Wasserburg – Martina Bogdahn ist Fotografin und lebt mit ihrer Familie in München. Ihre Erinnerungen an ihre Kindheit auf einem Einödhof auf dem fränkischen Land hat sie in „Mühlensommer“ zu Papier gebracht. Im April dieses Jahres erschienen, landete ihr Debütroman innerhalb weniger Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste. Vor allem Menschen, die auf dem Land in den 1970er- und 1980er-Jahren aufgewachsen sind, scheinen sich von ihren Erzählungen vom ungeschönten Landleben angesprochen zu fühlen, das sie mit vielen Sinneseindrücken schmückt: „Es wird Brot gebacken, Hopfen gepflückt, man kann es riechen, schmecken“, verrät die Autorin. Am morgigen Donnerstag kommt die Erfolgsautorin nach Wasserburg und liest in der Buchhandlung Herzog aus ihrem Roman. Auch ihre Gitarre bringt sie mit. Die Wasserburger Zeitung hat vorab mit Bogdahn gesprochen, um den Menschen hinter der Autorin kennenzulernen.
Sie sind Fotografin und seit diesem Frühjahr plötzlich Bestseller-Autorin – geplant?
Geplant habe ich das überhaupt nicht, weil ich immer noch nicht glauben kann, dass es wirklich funktioniert hat. Faktisch wurde das Buch ab Erscheinen sofort so gerne gekauft, dass es unter die 20 besten Romane gelandet ist. Das hat sicherlich auch mit der Marketingarbeit im Vorfeld zu tun und dass das Buch viele gute Besprechungen hatte.
Die Buchbranche bricht seit Jahren ein, Verlage schrumpfen, Eltern klagen über Kinder, die nicht lesen – und Sie schreiben einen 300-Seiten-Roman. Ist das nicht mutig?
Ich hatte keine Not, dieses Buch zu schreiben. Entstanden ist es aus einer Schnapsidee von einem sehr guten Freund. Also habe ich angefangen zu schreiben. Es gab kein richtiges Ziel, die Freude hat überwogen. Dass es plötzlich so groß geworden ist, ist das Sahnehäubchen obendrauf.
Hat es überhaupt eine Rolle gespielt für Sie, Erfolg haben zu wollen?
Ich wusste überhaupt nicht, ob ich schreiben kann. Dieser Freund sagte ja zu mir: „So, du schreibst jetzt mal ein Buch.“ Ich habe also eine Anekdote geschrieben, die er an den Verlag „Kiepenheuer & Witsch“ geschickt hat. Dieser meldete sich kurz darauf und sagte: ‚Wir wissen nicht, was es ist, aber es ist etwas ganz Besonderes, es spricht uns total an. Wir können dir keinen Vertrag geben, aber wir können dich ermutigen, weil wir glauben, dass das etwas werden könnte.‘ Auf dieser Basis ging es los.
Das Lob hat Sie also motiviert?
Ganz genau. Ich hatte den Text zwischenzeitlich an eine Literaturagentur in München geschickt, zum Vergleich. Die konnten damit überhaupt nichts anfangen. Das war eine harsche Kritik. Wenn das die erste Rückmeldung gewesen wäre, hätte ich es wahrscheinlich lieber bleiben lassen. Vor Autorinnen und Autoren, die diese Ablehnung erfahren und weitermachen, habe ich großen Respekt. Vielleicht ist meine Erfahrung aber auch ein Beispiel, dass eine Absage letztendlich nichts bedeuten muss.
Erzählen Sie ein wenig aus Ihrem Leben als Bestseller-Autorin: Wie ist es, auf Lesereise zu gehen?
Auf Lesereise zu gehen, liebe ich wirklich: Durch die Republik zu fahren, Menschen kennenzulernen, immer wieder neue Orte, das macht mir große Freude. Auf der anderen Seite fühlt es sich ein bisschen so an, wie in der geschlossenen Ortschaft mit Tempo 90 zu fahren, seit Wochen, und ich weiß genau: Irgendwann steht da ein Blitzer. Gerade bin ich dabei, meine zwei Leben als Fotografin und Mutter und dann als Autorin zu verbinden. Es ist alles ein bisschen mit der heißen Nadel gestrickt. Trotzdem überwiegt die große Freude über das, was passiert ist. Es kam genau richtig in meinem Leben.
Wie gehen Sie mit Ihrem plötzlichen Ruhm um?
Den Ruhm kann man tatsächlich genießen – eine Buchautorin erkennt niemand einfach so auf der Straße. Zu Lesungen kommt ein Publikum, das mir ausschließlich wohlgesonnen ist. Ich bereite dafür ein kleines Programm vor, damit es ein schöner, fröhlicher Abend werden kann: Ich binde das Publikum mit ein, habe meine Gitarre dabei und singe am Schluss noch etwas.
Wie geht es jetzt weiter? Wie bleibt man dran, am Erfolg?
Natürlich ist der große Wunsch da, noch mal ein Buch zu schreiben. Aber auch ein großes Fragezeichen: Wie kann so etwas, das mit so viel Leichtigkeit begonnen hat, noch mal passieren? Ich denke viel darüber nach und habe schon viele Ideen. Es kommt alles so, wie es kommen soll.
Klingt so, als hätten Sie richtig „Blut geleckt“ am Schreiben?
Total. Am meisten Freude bereitet es mir, wenn ich merke, wie viele Menschen ich erreiche. Wenn Leute mit Tränen in den Augen vor mir stehen und sagen: „Ich bin nicht an meine Kindheit erinnert, ich bin mitten in meiner Kindheit drin. Ich kann es riechen, schmecken, ich kann die Sachen sogar anfassen.“ Das ist für mich sehr berührend.
Interview: Regine Falk