Kündigung wegen Eigenbedarfs

von Redaktion

Bad Endorfer Tierschutzverein sucht dringend neues Zuhause – Droht nun das Aus?

Bad Endorf – Sie geben Tieren ein Zuhause, selbst haben sie bald aber keines mehr. Familie Kohoutek hat eine Kündigung wegen Eigenbedarfs bekommen. Nach 16 Jahren müssen sie den Hof, auf dem sie leben und ihren Tierschutzverein „Federn und Pfoten“ betreiben, verlassen. Wenn sich keine passende Bleibe findet, müssen die Tiere weg. Und die Zeit drängt.

Drei Generationen,
drei Hunde und Co.

„Bis Ende April müssen wir raus“, sagt Nicola Kohoutek. Sie, ihr Mann Georg, ihre 16-jährige Tochter Angelina und ihr 70-jähriger Vater leben auf dem alten Bauernhof zwischen Landing und Patersdorf – zusammen mit reichlich Federvieh, vier Brillenschafen und ihren drei Hündinnen Sunny aus Sri Lanka, Chili aus Rumänien und Tara aus Griechenland. Die Kater Apollo und Snoopy runden die Truppe ab.

Als sie vor etwa zehn Jahren begannen, heimatlose und verletzte Vögel sowie andere Tiere bei sich aufzunehmen, hätten sie nicht gedacht, dass dieser Tag mal kommen wird. Kurz vor Ostern dieses Jahres erhielten sie die Kündigung. Nun müssen sie den Hof, der zu ihrem Zuhause geworden ist, auf dem die Tochter aufgewachsen ist, verlassen. Finden sie keinen neuen Hof, würde das das Aus für den Tierschutzverein bedeuten.

Die Suche laufe „bescheiden“, erklärt Kohoutek. Über Anzeigen und in den sozialen Medien sucht die Familie seit Monaten – bislang ohne Erfolg. Einige wenige Angebote hätten sie erhalten. Ein Objekt sei stark sanierungsbedürftig, ohne Wasser, Heizung und Strom. Ein weiteres Objekt nur zeitlich begrenzt zu vermieten auf fünf Jahre. Ein kurzer Hoffnungsschimmer keimte auf, als sich der Besitzer einer Mühle mit Stallungen bei der Familie meldete. „Das wäre wirklich perfekt gewesen.“ Allerdings hätte sich der Besitzer dann anders entschieden. Generell gebe es nur wenige landwirtschaftliche Objekte zur Miete auf dem Markt. „Und wenn, dann zu teuer.“

In ihrer Not hatte Kohoutek sogar zahlreiche Bürgermeister angeschrieben. Von den 25 Gemeinden hätten ihr jedoch nur vier geantwortet.

Welche Rechte
Mieter haben

Die Anspannung wächst, je näher das Auszugsdatum rückt. Denn im Fall einer Eigenbedarfskündigung haben Mieter nur eingeschränkte Möglichkeiten, sich zu wehren.

Wie Rechtsanwalt Christoph Kremser, zu dessen Tätigkeitsbereichen unter anderem das Mietrecht, Arbeitsrecht und das allgemeine Zivilrecht zählen, auf Nachfrage erklärt, können Mietverhältnisse spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats gekündigt werden. Dies entspreche einer Kündigungsfrist von knapp drei Monaten. „Für den Vermieter verlängert sich die Kündigungsfrist nach fünf und acht Jahren seit der Überlassung des Wohnraums um jeweils drei weitere Monate, sodass sie dann knapp sechs beziehungsweise knapp neun Monate beträgt“, so Kremser. Heißt: Bei Mietverträgen, die jünger als fünf Jahre sind, beträgt die Kündigungsfrist also drei Monate, bei Mietverträgen, die zwischen fünf und acht Jahren bestehen, sechs Monate. Bei Mietverträgen, die vor acht Jahren oder länger geschlossen wurden, verlängert sich die Kündigungsfrist auf neun Monate. Und wenn der Mieter keine neue Bleibe findet? Dann könne der Vermieter eine Räumungsklage erheben, erläutert der Jurist. Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens werde dann geklärt, ob die Kündigung rechtmäßig ist, sprich, ob der Vermieter also tatsächlich einen vom Gesetz anerkannten Kündigungsgrund hat.

Muss bei Eigenbedarf
die Familie einziehen?

Kündigt ein Vermieter das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs, muss er nicht zwingend selbst einziehen, erläutert der Rechtsanwalt. Es reiche aus, wenn er die Wohnung für seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Staatliche Stellen, die im Nachhinein kontrollieren, ob der Vermieter oder seine Familienmitglieder tatsächlich selbst eingezogen sind, gebe es jedoch nicht.

Häufig bekommen gekündigte Mieter nach ihrem Auszug aber beispielsweise von ehemaligen Nachbarn mit, wer nach ihnen in die Wohnung eingezogen ist. „Handelt es sich dabei nicht um den Vermieter selbst oder eine vom Gesetz anerkannte Bedarfsperson, kann ein Fall von vorgetäuschtem Eigenbedarf vorliegen“, sagt Kremser. Dies hätte zur Folge, dass der Vermieter seinen ehemaligen Mietern Schadensersatz leisten und zum Beispiel die Umzugskosten oder auch den monatlichen Differenzmietbetrag erstatten müsste, falls die neue Wohnung der Mieter teurer sein sollte als die bisherige, erklärt er weiter.

Wie gut die Chancen für den Mieter vor Gericht stehen, ließe sich laut Kremser nicht pauschal beantworten, da es eine Einzelfallentscheidung ist. Mieter hätten jedoch in jedem Fall die Möglichkeit, bis zwei Monate vor Beendigung des Mietverhältnisse Widerspruch zu erheben, „wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für sie eine unzumutbare Härte bedeuten würde“.

Die Hoffnung
stirbt zuletzt

Diese liegt auch dann vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann. „Machen die Mieter von diesem Widerspruchsrecht Gebrauch und erhebt der Vermieter nach Ablauf der Kündigungsfrist trotzdem Räumungsklage, werden im Rahmen des Verfahrens die widerstreitenden Interessen der Parteien vom Gericht gegeneinander abgewogen“, so Rechtsanwalt Christoph Kremser.

Auch wenn Familie Kohoutek noch ein paar Monate Zeit bleiben. „Wir sitzen auf gepackten Koffern“, sagt Nicola Kohoutek. Ihre Tiere hat sie noch nicht vermittelt. Die Hoffnung, dass die Familie samt Verein und allen dazugehörigen Tieren doch noch eine Bleibe finden, ist noch nicht gänzlich gestorben. „Vor dem Frühjahr wollen wir uns darüber noch keine Gedanken machen.“

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