Der mit der Kettensäge lehrt

von Redaktion

Feuerwehr-Ausbilder Franz Reiter übergibt an seinen Nachfolger

Bad Feilnbach – Es ist ein frostiger Wintermorgen. Auf dem Betriebsgelände der Schafwollspinnerei in Litzldorf herrscht geschäftiges Treiben. Motorsägen laufen auf Hochtouren, Rauchschwaden ziehen in den klaren Himmel, während Holzspäne durch die kalte Luft fliegen. Zehn junge Feuerwehrleute stehen konzentriert an Baumstämmen, ihre Blicke fokussiert, angeleitet von ihren Ausbildern. Es ist der Abschlusstag des Lehrgangs „Führer einer Motorkettensäge“.

Die Zusatzausbildung sorgt dafür, dass die Einsatzkräfte im Ernstfall ihr Werkzeug sicher beherrschen. Mittendrin steht Franz Reiter, der Mann, der diese Ausbildung vor zehn Jahren ins Leben gerufen hat. Für ihn ist dieser Tag ein besonderer: Es ist sein letzter als Ausbildungsleiter.

Bewusstsein für
Gefahren schärfen

Seit einem Jahrzehnt vermittelt Reiter, selbst langjähriger Feuerwehrmann und von Beruf Zimmerer, zusammen mit seinem Ausbilder-Team den Feuerwehrleuten nicht nur den sicheren Umgang mit der Motorsäge, sondern auch das Bewusstsein für die Gefahren und Grenzen ihres Einsatzes.

„Nicht jeder umgestürzte Baum ist ein Fall für die Feuerwehr“, betont der 64-Jährige. „Die Berufsgenossenschaft untersagt Arbeiten bei Dunkelheit oder starkem Sturm, weil es zu gefährlich ist. Warum sollten wir Ehrenamtliche uns in Gefahr bringen, wenn eine Straße nur halbseitig gesperrt ist?“ Diese klare Linie prägt seinen Lehrstil: Sicherheit geht immer vor.

Die Feuerwehrleute, die heute an seinem Kurs teilnehmen, haben bereits zwei Theorieabende hinter sich. Nun, am praktischen Übungstag, müssen sie das Gelernte anwenden: Bäume fällen, Spannungen in Stämmen erkennen und gezielt entschärfen. Unter den wachsamen Augen der Ausbilder wird jede Bewegung analysiert. Ein unsicherer Griff oder ein falscher Schnitt – nichts entgeht ihnen. „Ein sicherer Umgang mit der Motorsäge kann Leben retten“, sagt Franz Reiter und wirft einen zufriedenen Blick auf seine Schützlinge.

Nach dem Kontrollieren der schriftlichen Prüfung nimmt sich Franz Reiter nochmal einzelne Kameraden zur Seite und befragt sie zu den Themen, die sie im Theorieteil nicht korrekt beantwortet haben. „Wichtig ist mir, dass sie alles verstanden haben und praktisch anwenden können“, sagt Franz Reiter.

Das Ausbildungskonzept, das Reiter gemeinsam mit seinem Team entwickelt hat, dürfte bayernweit einmalig sein. Neben den Theorieeinheiten und den praktischen Übungen gibt es am Praxistag einen „Spannungssimulator“ – ein Anhänger, der Baumstämme unter Spannung setzt, um realistische Einsatzszenarien zu simulieren. Mithilfe seines damaligen Nachbarn, dem ehemaligen Landrat Wolfgang Berthaler, konnte die Anschaffung für den Kreisfeuerwehrverband zügig realisiert werden.

Rund 800 Personen
bei den Schulungen

Über die Jahre kamen Schutzkleidung, weitere Motorsägen und ein zweiter Anhänger für die Ausrüstung hinzu. Bis heute haben rund 800 Feuerwehrleute diese Ausbildung durchlaufen. Kreisbrandrat Richard Schrank lobt das Konzept: „Der Landkreis Rosenheim nimmt damit im Freistaat eine Vorreiterrolle ein.“

Am Nachmittag, nachdem die letzten Baumstämme zerlegt und die Motorsägen verstummt sind, versammeln sich Familie, Freunde und Wegbegleiter zu einem kleinen Abschiedsfest für Franz Reiter. In einer kurzen Ansprache lässt er die vergangenen zehn Jahre Revue passieren, dankt seinem Team und verabschiedet sich offiziell aus seinem Amt als Ausbildungsleiter. Doch eine Überraschung bleibt ihm noch.

Kreisbrandrat Schrank ergreift das Wort und holt eine Urkunde hervor. Unter Applaus verliest er die Worte: „In Anerkennung und Würdigung hervorragender Leistungen auf dem Gebiet des Feuerwehrwesens.“ Mit diesen Worten überreicht er Franz Reiter das Bayerische Feuerwehr-Ehrenkreuz in Silber. Sichtlich gerührt nimmt Reiter die Auszeichnung entgegen, die sein Engagement krönt. Das Amt des Ausbildungsleiters übergibt er nun an Andreas Rappel.

Er bleibt der
Feuerwehr verbunden

Doch Reiter bleibt der Feuerwehr verbunden – als Kamerad, Mentor und Vorbild. Gegen Ende des Jahres geht Reiter in Rente. Mit diesem Eintritt in den letzten Lebensabschnitt, wie Franz Reiter es selbst beschrieb, übergibt er seine Aufgaben an seinen Nachfolger. Zu den Gründen äußert sich Reiter mit einem leichten Lächeln auf den Lippen: „Mein Schwiegervater sagte immer: wenn‘s am scheensten is‘“.

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