Aschau – Der Grenzübergang von Gränzing nach Sachrang ist frei. Trotzdem wird der Grenzverkehr ab und an von Zivilstreifen beobachtet: So auch am 22. April, gegen 1 Uhr. Im strömenden Regen passierte ein Pkw mit polnischem Kennzeichen den Grenzübergang. Den Beamten kam das Fahrzeug verdächtig vor. Sie nahmen die Verfolgung auf. Durch die Straßenbeleuchtung in Sachrang erkannten sie schließlich, dass sich im Kofferraum des Fahrzeuges zwei Personen befanden.
Verfolgungsjagd
bis nach Aschau
Der Verdacht, dass es sich um ein Schleuserfahrzeug handelt, erhärtete sich. Zumal der Pkw innerorts und ungeachtet des Regens gefährlich beschleunigte. Die Polizei machte sich mit Blaulicht erkennbar, doch erst nach einer Verfolgungsjagd gelang es an der Tankstelle „Boxenstop“ in Aschau, den flüchtenden Pkw zu stoppen. Bei der Kontrolle wurde klar: Im Fahrzeug befanden sich neben dem moldawischen Fahrzeugführer auch vier Syrer und ein Somalier – alle fünf illegal eingereist.
Nun landete der Fall vor dem Schöffengericht Rosenheim: Zu leugnen gab es aufgrund der Faktenlage nichts. Und so war der Schleuser auch über die Dolmetscherin und seine Verteidigerin Gabriele Sachse umfassend geständig.
Mehr noch, er erwies sich schon im Vorfeld bei den ermittelnden Bundespolizeibeamten als kooperativ und war bereit, die Identität der Hintermänner – soweit ihm bekannt – preiszugeben und nach Bildvorlagen zu identifizieren. Der 27-jährige Schleuser stellte seine persönlichen Verhältnisse dar: Demzufolge hatte er eine Kfz-Mechaniker-Ausbildung in Moldawien abgebrochen, um einer Frau in die Ukraine zu folgen. Dort lebte er wohl in der Illegalität als Bauhelfer. Wegen des Einmarsches der russischen Truppen verließ er schließlich die Ukraine, um ebenso illegal in Polen unterzukommen.
Auch dort verdingte er sich als schlecht bezahlter Bauarbeiter.
Dann ergab sich eine neue Verdienstchance: In einem Spielsalon sprach ihn ein Russe an und versprach ihm 500 Euro, wenn er einige Flüchtlinge aus Slowenien nach Deutschland brächte. Auch ein Pkw und ein Smartphone wurden auf seinen Namen gekauft, schließlich das notwendige Reisegeld übergeben. Die Identität des Vermittlers ist inzwischen bekannt. Seine Vergehen wurden durch die Aussagen des angeklagten Moldawiers beweisbar. Und auch eine Person in Deutschland, die den Angeklagten per Smartphone navigierte, konnte durch dessen Aussage ermittelt werden.
Diese Kooperation sei auch ein entlastendes Moment gewesen, wie der Staatsanwalt lobend vermerkte. Andererseits seien die Umstände der Schleusung in hohem Maße lebensgefährlich gewesen und mit fünf Geschleusten – darunter ein unbegleiteter Minderjähriger – sei eine hohe Kriminalität gegeben. Demnach sei eine Haftstrafe von drei Jahren unerlässlich.
Trotz Aufklärungshilfe 22 Monate Haft
Die Verteidigerin beklagte, dass die Staatsanwaltschaft den Umstand der Aufklärungshilfe zu wenig würdige. Darüber hinaus sei ihr Mandant noch nirgendwo vorbestraft und zudem seit sechs Monaten in U-Haft. Deshalb reiche eine Haftstrafe von 22 Monaten völlig aus. Angesichts der Aufklärungshilfe und des umfassenden Geständnisses sei auch eine Aussetzung zur Bewährung angebracht.
Das Schöffengericht unter dem Vorsitz von Richterin Isabella Hubert folgte teilweise den Argumenten der Verteidigung und hielt ein Strafmaß von 22 Monaten für ausreichend. Es verweigerte aber eine Aussetzung zur Bewährung. „Angesichts der gegebenen Umstände in der Migrations-Problematik würde es in der Bevölkerung niemand verstehen, wenn Schleusungsvergehen mit Bewährungsstrafen geahndet würden. Der Angeklagte wird seine Strafe absitzen müssen.“