Schechen – Es war ein Zufallsfund. Das Video des Liebesspiels im Altarraum der Kirche im Schechener Ortsteil Marienberg tauchte auf, als die Justizbehörden das Handy des 39-Jährigen durchsuchten. Denn der Rosenheimer hatte sich wegen diverser anderer Straftaten vor dem Landgericht Traunstein zu verantworten.
Zufallsfund
auf dem Handy
Erst im Zuge dieses Prozesses wurde das Schäferstündchen des Ehepaares bekannt. Stattgefunden hatte es bereits im Sommer 2022. Wie die beiden in die Kirche kamen, ist nicht hundertprozentig gesichert. Allerdings habe der damalige Mesner die Kirche zu verschiedenen Zeiten offen gehalten, hieß es im Rahmen des Prozesses gegen den 39-Jährigen. Es hätten also jederzeit Kirchenbesucher das Pärchen überraschen können. Ob das für einen Extra-Kick sorgte, dazu äußerte sich weder er noch sie.
Wie kommt man auf die Idee, ausgerechnet im Altarraum einer Kirche Sex zu haben? Diese Frage beschäftigte auch die Vorsitzende Richterin am Landgericht in Traunstein. Der 39-Jährige gab an, dass ihm der Schechner Pfarrer 2000 Euro geboten habe, wenn er zuschauen dürfe. Natürlich sollte daraufhin Pfarrer Herbert Aneder als Zeuge geladen werden. Und der mehrfach vorbestrafte Rosenheimer ruderte prompt zurück: Nein, nein, es sei nicht der örtliche Pfarrer gewesen, sondern „ein anderer Pfarrer aus einer anderen Diözese im nördlichen Landkreis Rosenheim“. Mehr sagte er dazu nicht. Glatt gelogen. Denn: Der gesamte Landkreis Rosenheim sowie die Landkreise Ebersberg, Erding und Mühldorf gehören allesamt zur Diözese München und Freising. Oder hat da jemand Diözese und Dekanat verwechselt?
„Hat denn kein Mensch mehr Respekt vor sakralen Räumen?“, habe er sich gefragt, verriet Pfarrer Herbert Aneder im exklusiven Gespräch mit dem OVB. Der überhaupt ziemlich empört war. „Ich fahre doch auch nicht nach Herrenchiemsee und lege mich ins Himmelbett von König Ludwig“, so sein Vergleich. Und dann kam noch dazu, dass der 39-Jährige vor allem wegen vielfachen Betrugs, Misshandlung seiner Ehefrau, Aggression und Bestechungsversuch gegenüber Personal in der Romed-Klinik angeklagt war. „Ja, Sex in der Kirche ist eine strafbare Handlung“, so Aneder, der erst ein Jahr nach dem Vorfall von den Ereignissen in der Kirche erfuhr, „aber ist alles andere schon so alltäglich, dass es kaum noch beachtet wird?“
Alltäglich sind Liebesspiele in der Kirche nun wahrlich nicht, auch für die Juristen nicht. Den entsprechenden Paragrafen 167 im Strafgesetzbuch haben sie zwar irgendwann alle schon mal gesehen, aber angewandt? Stefan Tillmann, Pressesprecher des Rosenheimer Amtsgerichts, bestätigte, das sei „schon ein skurriler Sachverhalt“. Die Norm sei sicher schon älter, kommentiert Tillmann die Formulierung „beschimpfenden Unfug“, die darin enthalten ist. „Ein Schäferstündchen auf dem Altar dürfte ziemlich sicher darunter fallen.“
Gegen die Gespielin des Rosenheimers war für den 1. Februar 2024 das Verfahren anberaumt. Allerdings hatte die 26-Jährige die Möglichkeit, den Einspruch gegen den Strafbefehl zurückzunehmen und sich das öffentliche Verfahren zu ersparen. Was sie auch tat. Damit ist der Strafbefehl rechtskräftig geworden und die Frau wie im Strafbefehl vorgesehen verurteilt. Wie hoch die Strafe ausfiel, ist allerdings unklar – Strafbefehlsverfahren sind grundsätzlich nicht-öffentlich.
Die Option hatte der 39-Jährige nicht, zu lang war die Liste der Anklagepunkte. Darunter einige Betrugsfälle, die sich auf dem nahegelegenen Campingplatz abspielten und mit dem der Angeklagte knapp 400000 Euro erbeutete. Deswegen war sein Part an der „Störung der Religionsausübung“ öffentlich. Und floss zu einem erklecklichen Teil ins Gesamturteil ein. Das erging im Mai 2024. Fünf Jahre und fünf Monate sitzt der Mann in Haft. Sechs Monate davon gehen auf ein paar erregte Momente auf und am Altar zurück.
Ordinariat auf Suche
nach den Regeln
Der ist längst mit Weihrauch und Weihwasser neu gesegnet. Wie das abzulaufen hätte, darüber mussten sich das erzbischöfliche Ordinariat und Pfarrer Aneder auch erst einmal schlau machen. Denn wie die Juristen haben auch die Vertreter der Kirche eher selten mit Sex im Altarraum einer Kirche zu tun. Wie da die kirchenrechtliche Situation sei, wisse er nicht mehr so genau, sagte Pfarrer Herbert Aneder damals, „das habe ich mal im Studium gelernt. Aber das ist eine Weile her.“