Rohrdorf/Laufen/Rosenheim – Immer wieder kommt es bei Waldarbeiten zu schweren Unfällen: Nach Informationen der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) verunglückten 2023 in Deutschlands Forstwirtschaft 4941 Personen, 36 davon tödlich. In Bayerns Forst gab es 2412 Unfälle mit 19 Todesopfern.
19 Tote in Bayern
im vergangenen Jahr
Erst Mitte Oktober ereignete sich wieder ein tragisches Unglück. Bei Waldarbeiten in Laufen (Berchtesgadener Land) zur Beseitigung von Käferholz kam ein 25-jähriger Mann aus der Gemeinde Rohrdorf ums Leben. Er wurde von einem gefällten Baumstamm getroffen und starb noch an der Unfallstelle an seinen schweren Verletzungen. Jetzt ermittelt die Kriminalpolizeiinspektion Traunstein den genauen Unfallhergang und seine Ursachen.
Doch wo lauern die Gefahren im Wald? „Der Holzeinschlag zählt zu den gefährlichsten und unfallträchtigsten Tätigkeiten überhaupt“, erläutert Forstdirektor Marius Benner, Bereichsleiter Forsten am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Rosenheim.
Wo die
Gefahren lauern
Allein schon das Werkzeug, die Motorsäge, sei gefährlich. Hinzu komme das Gefahrenpotenzial von Grünastabbrüchen bei gesunden oder Totholz bei geschädigten Bäumen, die sich schon bei leichter Erschütterung lösen und zu schweren Unfällen führen können. „Deshalb darf Holzarbeit niemals zur Routine werden, darf man sich nie selbst überschätzen und muss immer wichtige Sicherheitsvorkehrungen beachten“, so Benner. Das beginne bei der persönlichen Schutzausrüstung mit Schutzhelm, Gehör- und Gesichtsschutz, Schutzhandschuhen, Schnittschutzhosen und Sicherheitsschuhen. „In den Bayerischen Staatsforsten werden zusätzlich sogenannte Totmannschalter verwendet“, erläutert Benner. Das ist eine kleine Box, die am Körper getragen wird und ein Notsignal aussendet, wenn der Arbeiter stürzt oder sich in der Liegeposition befindet. „Damit wurden schon Leben gerettet.“
Wer im Holz arbeite, müsse genau wissen, was er tut, betont Benner. „Jeder Tote ist ein Toter zu viel. Man kann nicht genug Zeit und Energie in die Arbeitssicherheit investieren.“ Entscheidende Voraussetzungen seien daher Motorsägenkurse und regelmäßige Auffrischungslehrgänge für sichere Waldarbeit. „Wichtig ist auch, dass die Leute über eine Übungsschwelle hinauskommen“, betont Benner. Deshalb rät er privaten Waldbesitzern von kleineren Flächen, bei denen nur selten Holzarbeiten anfallen, sich professionelle Hilfe zu holen. Moderne Harvester, die Holz maschinell ernten und aufarbeiten, können nicht überall zum Einsatz kommen. Deshalb wird der manuelle Holzeinschlag immer erforderlich sein, vor allem bei geringem Holzanfall oder im unwegsamen Gelände.
Arbeitssicherheit
ist überlebenswichtig
„Die Basis für sicheres Arbeiten im Wald ist es, gut geschult und vorbereitet zu sein“, betont der Forstdirektor. Der erste Schritt: „Man muss sich Zeit nehmen, den zu fällenden Baum zu beurteilen. Hat er tote Äste in der Baumkrone? Weist er schon eine gewisse Neigung auf? Welche Fälltechnik muss gewählt werden? Muss ich mit Seilsicherung arbeiten?“ Ist das geklärt, legt der Forstarbeiter einen „Fluchtweg“ frei, die sogenannte Rückweiche. Schließlich wird der Fallkerb in den Stammfuß des Baumes geschnitten. Dieser entscheidet darüber, in welche Richtung der Baum fällt. „Dafür sind ein waagerechter Sohlenschnitt und ein Dachschnitt erforderlich. Schon Millimeter können die Fallrichtung beeinflussen“, erläutert der Experte. Erst jetzt kann der Baum gefällt werden, wieder in lebenswichtigen Sicherheitsschritten: „Zuerst muss geprüft werden: Wo ist mein zweiter Mann? Oder befinden sich im Umkreis des Baumes im Sicherheitsabstand der doppelten Baumlänge doch noch andere Personen, obwohl der Bereich abgesperrt wurde?“, so Benner. Auf der Rückseite des Baumes stehend setzt der Forstarbeiter den waagerechten Fällschnitt an. Er wird in Richtung des Fallkerbs nur bis zu einer wenige Zentimetern breiten Bruchleiste gesetzt, die den Baum beim Fall wie ein Scharnier führen soll. Zuletzt ertönt der Ruf „Achtung, Baum fällt“, bevor sich der Baum neigt und der Stamm nach dem Fall vollständig durchtrennt werden darf.
Handwerk und
hohe Konzentration
„Ein Arbeitsprozess, der handwerkliches Können und absolute Konzentration erfordert, um ein kontrolliertes Umfallen des Baumes zu ermöglichen“, erklärt Benner. Schon der kleinste Fehler könne zu schweren Unfällen führen. „Dann fällt der Baum in eine ungewollte Richtung oder er rutscht über den Stock nach hinten ab. Und befindet sich der Baum auf dem Weg zum Boden, hat man absolut keine Kontrolle mehr.“ Ein Baum sei per se immer gefährlich, sagt Benner. Doch während vom Borkenkäfer befallene Fichten oft noch einen stabilen Stand hätten, „sind Bäume mit Fäule oder Pilzbefall unberechenbar“. Deshalb sei für eine fachgerechte Fällung auch die richtige Fälltechnik entscheidend.
Ein lebensgefährlicher Fehler ist es, die Bäume zu unterschätzten: „Ein Festmeter Holz hat ein Gewicht von 600 bis 700 Kilogramm, eine durchschnittliche Fichte bringt es auf drei bis vier Tonnen“, erläutert der Forstdirektor. „Die Kraft, die durch Masse und Beschleunigung während des Umstürzens entsteht, ist gewaltig. Das überlebt keiner.“