Raubling – Die Hochwasserschäden in der Gemeinde Raubling vom 3. Juni waren verheerend. Kein Wunder also, dass es in der jüngsten Bürgerversammlung vor allem darum ging, wie die Menschen endlich besser geschützt werden können.
„Egal, was wir planen: Dass wir die Wassermassen in den Griff bekommen, die Klimawandel und Starkregenereignisse mit sich bringen, können wir nicht garantieren.“ Bürgermeister Olaf Kalsperger machte auf der Bürgerversammlung in Nicklheim (6. November) deutlich, was jeder weiß und doch verdrängt: Einen 100-prozentigen Schutz vor Hochwasser gibt es nicht. Nur einen bestmöglichen, wenn Gemeinde, Grundstückseigentümer und private Hausbesitzer eng zusammenarbeiten.
Büro arbeitet
unter Hochdruck
„Das Hochwasserschutz- und Rückhaltekonzept ist die unterste Ebene der Planung“, betonte der Bürgermeister. Das Ingenieurbüro arbeite mit Hochdruck an dessen Fertigstellung. Doch Weichen für mehr Hochwasserschutz hat die Gemeinde auch ohne Konzept schon gestellt, in Absprache mit dem Wasserwirtschaftsamt und mit der Sorgfalt, dass sich durch die Maßnahmen nicht anderswo die Situation verschlechtert.
Ein Beispiel: der Litzldorfer Bach in Kleinholzhausen. „Hier muss die Feuerwehr bei Starkregen immer eine Sandsackbarriere errichten“, erläuterte Kalsperger. Deshalb soll dort nun eine stabile Betonwand entstehen. Die Verhandlungen mit dem Grundstücksbesitzer laufen. Auch durch die Absenkung des Gemeindegrundstückes im nördlichen Bereich des Litzldorfer Baches nach der Brücke könnte sich die Hochwassersituation in diesem Bereich entspannen.
Eine weitere Maßnahme: Auf der Gröb muss das Regenrückhaltebecken geräumt und saniert werden. Der Auftrag dafür wurde bereits vergeben.
Die wiedervernässten Moore sehen die Menschen in Nicklheim, Kirchdorf und Raubling nach wie vor als Ursache der extremen Überschwemmung an. Deshalb ist eine Hoffnung für ihren Hochwasserschutz, dass mehr Wasser im Moor zurückgehalten werden könnte. Ob diese Möglichkeit besteht, werde im Auftrag der Gemeinde jetzt ein Hydrologe prüfen, informierte der Bürgermeister. Doch parallel dazu ist schon ein eigenes Vorhaben geplant: Entlang des Waldes der Rohretfilze, einem nicht renaturierten Moor in Privatbesitz, soll ein Erdwall errichtet werden: direkt am Rohretweg, westlich der Straße.
Schutzwall entlang
der Rohretfilze
„Wir sind mit den Waldbauern im Gespräch“, informierte Kalsperger. Ziel ist es, einen Streifen entlang des Waldrandes für einen Wall zu gewinnen, der die Rohretsiedlung aus dem Westen schützt. Ein weiterer, natürlicher Wall soll durch die Auffüllung der Felder im südlichen Bereich der Siedlung erzeugt werden. Das könnte die Fließrichtung des Oberflächenwassers so positiv verändern, dass die Rohretsiedlung und möglicherweise sogar das Gewerbegebiet in Raubling besser geschützt wären.
Wie sich solche Erdwälle in Hochwassersituation bewähren, wurde im Juni am Beispiel des Kuckucksweges deutlich. Hier errichtete die Gemeinde in Abstimmung mit dem Grundbesitzer einen etwa 70 Zentimeter hohen Erdwall. Dieser schützte die Siedlung vor dem Wasser, das aus dem Moor über die Felder gen Raubling floss. Zugleich steht die Fläche der Landwirtschaft weiter zur Verfügung.
Auch für den Arzerbach gibt es Pläne. Hinter dem Netto-Markt schränkt eine Brücke den Abfluss des Baches ein. „Wir bemühen uns darum, dass die Leitungen für Dampf, Strom und Gas verlegt werden, damit die Brücke entfernt und so ein besserer Abfluss erreicht werden kann“, informierte Kalsperger. Zudem wurden am viel zu engen Durchlass auf Höhe der Rosenheimerstraße 44 – zwischen Redenfelden und Pfraundorf – eine Furt geschaffen und Bäume in der Böschung entfernt, um den Abfluss zu verbessern. Hier ist die Gemeinde selbst Grundstückseigentümer und konnte schnell handeln.
In Kirchdorf, dem vom Hochwasser am schwersten getroffenen Ortsteil der Gemeinde, wurde an der Neubeurer Straße ein Notüberlauf für den Regenwasserkanal Richtung Arzerwiese geschaffen. Ziel ist ein kontrollierter, gedrosselter Abfluss. Eine weitere mögliche Lösung wäre ein Rückhaltebecken am Schöpfwerk Arzerwiese. Dafür ist die Gemeinde in Gesprächen mit den Innkraftwerken.
Rückhalteflächen
vor der Autobahn
Um den Abfluss des Starkregens von Nicklheim in Richtung Feuerwehrhaus, Kapellenweg und Kirchdorf zu drosseln, müssen westlich der Autobahn Retentionsflächen für Litzldorfer Bach, Ammerbach, Oberen und Unteren Tännelbach geschaffen werden, um das Wasser dort zurückzustauen und die Ortschaften zu schützen. In Fuchsbichl soll zudem der Durchlass erneuert werden.
Bachräumungen und -verbauungen gehören zu den ständigen Aufgaben in der Gewässerunterhaltung einer Gemeinde – unabhängig von Unwettern. Dafür werden in Raubling durchschnittlich 100000 Euro gebraucht. In diesem Jahr wurden bereits 130000 Euro eingesetzt. Unter anderem für den Moosbach: Im Bereich des Pendlerparkplatzes in Pfraundorf wurde eine alte Brücke abgerissen und das Bachbett geräumt, um die Rückstaugefahr durch Verklausungen zu verringern.
Kritik war während des Unwetters auch wegen fehlender Pumpen und der vollgelaufenen Abwasserkanäle laut geworden. Die Gemeinde hat zwei neue Pumpen mit einer Leistung von 5000 Litern pro Minute angeschafft. Zudem wurden mit den Erfahrungen vom 3. Juni die Pumpstationen in Großholzhausen, Reischenhart, Pfraundorf und Kirchdorf gesichert sowie zusätzliche Notstromaggregate angeschafft. „Obwohl wir noch keine abgeschlossene Gefährdungsanalyse haben, machen wir uns täglich Gedanken über den Hochwasserschutz unserer Bürger“, betonte der Bürgermeister.
Er informierte auch über die Spendenverteilung: 35000 Euro waren eingegangen, 20000 Euro legte die Gemeinde dazu. Insgesamt konnte der Finanzausschuss des Gemeinderates 55000 Euro an Betroffene verteilen, gedeckelt auf höchstens 2000 Euro pro Kopf. „Aufgrund der enormen Schäden war es eher eine moralische Unterstützung“, bedauerte der Bürgermeister.
Die Angst vor
dem Moor bleibt
Die Nicklheimer verdeutlichten in der Bürgerversammlung ihr Problem: „Die Fuizn sind wie eine Schüssel“, beschrieb ein Anwohner. „Die ist schon voll. Und nach zwei Tagen Regen drückt uns das Grundwasser von unten in die Häuser.“ Wie sich der Moorwasserspiegel entwickelt, wird anhand von jährlichen Pegelmessungen überprüft. Beim Hochwasser im August 2020 war er um etwa 20 Zentimeter gestiegen, hatte sich danach aber wieder normalisiert. Trotzdem war im Moor immer noch genügend Puffer von etwa 20 bis 40 Zentimetern. Im September wurden die Pegel erneut ausgelesen, um das Verhalten des Moores vom Juni einschätzen zu können. Eine Auswertung ist noch nicht erfolgt.
Weitere Bürgerversammlungen finden statt am Mittwoch in der „Reischenharter Stub’n“ in Reischenhart, am Donnerstag im „Pfarrstadl“ in Großholzhausen und am 21. November beim „Huberwirt“ in Raubling. Sie beginnen jeweils um 19.30 Uhr.