Raubling – Das Ende der Kreidezeit wurde bekanntlich durch einen Meteoriteneinschlag herbeigeführt. Ähnlich mögen sich manche Lehrkräfte fühlen, wenn sie nach dem Abbau der bisher gewohnten Schultafeln und der Umstellung auf Smartscreens ins Klassenzimmer kommen. Häufig wurde bisher auch heute noch der Unterricht mit Kreide und grüner Wandtafel bestritten.
Im Landkreis Rosenheim endet jedoch die Zeit der grünen Tafeln in den nächsten Monaten. Hintergrund ist die Anschaffung eines hochmodernen digitalen Bildungssystems mit smarten Tafeln, Visualizern und höhenverstellbaren Schreibtischen für die Schulen. Für 21 Millionen Euro hat der Landkreis bereits Aufträge vergeben, die sowohl die Beschaffung der Hardware als auch die Einführung und in begrenztem Rahmen auch den anschließenden Support vergeben. Der Landkreis profitiert dabei auch vom Förderprogramm „Digitalpakt Schule“ des Bundes.
Seit sieben Jahren
Tabletklassen
Als eine der ersten Schulen im Landkreis hat das Inntal-Gymnasium Raubling von diesem Digitalpakt profitiert. Bereits 2018 hat die Schule ein Medienkonzept erstellt und erhielt damit Zuschüsse für Schüler-Tablets. Grundlage des Konzepts war bereits vor sieben Jahren der erste Test mit der Einrichtung von Tabletklassen ab der achten Jahrgangsstufe, für die sich Schüler freiwillig entscheiden konnten. Mittlerweile nutzen fast alle Schüler ab der achten Jahrgangsstufe eigene Tablets, um als Unterrichtsmethode Podcasts oder Videos selbst zu produzieren. „Inverted Classrooms“ ermöglichen es, besser auf die individuelle Lernweise der Schüler einzugehen.
Dass dieses Thema auch zu kontroversen Diskussionen über Schaden und Nutzen der digitalen Endgeräte – sowohl aus Sicht der Lehrer als auch aus Sicht der Eltern – führt, ist der Sache wohl eher dienlich. Immerhin muss man dabei beachten, dass dieses Thema im deutschen Schulsystem ein komplettes Neuland ist. Auch technisch waren einige Hürden zu nehmen. Allein ein zuverlässiges W-LAN zu schaffen war nicht einfach, aber nur damit ist die durchgängige Nutzung der Tablets möglich.
Damit das Konzept sinnvoll abgerundet werden kann, erhalten jetzt die 22 Schulen des Landkreises allesamt neue Medientechnik, allerdings in unterschiedlichem Umfang. Bei manchen ist „noch gut erhaltene Medientechnik verbaut“, so das Landratsamt, andere erhalten das Gesamtpaket, welches die neue Steuerungstechnik mit den digitalen Displays und dazu analoge Whiteboards enthält.
„Vor allem dieser letzte Schritt war ein Mammutprojekt“, beschreibt der kommissarische Schulleiter des Inntal-Gymnasiums, Oberstudiendirektor Erich Menacher, den Ablauf. „Grundsätzlich waren bei uns viele Teile unserer Ausstattung bunt gemischt und teilweise am Ende ihres Lebenszyklus. Natürlich blutet uns, als zertifizierter Klimaschule, das Herz, wenn die analogen Schultafeln ausgebaut werden, aber das neue Konzept ist deutlich energiesparender als unsere bisherige Beamerlösung, speziell wenn man auch noch die Lebensdauer in Betracht zieht.“
So fiel dem Komitee die Entscheidung nicht schwer, die Chance für eine einheitliche Ausstattung zu ergreifen. Ein Betrieb, der beide Systeme kombiniert, ist leider nicht möglich, da die Garantie für die Smarte Tafel erlöschen würde, wäre noch eine Kreidetafel im Raum.
Menacher betont, die Entscheidung für diese Lösung sei explizit von einem Gremium, in dem alle Fachschaften und auch alle Altersgruppen vertreten gewesen seien, gefällt worden. „Da ist einiges zu stemmen, und das im laufenden Betrieb! In jedem Klassenzimmer wurde die alte Ausstattung demontiert und dann wenige Tage darauf die neue Medientechnik installiert. Wir mussten organisieren, dass die Klassenzimmer in dem Zeitraum frei sind, und das, obwohl bei uns die absolute Platznot herrscht. Das alleine war schon eine logistische Meisterleistung.“
Zusätzlich haben quasi nebenbei alle Lehrkräfte zumindest eine Grundschulung bekommen, denn eine Übergangsfrist habe es bei diesem Projekt nicht gegeben.
Chancen und
Herausforderungen
Die Chancen, aber auch die Herausforderungen sind riesig. Multimediale Inhalte wie Videos, Animationen und Simulationen können besser eingebunden werden, um damit den Unterricht anschaulicher zu machen. Gleichzeitig können solche Inhalte auch von Schülern erstellt und dargestellt werden, denn Kreativität und Interaktion wirken besonders lernfördernd.
Der Schulleiter unterstreicht: „Wir müssen natürlich auch darauf achten, dass Grundfertigkeiten, wie beispielsweise das handschriftliche Schreiben, weiterhin geübt werden, denn diese sind für die persönliche Entwicklung der Schüler ebenfalls sehr wichtig.“
Menacher betont, dass durch die neuen Medien in der Schule sich unterschiedliche Arbeitsweisen vernetzen und neue Methoden einsetzen ließen. „Die Entwicklung und Umsetzung neuer Konzepte werden bei Fächern und Lehrkräften individuell unterschiedlich sein, doch das sollten wir als Vorteil betrachten, denn nur so kann sich eine Vielfalt an Ideen entfalten und zu einer guten Strategie werden.“ Das Ziel der Bemühungen sei klar: „Wir müssen die Bildung unserer Schüler zukunftsfähig machen.“