Aschau/ Frasdorf – Ein neues Gesundheits- und Pflegenetzwerk fürs Priental kann im neuen Jahr aufgebaut werden. Das Bayerische Gesundheitsministerium hat den Antrag der Gemeinden Aschau im Chiemgau und Frasdorf auf eine Förderung in Höhe von circa 393000 Euro aus dem Programm „Gute Pflege. Daheim in Bayern“ positiv beschieden.
80 Prozent
bleiben dahoam
„Kommunen und Landkreise müssen sich auf die Herausforderungen der Zukunft einstellen können“, erklärt die Bayerische Gesundheits- und Pflegeministerin Judith Gerlach, denn: „Rund 80 Prozent der Pflegebedürftigen werden zu Hause betreut und versorgt.“ Deshalb stelle der Freistaat Bayern im Rahmen des Förderprogramms „Gute Pflege. Daheim in Bayern“ jährlich 20 Millionen Euro zur Verfügung.
„Mit dem Geld wollen wir die Kommunen dabei unterstützen, den Bürgern eine pflegerische Versorgung im vertrauten Umfeld dauerhaft zu ermöglichen und passgenaue Angebote für die individuelle Situation vor Ort zu entwickeln. Die Betroffenen sollen ihre Eigenständigkeit bewahren und weiterhin am sozialen Leben teilnehmen können.“
Freude über
Finanzspritze
Genau das hat Elmar Stegmeier, der Initiator des Gesundheits- und Pflegenetzwerkes Priental, geplant. Entsprechend groß ist seine Freude über die finanzielle Unterstützung. Stegmeier ist Versorgungsforscher und Inhaber eines Instituts für Soziale Wirkungsanalysen im Gesundheitswesen. Ehrenamtlich engagiert er sich als Vereinsvorsitzender des Ökumenischen Sozialdienstes Priental und Sprecher der Fachgruppe Patientenlotsen der Deutschen Gesellschaft für Care und Case Management (DGCC).
Er hat das Konzept des Gesundheits- und Pflegenetzwerkes Priental entwickelt. Dieses umfasst das Koordinierungsbüro Gesundheit als neutrale Netzwerkstelle mit unabhängigen Gemeindeschwestern, einer Patientenlotsin und einer Community Health Nurse. „Jeder hat seine spezifische Aufgabe im Netzwerk. Keiner unterliegt Marktinteressen. Alle sind ausschließlich dem Patienten oder der Hilfe suchenden Person verpflichtet“, erläutert Stegmeier. Das Netzwerk stehe allen Beteiligten des Gesundheits-, Pflege- und Sozialwesens im Priental offen, unabhängig davon, ob sie professionell oder ehrenamtlich tätig sind. „Das Koordinierungsbüro Gesundheit organisiert das Netzwerk. Gleichzeitig ist es Träger der Gemeindeschwestern, der Patientenlotsin und der Community Health Nurse sowie Koordinierungsstelle für Menschen in schwierigen Lebens- und Versorgungssituationen“, erklärt Elmar Stegmeier. Die Gemeindeschwestern besuchen die Betroffenen und deren Familien zu Hause. Der Besuch kann präventiv erfolgen oder zur Unterstützung bei individuellen Hilfe- oder Versorgungssituationen. Die Beratung reicht von pflegepräventiven, gesundheitsfördernden und häuslichen Unterstützungsangeboten bis hin zu Teilhabeangeboten wie Seniorentreffs, Kursen oder Bewegungsangeboten.
Befindet sich der Betroffene in einer besonders schwierigen Situation, einer sogenannten komplexen Lebens- und Versorgungssituation, dann übernimmt die Patientenlotsin. In einem sogenannten „Case Management“ erhebt sie den individuellen Bedarf und stellt gemeinsam mit dem Patienten und seinen Angehörigen einen Hilfeplan auf. Ziel ist es, die komplexe, oft überfordernde Situation zu lösen, sodass die weiterführende Begleitung wieder durch die Gemeindeschwester erfolgen kann. „Aufgabe der Community Health Nurse ist eine übergeordnete Gemeindearbeit und die Aufklärung der Bürger“, erläutert Stegmeier. Sie organisiert Vorträge und Aktionen rund um das Thema Gesundheit, Prävention und Pflege. Damit unterstützt sie die Gemeindeschwestern, aber auch die Ehrenamtsarbeit in den Gemeinden Aschau im Chiemgau und Frasdorf. Sie analysiert die Bedarfs- und Angebotssituation und wertet diese aus. „Leider gibt es dafür noch keine deutsche Bezeichnung“, so Anna Jell-Hochwarter, die gerade ihr Studium zur Community Health Nurse abschließt. „Die Community Health Nurse erfüllt im Kern eine kommunale Gesundheitspflege“.
Nach Vorbereitungen und auch Personalsuche für das Gesundheits- und Pflegenetzwerk soll das Netzwerk am 1. März 2025 seine Tätigkeit aufnehmen und dann allen Bürgern des Prientals zur Verfügung stehen, kündigt Elmar Stegmeier an. „Unser großes Ziel ist es, dass wir eine lebendige Sorgegemeinschaft etablieren können, in der hilfebedürftige Menschen aufgefangen werden und alle Beteiligten zusammenarbeiten. Damit werden auch die Leistungserbringer, das sind unter anderem die Hausärzte, Therapeuten, Pflegedienstleister, Apotheken ebenso gestärkt, wie die Patienten selbst und deren Angehörigen“. Das Projekt habe aber auch einen weiteren Fokus, so Stegmeier: Es mache die Komplexität und die sektoralen Brüche des Gesundheitssystems, die Trennung in Gesundheits- und Pflegekassen sowie die belastende Einteilung in unterschiedliche Sozialgesetzbücher für die Menschen „unsichtbar und unschädlich“.
Ebenen besser
vernetzen
Durch den demografischen Wandel steigt die Anzahl von hilfs- und pflegebedürftigen Menschen in den kommenden Jahren enorm. Gleichzeitig sind durch eine perspektivische Bündelung im Klinikbereich neue kommunale und regionale Strukturen im ambulanten Bereich nötig. Daher haben die Gemeinderäte von Aschau und Frasdorf dem Vorhaben einstimmig zugestimmt. Bürgermeister Simon Frank und Daniel Mair betonen: „Unsere politischen Gemeinden sind Teil der Sorgegemeinschaft und wollen unsere Rolle als Initiator und Motivator für bessere Strukturen und eine zukunftssichere Versorgung im Sinne unserer Bürgern wahrnehmen“.
Zu diesem einzigartigen Projekt gratulierte auch Bernhard Seidenath den Gemeinden. Er ist CSU-Landtagsabgeordneter und Vorsitzender des Landtagsausschusses für Gesundheit, Pflege und Prävention. Erst im September hatte die CSU-Landtagsfraktion ein Zwölf-Punkte-Papier zur „Pflege-Revolution für die Pflege der Zukunft“ verabschiedet, in dem flächendeckend unabhängige Pflegelotsen für alle Pflegebedürftigen vor Ort gefordert werden. Ziel sei es, so Seidenath, die verschiedenen Ebenen in der Pflegeberatung besser zu vernetzen und auch die Qualifikation des Medizinischen Dienstes einzubinden. „Das Konzept im Priental geht sogar noch darüber hinaus, indem eine bürgernahe Vor-Ort-Struktur entwickelt wird. Es ist ein Modellprojekt für ganz Bayern und für ganz Deutschland.“