„Wir erleben Wundervolles“

von Redaktion

Die Klinik Sonnenbichl ist ein Refugium für Mütter, die Unvorstellbares leisten. Und sie ist ein außergewöhnlicher Ort, an dem Menschen seit vielen Jahren aus Nächstenliebe wahre Wunder bewirken. Sie geben Müttern die Stärke, hoffnungslosen Situationen zu entfliehen und einen Neuanfang zu wagen.

Aschau – Menschenkinder brauchen Mütter. Ohne sie gäbe es kein Leben, keine bedingungslose Liebe. Und so ist jede Mutter zwar auch eine Maria, aber eben keine Heilige, die Wunder vollbringen kann. „Doch auch im Jahr 2024 sind die Erwartungen an Mütter noch sehr hoch. Und sie leisten Unvorstellbares, betreuen die Kinder, managen den Haushalt, gehen arbeiten und übernehmen oft auch noch die Pflege von Angehörigen“, sagt Simone Schlenke, die stellvertretende Leiterin der Mutter-Kind-Klinik Sonnenbichl in Aschau: „Und das oft bis zur Erschöpfung, ohne Rücksicht auf ihre eigene Gesundheit.“ Kein Wunder also, dass der Bedarf an Mutter-Kind-Kuren riesig ist. Die Wartezeiten liegen bei einem Jahr. Auch die Klinik in Aschau ist viele Monate im Voraus ausgebucht. Schon jetzt bis November 2025.

Ein Ort zum „Obakemma“

Den meisten Aschauern bleibt verborgen, was sich oben auf dem sonnigen Hügel (Bichl) „abspielt“. An einem Ort, an dem der „Boarische Entschleunigungsweg“ vorbeiführt und zum „Obakemma“ einlädt. Ob die rund 600 Mütter und 1000 Kinder, die pro Jahr aus ganz Deutschland an den Sonnenbichl kommen, verstehen, was „Obakemma“ bedeutet, sei mal dahingestellt. Spüren können sie es aber auf jeden Fall.

Wenn sie in der Klinik für Prävention und Rehabilitation für Mütter und Kinder ankommen, sind sie am Ende ihrer Kräfte. „Weil die Mehrfachbelastung der Mütter zu psychosomatischen Erkrankungen, Erschöpfung, Angststörungen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen kann“, erklärt Schlenke. Wenn sie wieder nach Hause fahren, haben sie ihre Krone gerichtet. „Dann haben sie eine neue innere Stärke erlangt, die in einer aufrechten Körperhaltung und einem glücklichen Gesicht sichtbar wird und für uns die Bestätigung ist, dass ihnen die Zeit bei uns gutgetan hat“, sagt die stellvertretende Leiterin der Klinik. Am Aschauer Sonnenbichl öffnen 78 Mitarbeiter – darunter fünf Männer – ihre „Herberge“, damit Mütter aus ihrem Hamsterrad entfliehen und auftanken können. „Hier stehen sie im Fokus“, erklärt Schlenke. „Wir schnüren ihnen ein Rundum-Sorglos-Paket, kümmern uns um die Kinder, kaufen ein, kochen, decken den Tisch und machen sauber.“

Trotzdem sind drei Wochen Kur eine kurze Zeit, um ein Familienleben zu analysieren, die Konfliktpunkte zu finden und den Müttern ausreichend Kraft zu geben, um ihren Alltag neu zu strukturieren und sich nicht wieder selbst aus den Augen zu verlieren. „Es ist ein intensiver Prozess, aber wir bringen sie auf einen guten Weg“, so die Erfahrung der Diplompädagogin Schlenke.

Die Natur hilft auf mystische Weise mit. Die Berge erden den Menschen, ermöglichen einen Perspektivwechsel. Der Ausblick auf die Kampenwand mit ihren verschneiten Weiden und den angezuckerten Bäumen beruhigt die Seele. In dieser natürlichen Gelassenheit können die Mütter innehalten und loslassen, um sich selbst und ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen. Beispielsweise bei einem Gespräch mit einer Ärztin oder Psychologin. „Wir haben hier noch Zeit für unsere Patientinnen und ihre Kinder“, ist Allgemeinärztin Nina Peisker dankbar für einen Job, der genau so ist, wie sie es sich zu Studienzeiten erträumt hat.

Während die Mütter ihre Kleinen im Kinder- und Jugendtreff der Klinik in guten Händen wissen, kommen sie bei Krankengymnastik, Rückenschule, Nordic Walking oder Aqua-Fitness in Bewegung und zurück ins eigene Körpergefühl. Dann geht es in die Tiefe. „In Gruppen, die sich beispielsweise mit Erziehung, Achtsamkeit, Stressbewältigung und Glück beschäftigen. Und in denen die Mütter spüren, dass sie nicht allein sind mit ihren Sorgen“, so Schlenke.

Vielseitiges
Freizeitprogramm

Ab 14 Uhr können die Mütter mit ihren Kindern aus vielseitigen Freizeitangeboten wählen. Allein Aschau und seine herrliche Landschaft bieten schier unerschöpfliche Möglichkeiten. In Zusammenarbeit mit der Tourist-Info werden Sonderführungen auf Schloss Hohenaschau organisiert. In der Klinik gibt es einen großen Garten mit Bolz- und Spielplätzen, eine Mutter-Kind-Lehrküche, Kreativangebote, Schwimmbad, Sauna und sogar Gute-Nacht-Geschichten für Kinder. Und es gibt 78 Menschen aus Aschau und der Umgebung, die die Mütter und ihre Kinder liebevoll begleiten. „Keiner, der hier arbeitet, macht nur einen Job“, weiß Simone Schlenke. „Alle sind aus tiefster innerer Überzeugung hier.“

So auch das Team von Hauswirtschaftschefin Sabine Nikels. „Mit so einer Chefin und solchen Kollegen macht das Arbeiten einfach Spaß“, sagt Marianne Strehhuber, die schon seit 23 Jahren am Sonnenbichl das Essen zubereitet. „Wir denken unsere Klinik nicht in Abteilungen, sondern als unser Haus“, beschreibt Krankenschwester Julia Chepp das Miteinander. „Und das Spannende ist, dass wir alle drei Wochen neu starten, neue Menschen kennenlernen, intensiv mit ihnen arbeiten und sie auf einen guten Weg bringen“, schwärmt Sandra Zinkl von ihrer Arbeit im Kinder- und Jugendtreff.

„Anderen zu helfen, ist eine sinnvolle und erfüllende Aufgabe“, definiert Agnes Böck ihr Glücksgefühl am Sonnenbichl. „Und es wird nie langweilig“, resümiert Rosi Kurz mit Blick auf ihre 26 Jahre in der Klinik und freut sich, dass sie den jungen Frauen nicht nur als Physiotherapeutin, sondern auch als Mutter und Großmutter helfen kann. Martina Richter wiederum gibt ihre Erfahrungen als Köchin weiter – und das schon seit 35 Jahren: „Für mich ist es das Schönste, wenn es den Müttern und Kindern schmeckt, und sie nach einem Rezept fragen, um es zu Hause auszuprobieren.“

Die Klinik Sonnenbichl ist das Lebenswerk vieler Menschen. Den Grundstein dafür legte eine starke Frau: Gertrud Stahmer, die mit zwei Kindern und einem kriegsversehrten Mann nach Aschau kam. Sie gründete die Stahmer-Schulen, baute das Haus am Sonnenbichl und übergab es 1988 mitsamt dem Grundstück der evangelisch-lutherischen Landeskirche Bayern. Mit dem Vermächtnis, Müttern und Kindern Kraft und eine neue Lebensperspektive zu schenken. Vor 35 Jahren – am 10. Oktober 1989 – fand die erste Mutter-Kind-Kur in Aschau statt. „Seitdem ist die Klinik eine heilsame Oase. Zum Krafttanken und Genesen. Ein Ort der Fürsorge, an dem alles seinen Platz haben darf“, würdigt Dr. Dorothea Deneke-Stoll die Arbeit am Sonnenbichl. Sie ist Kuratoriumsvorsitzende des FrauenWerk Stein als Träger der Klinik.

Es gibt nur wenige, die Gertrud Stahmer noch kennengelernt haben. Christa Reiter beispielsweise, die schon Schülerin bei Gertrud Stahmer war, den Bau des Hauses am Sonnenbichl begleitete und dort bis zu ihrer Rente Mütter und Kinder liebevoll versorgte. Oder ihr Mann Bernt, der 20 Jahre als Hausmeister voller Hingabe das „Mädchen für alles“ war. Auch Stefan Kiedrowski, „der Mann mit den magischen Händen“, wie der Leiter der Physiotherapie im Haus Sonnenbichl von seinen Kollegen genannt wird. Oder Martina Richter und Sabine Nikels, die gute Seele des Hauses.

Ein gutes
Gefühl

„Es ist ein gutes Gefühl, dass Aschau ein Hafen für Mütter und Kinder in schwierigen Situationen ist“, würdigt Bürgermeister Simon Frank die Einrichtung. Seit 35 Jahren finden pro Jahr etwa 17 Kuren statt. Auch in der Weihnachtszeit. „Am 18. Dezember sind 37 Mütter mit ihren Kindern nach Hause gefahren, am 26. Dezember erwarten wir unsere nächsten Gäste“, informiert Simone Schlenke. Und so waren es über die Jahre schon Zigtausende Mütter und Kinder, die in Aschau Kraft tanken und die Inspiration für ein neues Leben mit nach Hause nehmen konnten. Doch sie haben auch etwas zurückgelassen: „Die vielen Gespräche mit den Müttern und Kindern bereichern uns und schärfen unseren Blick“, sagt Sandra Zinkl, die „in keinem anderen Job als Erzieherin so viele Erfahrungen gesammelt hat“ wie an der Klinik Sonnenbichl. „Wir erleben Wundervolles und Spektakuläres“, sagt Strehhuber. Und das nicht nur an Weihnachten.

Deutschlandweit etwa 174000 Mutter-Kind-Kuren pro Jahr

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