Aschau – 8784 Stunden zählte das Jahr 2024. Weitaus mehr Stunden als ein Jahr zur Verfügung hat, waren die Menschen in Aschau und Sachrang freiwillig für ihre Gemeinde auf Achse. Warum ein Leben ohne Ehrenamtler nicht denkbar wäre, es weder Retter noch soziale Angebote, Spaß, Sport oder Kultur gäbe.
Es ist selten, dass Helfer sich selbst feiern. Doch im vergangenen Jahr war die einstige Orangerie des Schlosses Hohenaschau erstmals auch Podium fürs
Ehrenamt. Denn der Trachtenverein D‘Griabinga sagte Danke: Für ein bäriges Gaufest in Hohenaschau, das auf die gesamte Region ausstrahlte und Tausende Gäste ins Priental lockte.
Zusammenhalt der
Ortsgemeinschaft
„Der Zusammenhalt der gesamten Ortsgemeinschaft hat mich fasziniert“, dankte Festleiter Rudi Angermaier allen, die mitgeholfen haben – Trachtlern und Nicht-Trachtlern, Einheimischen und Neubürgern. „Ob bei Zeltauf- und -abbau, Dekoration, Girlandenbinden oder Triumphbogenstecken, ob im Programm, bei der Bewirtung, im Barbetrieb, bei Zeltwache, Einlass, Sicherheit oder Sauberkeit – überall packten unzählige Helfer mit an“, freut sich Vorsitzender Claus Reiter.
Das unglaubliche ehrenamtliche Engagement, das dieses Fest ermöglichte, lässt sich in Zahlen nicht ausdrücken. Denn wer schaut schon auf die Uhr, wenn er sich engagiert. Noch dazu, wenn die Festvorbereitungen zweieinhalb Jahre dauern und es nach jeder der über 50 Festausschuss-Sitzungen neue Aufgaben für die vielen Helfer in den Arbeitsgruppen gibt. Noch dazu, wenn sich an den entscheidenden zehn Gaufest-Tagen rund um die Uhr im Hintergrund etwa 140 ehrenamtliche Rädchen dafür drehen, damit sich zigtausende Besucher in Hohenaschau wohlfühlen und unbeschwert feiern können.
2220 Stunden
fürs Gemeinwohl
Auch die Kameraden der Feuerwehr Aschau waren beim Gaufest dabei. Sie müssen ihre Arbeit dokumentieren. Und so schlugen bei ihnen 200 Stunden für die Absicherung der Straßen zu Buche – am sichtbarsten wohl beim großen Trachtenumzug am Gaufestsonntag. 70 aktive Kameraden gehören zur Aschauer Truppe.
Im Jahr 2024 rückten sie zu 62 Einsätzen aus, zuletzt in der Silvesternacht, als im Bernauer Ortsteil Stötten ein überdimensioniertes Feuer entfacht wurde. Hinzu kamen übers Jahr 28 Übungen. Und so haben die Aschauer Kameraden 2024 insgesamt 2220 Stunden fürs Gemeinwohl erbracht. In der kleinen Ortsfeuerwehr von Sachrang leisteten 38 aktive Kameraden 640 Stunden im Ehrenamt.
Noch beeindruckender ist die Bilanz der Bergwacht Sachrang-Aschau: Für so viele Stunden, die die 51 aktiven Bergretter und zehn Anwärter unterwegs waren, reicht kein Jahr. Es waren insgesamt 11321. Wie das geht? Bei 100 Rettungseinsätzen in den Bergen kamen 1061 Einsatzstunden zusammen. Vorsorgedienste fanden an 52 Wochenenden statt, an denen jeweils mindestens fünf Bergwachtler für 36 Stunden am Geigelstein in Bereitschaft waren und nebenbei Arbeitseinsätze oder Ausbildung machten. Zusammen sind das 9360 Stunden. Und rechnet man die 30 Abende hinzu, an denen für etwa 20 Bergretter die reguläre anderthalbstündige Ausbildung stattfand, kommen weitere 900 Stunden hinzu. Für die Bergwacht begann das neue Jahr so, wie das alte endete: Am 29. Dezember half sie einem jungen Mann am Kaiserblicklift. Am 1. Januar erklommen die Bergretter 66 Stufen in Hainbach, um einen Patienten mit Gebirgstrage und Vakuummatratze zum Rettungswagen zu transportieren.
First Responder jede
Nacht in Bereitschaft
Mit der BRK Bereitschaft Aschau schließt sich der Kreis der Retter, die im Ehrenamt Verantwortung für andere Menschen übernehmen und sich rund um die Uhr für die Gemeinschaft einbringen. In Aschau werden in Notfällen 25 im Rettungsdienst erfahrene, ehrenamtliche Mitglieder der BRK-Bereitschaft alarmiert, um die Erstversorgung in den Gemeinden Aschau und Frasdorf zu übernehmen – und zwar so lange, bis der Rettungsdienst eintrifft. 2024 rückten die Aschauer zu 175 Einsätzen aus und waren an 4392 Stunden in Bereitschaft.
„Menschen, die sich in Rettungsorganisationen engagieren, finden dort Kameradschaft, Erfüllung und im Dienst am Nächsten auch eine Bereicherung für ihr eigenes Leben“, sagt Bürgermeister Simon Frank und betont: „Ohne die ehrenamtlichen Retter sähe es im Freistaat armselig aus, denn was sie leisten, ist unbezahlbar.“
Lebensader sozialer
Einrichtungen
Vereine sind auch die Lebensader sozialer Einrichtungen: so beispielsweise der Ökumenische Sozialdienst mit Tagespflege und ambulanter Pflege oder die Stiftung für die orthopädische Kinderklinik oder das ambulant betreute Wohnen für junge Menschen mit Behinderung im Benedetto-Menni-Nest. „In Aschau gibt es zudem Helferkreise für Senioren und für Migration, die eine großartige Arbeit leisten“, betont der Bürgermeister. „Und es gibt viele Menschen, die aus Nächstenliebe ihre Nachbarn unterstützen, die ganz selbstverständlich im Stillen helfen, wenn sie gebraucht werden, und in der Öffentlichkeit gar nicht wahrgenommen werden.“
„Ehrenamt ist das Fundament, auf dem unsere Gemeinschaft im Priental aufbaut, und das Herz, das sie am Leben hält. Es verbindet Menschen, schafft Begegnungen und gibt jedem Einzelnen die Möglichkeit, etwas Sinnstiftendes zu tun“, sagt Herbert Reiter. Er leitet die Tourist-Info Aschau, die alle Angebote in der Gemeinde bündelt. „Es sind die Ehrenamtlichen, die unserem Ort neben Sicherheit, sozialer Fürsorge und sportlichen Angeboten auch Identität, Heimatgefühl und vor allem Lebensfreude geben“, würdigt er ihr Engagement: „Sich für die Gemeinschaft einbringen, unsere Traditionen bewahren und die Zukunft dabei gestalten – was könnte erfüllender sein?“
Denn was wäre beispielsweise Sachrang ohne seinen Verkehrsverein, den Trachtenverein D‘Geiglstoana, die Schützen, die Bergbauern, Garten- und Blumenfreunde oder den Museumsverein und den Freundeskreis Müllner-Peter? Ohne den Wintersportverein, den Ortsverband des Bauernverbands, die Krieger- und Soldatenkameradschaft oder den Arbeitskreis Bergsteigerdorf und Lebendiges Sachrang? Und gäbe es noch eine Kita im Bergsteigerdorf ohne den Kindergarten-Erhaltungsverein?
Ein Leben ohne
ist kaum vorstellbar
Wo würden die Sachranger einkaufen, wenn sich nicht viele Bürger ehrenamtlich um ihren Dorfladen bemühten?
Wie viel Kultur ginge verloren, wenn sich Menschen nicht ehrenamtlich für das Kammermusikfestival „Festivo“ engagieren würden, wenn es das Musikforum Sachrang nicht gäbe oder die Filmriss Kinokultur. Und wie klang- und humorlos wäre das Leben an der Kampenwand ohne die Veranstaltungen der Kulturbühne Aschau? „Nicht wegzudenken sind der Männerchor, die Musikkapelle Aschau oder das Kolpingtheater“, zählt der Tourismus-Chef weiter auszugsweise auf. Genauso der Trachtenverein Edelweiß Niederaschau, der WSV, der Geländeradsportverein, der Gewerbeverein, Bulldog Freunde, Dirndl- und Burschenverein, Feuerschützengesellschaft, Gebirgsschützen, Kneipp-Verein, Krankenunterstützungsverein, Veteranenverein, Drachen- und Gleitschirmflieger Club, Faschingsgilde, Kunst und Kultur zu Hohenaschau, der Förderverein Prientaler Bergbauernladen, der Imkerverein, VdK, Stockschützen, Tennisclub, Prientaler Pferdefreunde, Garten- und Blumenfreunde, Eisenbahnfreunde, Förderverein der Aschauer Kinder oder die Jagdgenossenschaften. „Beachtlich ist auch“, ergänzt Reiter, „was in den katholischen und evangelischen Kirchengemeinden geleistet wird.“
Spannende
historische Projekte
Der Heimat- und Geschichtsverein war es, der den Stolz der Menschen weckte, im Priental zu leben. Und auch heute vereint er Hobby- und Berufshistoriker im Ehrenamt, die mit spannenden Projekten historische, brisante Themen aufgreifen. Auch der kleine Weiler Höhenberg wäre nicht in aller Munde, hätte Sebastian Aringer dort nicht sein Fundmuseum eingerichtet. Jener Hobbyarchäologe, der mit dem Goldschatz vom Brunnsteinkopf und römischen Fluchthöhlen spektakuläre archäologische Funde im Priental gemacht hat. Solche Menschen finde man nicht noch einmal auf der Welt, hatte ihn ein bedeutender Archäologe kürzlich gewürdigt.
Und das trifft wohl auf alle zu, die sich in der Gemeinde Aschau als unsichtbare „Helden des Alltags“ ehrenamtlich engagieren. „Die Vereine sind eine tragende Säule des gesellschaftlichen Lebens – eine, auf die man immer bauen kann, und die Respekt und Dank verdient“, sagt Herbert Reiter. In diesem Jahr wird in Aschau das Jubiläum „150 Jahre freiherrliche Familie Cramer-Klett im Priental“ gefeiert. Die Vorbereitungen dazu laufen bereits auf Hochtouren. Hinter den Kulissen, und vor allem im Ehrenamt. In Aschau mit seinen etwa 6000 Einwohnern gibt es mehr als 60 Vereine. Mit ihrem Engagement könnte man Bände füllen. Und eines ist klar: „Ohne sie gebe es nicht mehr viel in Aschau“, sagt Bürgermeister Simon Frank voller Hochachtung für die Menschen in seiner Gemeinde. „Und wollte man für alle ehrenamtlich Aktiven ein Helferfest organisieren, dann wäre das in Aschau wohl ein Bürgerfest.“