Stephanskirchen – Rosina Eiwen singt gerne Friedenslieder. Zusammen mit 20 bis 30 anderen Personen singt sie jeden ersten Samstag im Monat in der Kirche. „Wir sind kein Kirchenchor“, stellt Eiwen klar. Die Kirche stelle nur die Räume zur Verfügung. Und anders als in einem Chor, besteht die Sängergruppe aus Freiwilligen. „Es gibt keine Mitgliedschaft und keiner muss gut singen können, um bei uns mitzumachen“, sagt Eiwen.
Denn bei der Sängergruppe geht es nicht vorrangig um Auftritte, sondern um das „Singen für den Frieden“. Eiwen hat die Gruppe vor fast zwei Jahren aus Freude am Gesang gegründet. Doch bald wurde mehr daraus. „Wir fühlen uns oft hilflos angesichts der Kriege in der Welt. Das Singen hilft uns, damit wir nicht den Kopf verlieren“, sagt sie.
„Die Gemeinschaft kann vielen Teilnehmern sehr helfen“, sagt Eiwen. So sehen die Sänger, dass sie mit ihren Sorgen und Nöten nicht allein sind. Das sagt auch Monika Fischer aus Rosenheim. Die pensionierte Krankenschwester ist schon von Anfang an mit dabei. „Seit Beginn des Ukraine-Krieges lasse ich kaum ein Treffen aus“, sagt sie. Sie ist von den Weltnachrichten sehr beunruhigt. „Das Singen hilft mir, mich auf etwas anderes als Krieg und Leid zu konzentrieren“, sagt sie. Es sei ihr anfangs nicht leicht gefallen, vom Krieg „abzuschalten“. „Irgendwann habe ich aber gemerkt, ich muss Pausen von dem Thema finden. Sonst belastet es mich zu sehr“, sagt sie.
Dagmar Bess aus Großkarolinenfeld geht anders mit dem Thema um. Sie beschäftigt sich aktiv damit. „Wenn ich Lieder über den Frieden singe, dann drücke ich meine Gefühle darüber aus“, sagt sie. Sie singt auch außerhalb der Gruppe gerne. „Singen tut dem Herzen und der Seele gut“, sagt sie. Bess freut sich, dass die Singgruppe auch anderen Menschen psychisch helfen kann. „Wenn ich das Gefühl habe, ich tue etwas Gutes, dann hilft mir das ungemein“, sagt sie.
Auch Sigi Degenhart aus Raubling ist motiviert, anderen Mut zu machen. „Das Singen hilft nicht gegen den Krieg selbst. Aber es hilft den Menschen um mich herum, mit Ängsten und Sorgen umgehen zu können“, sagt sie. Am liebsten singt sie „We shall overcome“ („Wir werden es überwinden“) – ein amerikanisches Protestlied. „Ich habe einen Ohrwurm von dem Lied“, sagt sie. In der Gruppe werden neben englischen und deutschen auch hebräische und ukrainische Lieder gesungen. Auch die Gastmusikanten kommen aus verschiedenen Ländern, etwa die ukrainische Geigenspielerin Ina Bikkuzhyna. Sie ist aufgrund des Krieges nach Deutschland geflohen, ohne Deutsch oder Englisch zu sprechen. „Ihre Tochter hat übersetzt und da erzählte Ina uns, wie sehr es ihr hilft, Musik über Krieg und Frieden zu spielen“, sagt Rosina Eiwen.
Das nächste Sing-Treffen findet am Samstag, 5. Oktober, von 17 bis 18 Uhr statt. Als Gastmusikerin wird dabei Katja Ritter aus Rosenheim mit Keyboard und ihrer Stimme auftreten. „Jeder kann dazukommen, egal welcher Konfession oder Herkunft“, sagt Ritter. Auch, wer nur zuhören will, sei willkommen. Ritter freut sich über jeden, der beschließt, mitzusingen. „In der Gruppe zu singen, kann entlasten, das merke ich auch in meinem Beruf als Gesangslehrerin“, sagt Ritter. Deshalb kann sie sich vorstellen, dass ihr bisher erster Gastauftritt nicht ihr einziger bleiben wird.
Cordula Wildauer