Neubeuern – „Meine Schulzeit war ganz normal“, sagt Uli Hoeneß. Der Ehrenpräsident sitzt in einem kleinen Raum des Schloss Neubeuern auf einem Sofa. Entspannt zurückgelehnt. Neben ihm zwei Schülerinnen, die ihm aufmerksam zuhören. „Ich habe meistens in der letzten Stunde schon die Hausaufgaben gemacht, damit ich um zwei Uhr Fußball spielen kann“, erzählt der Ehrenpräsident des FC Bayern München in der kleinen Runde.
Es wirkt fast, als würde ein Opa seinen Enkeln von seiner Kindheit erzählen. Und vermutlich ist Hoeneß auch mehr für die anwesenden Reporter und die „ältere“ Generation eine Ikone. Denn die anwesenden Schülerinnen waren zur Blütezeit seiner Karriere noch nicht einmal geboren. Bei seinem Besuch des Wirtschaftsforums im Gymnasium zeigt sich Hoeneß überraschend offen. Kein Thema scheint tabu zu sein – auch nicht seine Zeit im Gefängnis. Bevor er aber auf die ernsten Themen des Lebens zu sprechen kommt, berichtet er von seiner Schulzeit. Seine Eltern legten damals großen Wert darauf, dass er sein Abitur macht, erzählt er. Selbst als er schon Jugendnationalspieler war, warnte ihn seine Mutter: „Vom Fußball kann man nicht abhängig sein. Verletzungen können passieren.“ So machte er sein Abitur mit einem Schnitt von 3,4 – das Studium der Wirtschaftswissenschaften konnte er damit vergessen. Denn der Numerus Clausus lag bei 3,0. Um die Zeit bis zum Start der großen Fußball-Karriere zu überbrücken, studierte er schließlich im Lehramt Anglistik und Geschichte. Beendet hat er dieses Studium nie. „Nach vier Semestern war ich Nationalspieler und bin zum FC Bayern gekommen.“
„Ich habe in meinem Leben immer versucht, Verantwortung zu übernehmen“, sagt der heute 72-Jährige. So auch in der Schulzeit. Klassensprecher, Schulsprecher und Mitarbeiter der Schülerzeitung war Hoeneß. Sport und Englisch waren seine Lieblingsfächer. Malen konnte er nicht, „da habe ich immer die anderen malen lassen.“ Schon damals übernahm er dort mehr Manager-Tätigkeiten. „Die Schülerzeitung war defizitär“, sagt er und lacht. Schließlich habe er sich um das Problem gekümmert. „Ich bin zu Müller, zum Kaufhof, zu Karstadt gerannt, und habe Anzeigen gesammelt.“
Über die Schülerzeitung habe er auch seine Frau Susanne kennengelernt. „Ich bin zum Direktor der Realschule gegangen und habe ihm vorgeschlagen, einen Lokalteil zu machen. Er sagte mir, dass ich das mit seiner Schulsprecherin klären müsse – sie ist meine heutige Frau“, sagt Hoeneß und schmunzelt.
Deutlich spricht der Bayern-Präsident außerdem über seine Arbeitsmoral. Sein Credo: „Die Arbeit muss gemacht werden.“ Unabhängig davon, ob er damit eine Drei-, Vier- oder Fünf-Tage-Woche hat. „Deswegen bin ich ja auch so ein großer Gegner von Herrn Heil“, holt der Bayern-Präsident gegen den Bundesarbeitsminister aus. „Deswegen kommt Deutschland nicht voran.“ Man müsse machen, was unser Land braucht, „und nicht irgendwelche Spinnereien, die irgendein Minister verzapft.“ Für die nächste Bundesregierung hat er einen klaren Wunsch: „Es müssen wieder Parteien regieren, die den ganzen Tag darüber nachdenken ‚Was können wir tun, damit es den Bürgern besser geht’ und nicht ‚Wie sichere ich meine Wiederwahl.’“ Die Zukunft der Ampel ist in Hoeneß‘ Augen klar: „Die haben ihre Chance gehabt. Es ist vorbei.“
Er hält es allerdings nicht für richtig, die junge Generation ständig für ihren Wunsch nach Work-Life-Balance und Co. zu kritisieren. Er wünscht sich mehr Dankbarkeit. „Diese ewige Kritik an unserem Land und auch an den jungen Leuten geht mir auf den Sack“, macht er deutlich.
Die Zeiten haben sich auch für Hoeneß privat geändert. Die Metzgerei seiner Familie machte damals 150000 Mark Jahresumsatz. „Heute machen wir das in der Wurstfabrik, die inzwischen meine Kinder übernommen haben, an einem halben Tag.“ So erfolgreich seine Karriere als Fußballer, Fußball-Manager und Unternehmer auch war – es gab auch weniger glamouröse Momente in Hoeneß’ Leben. So, als er wegen der Hinterziehung von mehreren Millionen Euro an Steuern vor Gericht und schließlich im Gefängnis landete. „Es war eine schwierige Zeit für mich – selbst verschuldet.“ Dass er Fehler gemacht hat, dazu steht er. „Ich habe dafür gebüßt, vom ersten bis zum letzten Tag.“ Die Zeit hinter Gittern habe ihn geprägt, erzählt er. „Am Anfang habe ich furchtbar Angst gehabt, und am Schluss, so muss ich sagen, hat es mir auch für mein weiteres Leben und für meinen Blick auf die Welt sehr viel gebracht.“
Im Gefängnis habe er etwa 5000 Briefe bekommen. 99 Prozent davon seien positiv gewesen. Lediglich die Tierschutzorganisation PETA schrieb ihm: „Diese Gefängnisstrafe ist die Strafe dafür, dass Sie für den Tod von Millionen Schweinen zuständig sind.“ Eine Kritik, die Hoeneß nicht ganz ernst zu nehmen scheint, wie sein Schmunzeln verrät.
Die Nachricht, die Hoeneß mit an das Schloss Neubeuern und die Schüler dort bringt, wird im Gespräch mehrmals deutlich: „Ohne Fleiß kein Preis.“ Er glaubt fest an die Jugend von heute. Vielleicht auch, weil er selbst weiß, dass auch er früher ein echter „Lausbub“ war, wie er selbst zugibt.