Frasdorf/Aschau – Das Ende des Almsommers ist eingeläutet. Im Mai haben die Bauern ihr Vieh auf die Hofalm getrieben. Nach 141 Tagen auf den kräuterreichen Bergweiden und dem ersten, frühen Schnee Mitte September sind sie nun wieder in ihre heimatlichen Ställe im Tal zurückgekehrt. Die Gastronomie auf der Hofalm bleibt trotzdem weiter geöffnet.
83 Jungrinder und Pferde hat Ludwig Freund (43) in diesem Sommer auf der Alm gehütet. Er ist gelernter Maurer und Gewässerbauer, mit der Landwirtschaft aufgewachsen und seit einigen Jahren auch begeisterter Almerer. Sechs Jahre hat er mit seiner Frau Theresa und den Kindern jeden Sommer auf der Schreckalm am Geigelstein verbracht. Neun Wochen nur auf der Alm waren ein Wagnis, vor allem aber ein unvergessliches Familienprojekt. „Es war eine wunderbare Zeit für uns und die Kinder“, blickt Freund zurück: „24 Stunden im Biorhythmus der Natur und in Familie, das hat uns unglaublich viel Energie gegeben.“
Familienfreundliche
Alm-Alternative
Inzwischen sind die Freunds mit ihren Kindern Ludwig (9), Sebastian (7) und Marinus (3) wieder ganzjährig in Wildenwart zu Hause. Sie haben sich nach einer schultauglichen Alm-Alternative umgeschaut und diese auf der Hofalm gefunden. Nachdem der langjährige Hüttenwirt Hans Reichhold aus gesundheitlichen Gründen aufgab, suchte Ludwig Freiherr von Cramer-Klett (47), Eigentümer der Hütte, nach einem neuen, erfahrenen Almerer. Einen, der von der gleichen Verbundenheit zur Natur, von der gleichen Leidenschaft für den Erhalt der alpinen Kulturlandschaft beseelt ist wie er. Bei Ludwig Freund habe er sofort gespürt, dass er „mit dem Herzen dabei ist“. Und so wurde die Familie Teil von Cramer-Kletts Visionen für seinen Natur- und Schutzwald im Priental.
Flora und Fauna im Einklang zu halten, ist ihm wichtig. Extensive Almwirtschaft und Gastronomie mit den anderen Bausteinen des Familienunternehmens zu verzahnen, eine Herausforderung. Naturschutz und Bergtourismus in Balance zu bringen, eine Kunst. „Man muss einen Mittelweg finden. Ob es funktioniert, wird sich erst in ein paar Jahren zeigen“, sagt Cramer-Klett.
Die Sanierung der „Stubn in der Frasdorfer Hütte“ kostete 1,7 Millionen Euro. Danach wurde die Hofalm umgebaut: mit neuen Holztäfelungen, frischer Farbe, neuer Küche und PV-Anlage. Bauleiter und Handwerker war Ludwig Freund, mit Beginn des Almsommers dann auch Almerer und Hüttenwirt.
Wie schon auf der Frasdorfer Hütte werden auch auf dem „Kaser“ ausschließlich Bioprodukte angeboten, die je nach Jahreszeit zur Verfügung stehen. „Sie stammen von Landwirten und Erzeugern, die unsere Vorstellung eines achtsamen Umgangs mit der Natur teilen“, erklärt Cramer-Klett.
Der einfache Ausschank im „Kaser“ der Hofalm ist das Pendant zur gehobenen Gastronomie der „Stubn“. „Hier zelebrieren wir reinstes Handwerk – kombiniert mit weltoffenem Geist“, beschreibt Cramer-Klett. Neu im kulinarischen Tierwohl-Konzept: Künftig soll auch Fleisch von pensionierten Milchkühen verarbeitet werden, die ihren Lebensabend auf Almweiden genießen durften.
Ein paar Höhenmeter weiter, oben auf der Almütte, gibt es einfache Brotzeiten – beispielsweise Würstl vom eigenen Wild, Schinken von Waldschweinen, Brot vom Bio-Bergbauernhof Simmerl aus Sachrang oder Käse aus der Tiroler Biosennerei Hatzenstädt. „So hoffen wir, den unterschiedlichen Ansprüchen an Gastronomie am Berg gerecht werden zu können“, beschreibt Cramer-Klett das Konzept.
Er hat weitere Pläne für den „Kaser“. In der Almhütte wurde ab 1878 auch Käse hergestellt. Das Lager der einstigen Käserei im Keller des Nebengebäudes ist immer noch in einem guten Zustand. „Es hat ein natürliches, ganz besonderes Klima“, sagt Cramer-Klett. „Und vielleicht“, so sein Traum von der Revitalisierung der traditionellen Käseherstellung, „werden hier in einem ersten Schritt bald schon ausgewählte Alpenkäse reifen.“
Tanzboden
ist noch erhalten
Über dem einstigen Käselager befindet sich der alte Tanzboden. Einst wurden hier rauschende Tanzabende gefeiert. Dass auch diese Tradition wieder aufleben könnte oder vielleicht sogar der große, gut erhaltene Stall neue Inspirationen weckt, schließt der Baron nicht aus. Denkbar sei alles, auch in Zusammenarbeit mit der Frasdorfer Hütte: „Geburtstagsfeiern, Hochzeiten oder kleine Hoagaschte mit unseren Musikern, um die Verbundenheit der lokalen Gemeinschaft zu fördern.“ Doch alles zu seiner Zeit, denn: „Das ist extrem viel Arbeit. Deshalb muss es sich richtig anfühlen. Und der Weg dahin muss Spaß machen.“
„Der erste Almsommer auf dem Kaser der Hofalm hat auf jeden Fall Spaß gemacht“, resümiert Almerer und Hüttenwirt Ludwig Freund. Und auch wenn mit dem Abtrieb der Almsommer eigentlich endet, bleibt die Berghütte noch bis Ende Oktober geöffnet – zumindest so lange die schönen Herbsttage die Wanderer noch auf den Berg locken.