Traunstein/Großkarolinenfeld – Eine Geldbombe mit 475000 Euro war am 5. Januar für die VR-Bank in Großkarolinenfeld bestimmt. Zwei vermummte Unbekannte überfielen jedoch morgens den auf der Straße geparkten Geldtransporter. Die Räuber verschwanden unerkannt.
Ein 29-jähriger Kolbermoorer und sein Vater (49) aus Rosenheim sollen bei dem Verbrechen auch eine Rolle gespielt haben – welche, das muss die neunte Strafkammer am Landgericht mit vorsitzender Richterin Barbara Miller im Prozess um gemeinschaftlichen schweren Raub und gefährliche Körperverletzung sowie zusätzlich Geldwäsche bei dem Vater klären.
Der jüngere Angeklagte sollte an jenem Morgen als „Läufer“ oder eigentlicher „Geldbote“ die hohe Summe in die Bank bringen. Ein 62-Jähriger aus Rosenheim sollte den blauen Transporter fahren. Aus bislang nicht geklärten Gründen tauschten die beiden offenbar auf Anregung des 29-Jährigen ihre Funktionen.
Der Mann am Steuer parkte zwar unmittelbar vor der VR-Bank, aber verkehrt herum. Somit zeigte die Seitentür nicht in Richtung Gebäude, sondern hin zur Fahrbahn. Gemäß Anklage von Oberstaatsanwalt Dirk Dombrowski befand sich zeitgleich ein weißer Kastenwagen Mercedes Vito auf der anderen Seite.
Diese Rolle spielten
die Angeklagten wohl
Die zwei Maskierten, bewaffnet mit einer Schreckschusspistole, stürmten über die Straße heran. Der 29-jährige Angeklagte entriegelte die Seitentür des Transporters, obwohl der Geldbehälter noch nicht vorschriftsmäßig mit einem sogenannten ETS-Sicherungsgerät verbunden war.
Als der 62-Jährige deshalb die Türe wieder von innen zuziehen wollte, rissen die Unbekannten sie wieder auf. Sie riefen „Überfall“ und schubsten den Zeugen in dem Transporter nach vorne. Einer der Männer schlug ihm die Waffe über den Kopf. Dann zog einer der Täter die Geldbombe an sich. Bei dem Gerangel erlitt der Zeuge Verletzungen an den Beinen und am Kopf.
In südlicher Richtung fuhr der Mercedes davon. Der 62-Jährige feuerte zwei Schüsse aus seiner Dienstwaffe ab. Glücklicherweise wurde jedoch niemand verletzt. Der 29-Jährige soll laut Anklage an der Tat aktiv beteiligt gewesen sein, sein Vater maßgeblich im Hintergrund mitgewirkt und zum Beispiel die Schreckschusswaffe zur Verfügung gestellt haben.
Zeuge monatelang
„fix und fertig“
Den 62-Jährigen mit Zeugenbeistand Harald Baumgärtl aus Rosenheim vernahm die neunte Strafkammer bereits einen ganzen Tag lang. Gegen den Mann hatte zunächst die Kripo wegen eines Waffendelikts ermittelt. Das Verfahren wurde zwischenzeitlich eingestellt. Die Verteidiger Andreas Müller und Benedikt Stehle aus München für den Sohn sowie André Miegel aus München und Tim Weller aus Düsseldorf für den Vater, haben komplette Akteneinsicht gefordert. Das Gericht entsprach dem Antrag an diesem Prozesstag.
Der damalige Geldbote war nach dem Geschehen monatelang außer Gefecht. Wörtlich meinte er: „Ich war fix und fertig.“ Eine Wunde sei nicht richtig verheilt. Er hatte längere Zeit Albträume, schlief schlecht und benötigte psychologische Hilfe, auch wegen Ängsten. Oberstaatsanwalt Dr. Robert Schnabl sprang gestern für seinen Kollegen Dirk Dombrowski ein. Ein Augenzeuge hatte Teile des Überfalls beobachtet. Der 69-Jährige aus Großkarolinenfeld war am Morgen auf dem Weg zu einem Schreibwarengeschäft in der Pfälzer Straße, um ein Paket aufzugeben.
Den geparkten Geldtransporter bemerkte er anfangs nicht. „Plötzlich schrillte die Alarmanlage, die Warnblinkanlage ging an“, erinnerte er sich. Er habe Schüsse gehört – woher, habe er nicht orten können. Zwei Vermummte „mit etwas in der Hand“ seien aus dem Transporter gesprungen und auf die andere Straßenseite gerannt. Deren Fahrzeug habe er nicht gesehen. Der Geldtransporter sei angefahren, habe gewendet und an dem Schreibwarenladen ein weiteres Mal umgedreht. Anschließend sei er noch ungefähr eine Minute vor der VR-Bank gestanden. Beschreiben konnte der 69-Jährige die Täter kaum. Er wusste nur noch: „Einer war größer als der andere. Sie waren dunkel-einfarbig vermummt. Mehr konnte ich nicht sehen. Sie waren zu weit weg.“
Kamera zeichnet
nicht auf
Die Prozessbeteiligten sahen sich zahlreiche Fotos an – von einer vergleichbaren Geldbombe, Aufnahmen vom Tatort, vom Fahrzeuginneren mit GPS-Gerät und Überwachungskamera, von Durchsuchungen der Polizei in Wohnungen und in der Firma des Vaters.
Im Büro fanden sich zum Beispiel 76 Geldnoten zu je 50 Euro und weitere tausende Euro Bargeld, auch im Tresor, dazu Waffen, zahlreiche Elektronikgeräte und Speichermedien.
Ein Servicemitarbeiter der Geldtransportfirma schilderte, er habe er Helikoptergeräusche gehört. Die Einsatzleitung habe ihn aufgefordert, das Überwachungsgerät für die Videokamera einschließlich der Speicherkarten aus dem Geldtransporter auszubauen und der Kripo Rosenheim zu übergeben. Das Gerät sei nur mit einer Deckplatte und vier Schrauben gesichert gewesen. Verwundert zeigte sich der Zeuge, dass die Kamera überhaupt nichts aufgezeichnet hatte. So etwas habe er vorher noch nie erlebt. Wurde bislang zunächst mit einem Urteil Ende November gerechnet, zeichnen sich bereits weitere Termine bis in den Januar 2025 hinein ab.