so Brendel.
„Sobald wir beobachten, welcher Horst zur Eiablage genutzt wird, werden Schutzzonen rund um den Steinadlerhorst eingerichtet, um die sensible Aufzucht nicht zu stören“, erläutert Aschaus Revierleiter Wölfl. Die gelten nicht nur für Forstarbeiter, die in diesem Zeitraum nicht in der Nähe des Horstes arbeiten dürfen. Auch Bergwanderer müssen einen Abstand von mindestens 300 Metern einhalten. Hubschrauber und Drachenflieger, die sich mit dem Steinadler den Luftraum teilen, dürfen den Horst vom 1. März bis zum Ausflug der Jungadler nur in einer Distanz von mindestens einem Kilometer umfliegen. „Dafür werben unsere Drachenflieger in ihren Clubs“, ist der Revierleiter für die Unterstützung dankbar.
In diesem Jahr wurden die Bemühungen der Geigelsteiner Monitor-Gruppe belohnt. Da ihnen ihre Steinadler ans Herz gewachsen sind, haben sie ihnen Namen gegeben. Und so wurde die Tochter von Otto und Ronja auf „Prinzessin Leia“ getauft.
Inzwischen ist Prinzessin Leia flügge geworden. „Am 21. Juli hat sie den Horst nach 75 Tagen das erste Mal verlassen“, beobachtete Michael Pohl. Ihr Gefieder ist schokobraun. An weißen Feldern im Flügel und am weißen Schwanz mit schwarzer Endbinde ist das Jungtier erkennbar. „Leia wird noch lange im elterlichen Revier bleiben“, erklärt Pohl. Allmählich zieht sie immer größere Kreise. Noch wird sie von ihren Eltern mit Futter versorgt. „Die Futterübergabe findet auf Bäumen und Felsen statt. Der Jungadler bettelt und greift die Mutter spielerisch in der Luft an“, hat Pohl beobachtet. Doch in ein paar Monaten werden sie die Fütterung einstellen.
Baumkletterer
erkunden
verlassenen Horst
Während Otto und Ronja einander und auch ihrem Revier am Geigelstein treu bleiben, wird Prinzessin Leia bald die Welt der Alpen erkunden. „In den ersten zwei Jahren befliegen Jungadler ein Areal von etwa 16000 Quadratkilometern, das heißt, sie bewegen sich auf einer Fläche von etwa 125 mal 125 Kilometern“, erklärt Michael Pohl. Mit etwa fünf Jahren erlangen sie ihre Geschlechtsreife. „Dann kehren sie zurück ins heimische Refugium, um sich für ein Leben zu verpaaren.“
Es bleibt also spannend im Geigelsteiner Monitoring-Team: Spätestens wenn ihre Eltern im Januar oder Februar mit Girlandenflügen ihre nächste Balz ankündigen, wird Leia die Region verlassen müssen. Wie jedes Adlerpaar haben auch Otto und Ronja mehrere Horste in ihrem Revier am Geigelstein. „Wir wissen von neun Horsten“, sagt Revierleiter Felix Wölfl.
Sobald die Adler den Baumhorst verlassen haben, in dem sie Leia aufzogen, geht das Monitoring in eine abenteuerliche Phase: „Dann brauchen wir Baumkletterer, um Beutereste und Federmaterial aus dem Horst analysieren zu können“, erklärt Wölfl. Diese geben nicht nur Auskunft über die Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der bayerischen Steinadler-Teilpopulation, sondern auch über das Nahrungsangebot. „Der Steinadler ist das größte Raubtier in unserer Region“, erklärt Revierförster Wölfl. Seine Beute sind Murmeltiere, Mäuse, Vögel, Füchse, Reh und Gams. Aber auch Auerhähne, wenn sie in der Balz abgelenkt sind.