Goldene Scheiben fand der Hobbyarchäologe Wast Aringer in der Nähe der Kampenwand. Experten der Archäologischen Staatssammlung München gehen davon aus, dass es sich dabei um die Reste eines Textils mit goldenen Fäden aus der Zeit um 1200 bis 1100 v. Chr. handelt, das bei einer Opferung rituell zerstört wurde. Das Geheimnis des Goldschatzes vom Brunnsteinkopf muss noch erforscht werden. Ein Teil des Goldschatzes soll in der neuen Dauerausstellung der Archäologischen Staatssammlung München gezeigt werden.Fotos Aringer
Aschau – Der Goldschatz vom Brunnsteinkopf, römische Fluchthöhlen in den Bergen – Sebastian Aringer aus Aschau hat die spektakulärsten archäologischen Funde im Priental gemacht. Dabei ist er „nur“ ein Sondler. Und die haben so gar keinen guten Ruf.
„Das gibt es kein zweites Mal auf der Welt.“ Der Archäologe Professor Dr. Siegmar von Schnurbein (83) kriecht förmlich in den Schaukasten hinein, um die Funde aus den Fluchthöhlen an der Kampenwand genau zu inspizieren. Er ist ein berühmter Repräsentant der deutschen Archäologie, wurde für seine bedeutendes internationales Wirken mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Er ist Träger zahlreicher Ehrendoktorwürden europäischer Länder, war unter anderem Direktor der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts in Frankfurt. Doch was er im Fundmuseum Höhenberg erlebt, macht selbst ihn fast sprachlos: „Einen Menschen, der in seiner Freizeit der Geschichte seiner Heimat auf die Spur geht, Fundsachen wie ein Profi restauriert und ein eigenes Museum aufbaut, den findet man nicht noch einmal auf der Welt.“ Gemeint ist Sebastian (Wast) Aringer aus Höhenberg, Landmaschinenmechaniker, Zimmerer, Hobbyarchäologe und Museumsleiter.
In 20 Jahren mehr als
1000 Funde gehoben
Ihm sind außergewöhnliche archäologische Entdeckungen im Priental zu verdanken. „Wast Aringer hat in den letzten fast 20 Jahren mehr als 1000 Fundobjekte geborgen. Das ist unglaublich“, würdigt Dr. Werner Zanier, Archäologe an der Akademie der Wissenschaften München, seine Arbeit. „Erst mit dem Wissen, das er aus dem Boden geholt hat, ist ein repräsentatives Fundbild entstanden, das es uns ermöglicht, die Siedlungsgeschichte von der Bronzezeit bis in die Römerzeit, also für den Zeitraum zwischen 1500 vor Christus bis etwa 300 nach Christus auszuwerten.“
Dabei haben Sondengänger bei den Fachleuten eher einen schlechten Leumund: Wegen Raubgrabungen, der Zerstörung von Fundkontexten oder der Plünderung von Ausgrabungsstellen. Keiner sieht es wirklich gern, wenn sie unterwegs sind. Doch Wast Aringer ist eine absolute Ausnahme: im ständigen Kontakt mit dem Landesamt für Denkmalpflege und immer auf dem Boden des Denkmalschutzgesetzes unterwegs. Er hat Vertrauen aufgebaut, das Miteinander von Profis und Laien neu geprägt. Jetzt wurde er sogar zu den archäologischen Grabungen für die neue Seehauser Autobahnbrücke gerufen.
Zum Sondengehen kam der 65-jährige vor 18 Jahren. Anfangs sondelte er nur rund um den eigenen Hof in Höhenberg. „Da wusste ich natürlich auch noch nicht, was ich eigentlich gefunden habe“, erzählt er. Doch dann erwies sich eine einfache Gewandnadel als römische Kniefiebel aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus. Und schließlich stieß er auf bronzezeitliche Gräber. „Und da war mein wissenschaftliches Interesse geweckt.“
Sein alter Schulfreund Dr. Werner Zanier erinnert sich noch gut an die Anfänge von „Wasts Sondengänger-Karriere“, an den Tag im Jahr 2006, an dem Aringer mit einem silbernen Metallkoffer vor seiner Tür stand und seine Funde auf dem großen Wohnzimmertisch ausbreitete: „Da waren sie die Preziosen: ein reich verzierter Schwertgriff aus Bronze, Bronzeklingen, Armreifen und Schmuck. Und es war klar, dass die von einer über 3000 Jahre alten Bestattung aus der Bronzezeit sind.“ Das Urnengrab, das Aringer gefunden hatte, wurde 2011 im Rahmen von archäologischen Ausgrabungen genauer untersucht.
Wissen und Geschick
wie ein echter Profi
Welche Bedeutung den Funden des Sondengehers Aringer zukommen, versteht nur, wer mit Dr. Zanier einen Blick auf die archäologische Entdeckungsgeschichte im Priental wirft. Denn wirklich sensationelle Funde gab es nur wenige: 1865 den berühmten Silberschatz vom Schießstattbichl nahe des heutigen Aschauer Kindergartens – bestehend aus 800 Silberdenaren (235 n. Chr.). 1922 dann einen bronzezeitlichen Hortfund aus 30 verschiedenen Objekten (etwa 13. bis 11. Jahrhundert v. Ch.) im Garten des Walpurgishofes bei Weidachwies. In den 1920er-Jahren immer wieder kleinere Funde bei Arbeiten in der Kiesgrube in Höhenberg.
„In den 1980er- und 90er-Jahren waren schließlich die ersten auswärtigen Sondengänger in Aschau unterwegs, die kleinere Funde aus der Bronze- und Römerzeit machten“, so Zanier. Und dann kam Wast Aringer. Hartnäckig. Neugierig. Und mit einem riesigen Interesse an der Geschichte und Lebensweise seiner Vorfahren. Er macht die spektakulärsten Funde: 2015 entdeckt er den „Goldschatz vom Brunnsteinkopf“ und damit eine bronzezeitliche Kultstätte.
In steilem Gelände, auf 1200 Metern, findet er ein goldenes Fragment: „Ich dachte erst, es wäre das zerdrückte Goldblech einer Sektflasche, doch dann sah ich den Stempeldruck und begriff, dass es aus der Bronzezeit sein muss“, erinnert er sich. Der Laie zieht die Profis zurate: In zwei Grabungskampagnen erforscht die Archäologische Staatssammlung (2016 und 2017) die bronzezeitliche Kultstätte und birgt den Goldschatz: Goldfäden und mit Mustern verzierte Goldscheiben – möglicherweise die Überreste eines golddurchwirkten Kleides oder eines Zeremonialgewands aus der Bronzezeit – auf jeden Fall aber mehr als 3000 Jahre alt. „Es ist die größte Menge an solchen Goldobjekten in Bayern. Das ist etwas ganz Einzigartiges“, ordnet Dr. Heiner Schwarzberg von der Archäologischen Staatssammlung München den Fund ein. „Ohne Sebastian Aringer würde es ihn nicht geben“, sagt er voller Hochachtung.
Wenig später macht der Hobbyarchäologe die nächste sensationelle Entdeckung: zwei Fluchthöhlen (250 n. Ch.) unterhalb des Brünnsteinkopfes. „Fundreich und absolut exzeptionell“, schwärmt Zanier, denn sie bilden eine völlig neue „Fundplatzkategorie“ in Bayern und Süddeutschland. „Dass die Römer Höhlen besiedelt haben, wurde vermutet, konnte aber erst mit diesem Fund bewiesen werden“, erklärt Archäologe Marcus Zagermann, der 2017/18 die Grabungen am steilen Berghang leitete.
Heute bescheinigen die Archäologen ihrem „Kollegen“ Sebastian Aringer ein außergewöhnliches Fachwissen, das er sich autodidaktisch angeeignet hat. Doch er ist nicht nur ein anerkannter Hobbyarchäologe, sondern auch Restaurator. Seine Werkstatt am Geigerhof hat er mit Entsalzungsbad und Sandstrahlgerät ausgestattet. Stundenlang schaute er den Restauratoren der Archäologischen Staatssammlung über die Schulter. „Heute sind seine restaurierten Funde nicht mehr von denen der Profis zu unterscheiden“, würdigen von Schnurbein und Zanier sein Geschick.
Weil Aringer bei seinen Sondengängen von Wanderern oft gefragt wurde, was er da eigentlich mache, entschloss er sich, auf seinem Hof ein Fundmuseum einzurichten, um den Menschen die Geschichte der Heimat näherzubringen. Das Museum ist donnerstags von 18 bis 20 Uhr geöffnet oder nach Vereinbarung unter der 08052/2596. Erläuterungen von Wast Aringer sind immer inklusive.
Sachrang-Preis
für Engagement
Diesmal hatte er sein Museum auch an einem Sonntagnachmittag geöffnet. Und das aus einem besonderen Grund: Sebastian Aringer erhielt für sein Lebenswerk den mit 2000 Euro dotierten Preis der Sachrang-Stiftung „als Unterstützung für einen wunderbaren Archäologen“, wie es Dieter Höpfner vom Stiftungsvorstand formulierte.
Vorsitzende Monika Pfaffinger dankte Aringer dafür, dass er mit seinen Funden und dem Museum „den Blick in die Vergangenheit freigibt: auf die Lebensweise und Rituale unserer Vorfahren, auf den unermüdlichen Erfindergeist vieler Jahrhunderte“.
Bürgermeister Simon Frank dankte ihm für das wertvolle kulturhistorische Angebot in Höhenberg, für seine Geduld und Leidenschaft für die Schatzsuche. „Wast Aringer ist ein Vermittler zwischen Historie und Gegenwart, zwischen Sondengängern und Denkmalschutzbehörde, aber auch eine Schaltstelle zwischen Archäologen und Gemeinde“, beschreibt ihn Professor Dr. Natascha Mehler, Archäologin und Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins Aschau.
Sie traut ihm zu, dass er es sogar schafft, „Bauherren die Angst vor der Archäologie zu nehmen“, wenn sie beispielsweise den ehrenamtlichen Archäologen und Restaurator im Vorfeld ihrer Baumaßnahmen zur Schatzsuche einladen.