Klerikales Kleinod im Dornröschenschlaf

von Redaktion

Markante König-Otto-Kapelle mit Andacht in Renovierungspause verabschiedet

Kiefersfelden – Bei einer feierlichen Andacht in der „König-Otto-Kapelle“ bot Kiefersfeldens katholischer Pfarrer Dr. Hans Huber vielen Gläubigen und Interessierten noch einmal die Möglichkeit, dieses kleine Gotteshaus zu erleben, dessen bewegte Geschichte kennzulernen oder einfach nur zu verweilen und die ungewöhnlichen baulichen Details zu bewundern. Denn, nur wenige Tage später, seit dem 1. Oktober, ist die Kirche wie auch das steile Gelände, auf dem sie steht, aus Sicherheitsgründen wieder für den Besucherverkehr geschlossen.

Großer
Besucherandrang

Sichtlich überrascht von dem großen Besucherandrang tauchte der Geistliche kurz in die große Geschichte der kleinen Kapelle ein, „die dem heiligen Otto von Bamberg geweiht ist“. Der Pfarrer zitierte aus alten Überlieferungen, wobei so manch überraschende Dinge zum Vorschein kamen, die das Kirchlein an der Tiroler Grenze so außergewöhnlich machen. So wurde die Kapelle in der Region, die damals immer wieder von Kriegen erschüttert wurde, auch die „steinerne Friedensbitte“ genannt, und der markante Turm sollte weithin sichtbar sein. Die Baukosten beliefen sich zur damaligen Zeit auf rund 15700 Gulden, umgerechnet heute etwa 140000 Euro. Zum Abschluss seiner durchwegs interessanten Ausführungen regte Pfarrer Huber doch die Bildung eines „Freundeskreises“ an, der sich sowohl der Kapelle als auch des Außengeländes annehmen sollte, „damit unsere König-Otto-Kapelle im Gespräch bleibt, denn sie ist es immer wert“. Für die musikalischen kleinen Unterbrechungen sorgten Wast Bleier (Harve) und Hubert Kloo (Blockflöte).

König Ludwig I. von Bayern gab 1833 seine Zustimmung zum Bau, zur Erinnerung an die Ausreise seines zweitältesten, damals 17-jährigen Sohnes Otto am 6. Dezember 1832 nach Griechenland, wo er ein halbes Jahr zuvor zum ersten griechischen König ernannt worden war. Der Entwurf wurde zwischen 1834 und 1836 vom Rosenheimer Baumeister Johann Karmann umgesetzt, und am 19. Juni 1836 erfolgte die feierliche Einweihung der König-Otto-Kapelle. Der Bau im damals angesagten neugotischen Stil entstand aus leuchtendrotem Backstein und lehnt sich an die untere Steilwand des Thierbergs, direkt neben der ehemaligen Zollstation in Richtung Tirol.

Grundsteinlegung war der 1. Juni 1834, der 19. Geburtstag des jungen bayerischen Griechenkönigs Otto. Finanziert werden sollte das klerikale Kleinod „vom Volke“, wie es damals hieß. Dazu wurde in der gesamten Region zu Sammlungen und Spenden aufgerufen – mit großem Erfolg. Schon kurz nach Anfang des Jahres 1833 waren durch die Aktion „15732 Gulden und 36 Kreuzer“ zusammengekommen und die damaligen Gemeindevertreter des Grenzortes Kiefersfelden versprachen, für freiwillige Arbeitskräfte am Bau zu sorgen. Sie stellten auch das entsprechende Grundstück am Fuße des Thierbergs zur Verfügung.

Im späten Frühjahr 1836, als sich Griechenkönig Otto auf seine erste Heimreise von Athen nach München begab, stattete er in Kiefersfelden der inzwischen fast fertiggestellten Kapelle einen Besuch ab. In einem Zeitungsbericht vom „Der bayerische Volksfreund“ vom 2. Juni 1836 heißt es damals überschwänglich: „Wenn nun die Freude und die tiefe Rührung des hochgefeierten Königs in diesem Augenblicke noch gesteigert werden konnte, so war es nur der Moment vermögend, in welchem König Otto mit seinem durchlauchtigsten Bruder Kronprinz Maximilian an der Seite, die neue Otto Kapelle, dieses schöne Denkmal rühmlicher Liebe und Anhänglichkeit an das angestammte Regentenhaus, besichtigte. Unter dem widerhallenden Jubel des zahlreich versammelten Landvolkes, betrachtete König Otto die von allen Gerüsten entblößte, zierlich geschmückte Kapelle mit dem unwillkürlichen Ausrufe: ‚Sie ist sehr schön, im gotischen Stile, und dies ist meine Lieblingsbauart‘.“

Freistaat legt sich
nicht auf Termin fest

Besitzer der Kapelle heute ist der Freistaat Bayern, der seit geraumer Zeit den Zutritt zur Kapelle gesperrt hat, weil wegen der bei einer im Jahre 2023 durchgeführten Inspektion festgestellten Schäden befürchtet wird, dass Brüstungs- und Mauerteile herabfallen könnten. Durch die Lage der Kapelle direkt am Hang sind witterungsbedingt erhebliche Schäden wie Verformungen, Absenkungen und Ausspülungen des Fugenmörtels am Bauwerk entstanden. Die Untersuchungen führten deshalb zu der Entscheidung, dass eine umfangreiche Mauerwerksinstandsetzung erforderlich ist. Außerdem soll im Rahmen der Sanierung ein Entwässerungs- und Abdichtungskonzept erstellt werden, wobei es vonseiten des Freistaats noch keine verbindlichen Termine dazu gibt.

Nicht nur für Bürgermeister Hajo Gruber „ist die König-Otto-Kapelle von historischem Wert und ein den Ort prägendes Gebäude“. Weiter sagt er während der kleinen feierlichen Andacht: „Wir versuchen auf allen Kanälen, dass der Freistaat die Kapelle so herrichtet, dass sie wieder dauerhaft zugänglich ist. Es laufen intensive Gespräche, aber leider bisher ohne jegliche verbindliche Aussage.“

Artikel 1 von 11