Frasdorf darf Weißenbach nicht räumen

von Redaktion

Als ob im Weißenbach nach dem Unwetter vom 3. Juni nicht schon genug Geröll liegen würde, legt das Landratsamt Rosenheim noch mehr Steine in den Weg. Der Bachlauf darf nicht von Kiesbänken, Geschiebe und Wildholz befreit werden.

Frasdorf – Bei Unwetter verwandelt sich der Weißenbach (Tauerner Graben) in ein wildes Monster. Aus dem steilen Einzugsgebiet der Hochries bringt er eine enorme Wasserlast ins Tal. Der Durchlass unter der Frasdorfer Straße ist viel zu eng, hat das Wasserwirtschaftsamt Rosenheim in seinen hydrologischen Untersuchungen für den Hochwasserschutz von Achenmühle (Gemeinde Rohrdorf) festgestellt. Bei Verklausungen macht er dicht.

Dadurch breitete sich der Tauerner Graben am 3. Juni auf den Wiesen aus, überflutete die Frasdorfer Straße, wälzte sich durch die Austraßen-Siedlung zur Rohrdorfer Ache. Auch die Autobahn stand am 3. Juni unter Wasser und musste kurzzeitig gesperrt werden.

Am Oberlauf muss
Geschiebe raus

Das könnte wieder passieren, wenn am Oberlauf des Tauerner Grabens oberhalb des Ortsteiles Graben nichts passiert. Dafür zuständig ist Frasdorf, denn die nicht ausgebauten Wildbäche sind Gewässer dritter Ordnung und damit in der Verantwortung der Gemeinde. Das Wasserwirtschaftsamt Rosenheim ist nur für ausgebaute Wildbachstrecken zuständig.

Am Oberlauf des Tauerner Grabens haben die Wassermassen am 3. Juni enorme Schäden angerichtet: Erosionen an den Ufern, unterspülte und umgestürzte Bäume am Bachlauf, tonnenweise Geschiebematerial. „Wir müssten dringend Geröll und Wildholz räumen“, macht Bürgermeister Daniel Mair klar. Denn stromabwärts befinden sich weitere Durchlässe – an der Ortsverbindungsstraße von Frasdorf nach Samerberg zwischen Graben und Oed, an der Straße bei Thal, am Radweg, an der Kreisstraße und an der Autobahn.

Gefahr von schlimmen
Überschwemmungen

Mit jedem Regenguss wird das Geschiebematerial weiter ins Tal befördert, sammelt sich an den Durchlässen und beeinträchtigt deren Abfluss. Damit steigt die Gefahr, dass beim nächsten Unwetter die Überschwemmungen noch schlimmer werden könnten als am 3. Juni. Weil die Gemeinde das Bachbett nicht geräumt hat. Die nächste Überflutung wäre also „hausgemacht“, mit Schäden an Wohngebäuden in Graben und Thal sowie an kritischer Infrastruktur wie Kreisstraße oder Autobahn müsste gerechnet werden.

Gesamter Bachlauf
und Ufer sind Biotope

Doch warum „müsste“ die Gemeinde das Geschiebe räumen? Warum macht sie es nicht einfach? „Weil der gesamte Bachlauf des Tauerner Grabens und seine Uferbereiche Biotope sind, und wir erst einen landschaftspflegerischen Begleitplan erbringen müssen“, sagt Daniel Mair. Er verbirgt seine Verärgerung nicht, denn: „Die Gemeinde ist in der Verantwortung, die Gewässerunterhaltung unsere Pflichtaufgabe.“

Das Unwetter vom 3. Juni hat das Biotop „Tauerner Graben“ enorm verändert. Trotzdem darf die Gemeinde das ursprüngliche Bachbett nicht wiederherstellen. „Wir müssten am Oberlauf mit dem Bagger ins Bachbett, um angeschwemmtes Wildholz und etwa 2500 Kubikmeter Geröll zu räumen“, erläutert Verwaltungsleiter Andreas Oppacher. Eine umfassende Maßnahme, über die das Landratsamt vorab informiert werden musste.

Die Antwort der Behörde sorgte nicht nur in der Verwaltung, sondern auch im Gemeinderat und jüngst in der Bürgerversammlung am 15. Oktober für Empörung. Die Untere Naturschutzbehörde fordert einen „Landschaftspflegerischen Begleitplan“ der Räumung und Instandsetzung des Bachlaufs. Und der muss enthalten: „einen Übersichtsplan, einen Lageplan mit Darstellung der geplanten Maßnahme, Angaben zur Gemarkung, Flur, Flurstück und der Kennzeichnung des jeweils gesetzlich geschützten Biotops, die Größe der beantragten Fläche, die Beschreibung der jetzigen örtlichen Verhältnisse inklusive der Kartierung und Fotos, die Begründung und Beschreibung des Vorhabens inklusive des Bauablaufs (Zufahrten, Baustelleneinrichtungs-, Lagerflächen)“.

Zudem sollen „Alternativen zu den Maßnahmen gesucht“ und „die naturschutzfachlich schonendsten Variante gewählt werden“. Natürlich müssen auch „die zu erwartenden Beeinträchtigungen und der Bauablauf beschrieben“ werden. Ebenso wie „vorgesehene Maßnahmen zur Vermeidung, Minimierung, zum Ausgleich und Ersatz der entstehenden Beeinträchtigungen“. Alle „Belange des Artenschutzes“ sind „abzuarbeiten“.

Die Behörde verweist in ihrem Schreiben an die Gemeinde auch auf die „Kompensationsverordnung aus dem Jahr 2014“, denn: Besonders wertvoll sind Hochwasserschutzmaßnahmen, wenn sie zu einer „ökologischen Aufwertung des Fließgewässers oder des Ufers und seiner Auen“ führen.

Hoffen auf
einen Kompromiss

Immer öfter überrollt die Natur die Bürokratie. Am 3. Juni 2024 mussten das die Menschen im benachbarten Achenmühle schmerzlich erfahren. Seit der Überflutung der Ausiedlung im Jahr 2020 wird an einem Konzept für den Hochwasserschutz des Ortes gearbeitet. Diesen Juni wurde Achenmühle erneut massiv überschwemmt. Die Wassermassen kamen vor allem mit dem Weißenbach. Trotzdem darf der an seinem Oberlauf nicht geräumt werden.

„Wir hoffen auf einen Kompromiss“, sagt der Bürgermeister. Ein Umwelt- und Planungsbüro wurde bereits beauftragt. Die Vor-Ort-Begehung steht bevor. Doch ob und wann eine Räumung von der Unteren Naturschutzbehörde genehmigt wird, steht in den Sternen.

Die Gemeinde Frasdorf ist beim Hochwasser am 3. Juni mit einem blauen Auge davongekommen. Trotzdem gab es Überschwemmungen und Erdrutsche, wurden Uferböschungen ausgespült. „Bei kleineren Maßnahmen können wir sofort handeln und unserer Verkehrssicherungspflicht nachkommen“, erklärt Andreas Oppacher. In den vergangenen vier Monaten hat die Gemeinde etwa 15000 Euro in Instandsetzungen und Kiesräumungen investiert. So wurde der Kiesfang an der Ebnater Ache, einem Zufluss der Prien, im Ortsteil Lederstube ausgebaggert. Dort wurde auch eine Zufahrt gebaut, da die Räumung des Kiesfangs mindestens einmal pro Jahr erfolgen muss, bei Unwetter noch öfter.

Im Ortsteil Stadl war der Bach über seine Ufer getreten. „Hier wurde eine natürliche Flutmulde mit einer Länge von fast acht Metern, einer Breite von etwa zwei Metern und Tiefe von 30 Zentimetern geschaffen“, erläutert Oppacher den Hochwasserschutz.

In Stätt müsste ein vorhandener Kiesfang um circa fünf Quadratmeter vergrößert werden. „Diese Maßnahme würde vor allem die umliegenden Felder schützen, da dann bei einem erneuten Hochwasser der Kies nicht mehr so stark in die Felder ausgetragen würde“, beschreibt der Verwaltungsleiter das Vorhaben.

Auch bei Thal muss
Geröll aus dem Bach

Auch am Tauerner Graben wurden nahe des Ortsteiles Graben ausgespülte Uferbereiche stabilisiert. Nach einem Hangrutsch mussten zudem Buchen und Wurzelstöcke im Hangbereich entnommen sowie Wildholz aus dem Bachbett entfernt werden, um Verklausungen zu verhindern. Am Unterlauf des Tauerner Grabens – im Wald westlich von Thal – müssten Wildholz, Wurzelstöcke und abgestorbene Eschen entnommen werden. „Die Maßnahmen sind mit den betroffenen Grundstückseigentümern bereits abgesprochen worden“, informiert Oppacher.

Auch hier muss aber erst die Untere Naturschutzbehörde zustimmen: „Wir wissen, dass der Bach biotopkartiert ist, aber ohne einen Bagger können die Maßnahmen nicht umgesetzt werden“, sagt er. Die Gemeinde Frasdorf wartet auf grünes Licht aus Rosenheim. Erst dann kann sie ihre Bürger vor Hochwasser schützen.

Behörde rückt von Forderungen nicht ab – Bauarbeiten könnten Biotop zerstören

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