„Die intensiven Erfahrungen bleiben“

von Redaktion

Kletterer Alexander Huber hält am Donnerstag Vortrag im Kursaal Oberaudorf

Oberaudorf – Extrembergsteiger Alexander Huber nimmt am Donnerstag, 3. Oktober, um 20 Uhr, die Besucher im Kursaal Oberaudorf mit seinem Vortrag „Zeit zum Atmen“ mit auf eine Reise in die Grenzbereiche des Alpinismus. Der Ausnahmebergsteiger entführt das Publikum unter anderem zu einem 2500 Meter hohen Felspfeiler im Karakorum und zeigt spektakuläre Bilder des größten Überhangs Europas. Besonders berührend: Die Begehung der Watzmann-Ostwand, die Huber zusammen mit seinem Vater unternommen hat. Die Leidenschaft fürs Klettern dient Huber als Metapher für das Leben: Nicht der Berg wird bezwungen, sondern das eigene Ich. Karten sind im Vorverkauf in der Touristinfo Oberaudorf erhältlich. Dazu führte das OVB ein Interview mit Alexander Huber.

Wie finden Sie auch nach so vielen Jahren immer neue Herausforderungen im Klettern?

Die Welt der Berge ist so groß, dass einem kaum dabei langweilig werden kann. Es hängt nur von der inneren Bereitschaft ab, ob man aufbricht oder nicht. Und es ist tatsächlich mit einer der spannenden Aspekte des Bergsteigens, dass es so vielfältig sein kann. Da kann eine alpine Route im elften Grad in den heimischen Bergen ein absoluter Grenzgang sein, nur eben in seiner Natur ganz etwas anderes als die Erstbegehung eines 2000 Meter hohen Felspfeilers auf über 6000 Meter im Karakorum. Wenn man die Augen offenhält und einen wachen Geist hat, dann wird man als Alpinist auch in Zukunft noch viele interessante Ziele für sich entdecken können.

Für Sie ist Ihre Erstbegehung „The Big Easy“ am 6166 Meter hohen Choktoi Ri im Karakorum Ihr „klettersportlich bedeutendstes Projekt der letzten Jahre“. Aus welchem Grund?

Es ist eine der schwierigsten und vor allem die längste meiner Erstbegehungen im hochalpinen Granit. 2500 Meter Klettern im anspruchsvollen Granit bis auf über 6000 Meter – das ist ein wahrer Grenzgang, für den wir acht Tage arbeiteten und kämpften, um bis zum Gipfel durchzukommen. Mein junger Kollege Fabian Buhl und ich mussten dementsprechend viel Energie investieren, um am Ende doch noch am Ziel anzukommen.

Warum sind Ihnen solche Grenzerfahrungen wichtig?

Über die Zeit bleiben vor allem die intensiven Erfahrungen in der Erinnerung hängen, während Alltagserlebnisse meist schnell im Nebel der Vergangenheit verschwinden. Diese bleibenden Erinnerungen machen das Leben reich und genau deswegen gehe ich beizeiten an meine Grenzen…

Der elfte Grad war zu Ihrer Hochzeit als Sportkletterer das Maß der Dinge. Glauben Sie, dass nachfolgende Generationen noch extremere Grade erreichen können?

Der zwölfte Grad ist seit Adam Ondra mittlerweile Realität. 1994 gelang es mir mit der Erstbegehung der „Weißen Rose“, das Tor zum oberen elften Grad aufzustoßen und es ist klar, dass es weitergeht. Auch bei den von Ondra gekletterten Schwierigkeiten wird es nicht stehenbleiben.

Gibt es auf der Welt trotzdem noch ganz unbezwingbare Berge und Kletterrouten?

Oh ja, die gibt es und es ist auch gut, dass es tatsächlich das Unmögliche gibt. Denn das bedeutet, dass auch zukünftige Generationen die Chance haben, sich an das Unmögliche möglichst nah heranzutasten.

Der Vortragstitel „Zeit zum Atmen“ ist sicher nicht zufällig gewählt.

Der Alpinismus hat für uns Menschen das Bild der Berge verändert. Wurden früher die Berge als lebensfeindlich und bedrohlich wahrgenommen, so rückt heute der Alpinismus diese steile Welt in ein anderes Licht: die Berge als Ort der Selbstfindung, als Ort der Reflexion, wo man noch die Zeit zum Atmen findet. Vor über 20 Jahren publizierte Reinhard Karl sein Buch „Erlebnis Berg: Zeit zum Atmen“ und war für mich wie für viele andere meiner Generation Inspiration, das Abenteuer in der Welt der Berge zu suchen.

Als Bergsteiger zählt man Sie auch heute noch zur Weltspitze. Wie sehen Sie Ihre Zukunft?

Als Kletterer gehöre ich aufgrund der Summe der Routen sicher zum Kreis der erfolgreichen aktiven Bergsteiger und Kletterer. Allerdings gehöre ich in meinem Alter von über 50 Jahren in vielen Bereichen nicht mehr zur Weltspitze des Kletterns. An großen Wänden und Bergen kann ich aber beizeiten noch sehr gut mein Wissen und meine Erfahrung ausspielen, um die nachlassende Kraft zu kompensieren. Das Wichtigste ist aber immer noch die Freude am Tun und in dieser Hinsicht ist mein Vater für mich ein Vorbild. Der ist mit über 80 immer noch mit einer echten Begeisterung in den Bergen unterwegs und genau das sehen wir auch beim Vortrag. Wenn man das Leuchten in seinen Augen sieht, dann weiß man, dass er ein glücklicher Mensch ist! Er steht eben auch heute noch im Licht der Berge. Was kann man mehr vom Leben erwarten?

Interview: Volkhard Steffenhagen

Artikel 3 von 11