Raubling – Die Spuren sind eindeutig. Schweres Gerät hat sich den Weg zum Ufer gebahnt. Ein Kettenbagger? Ein Harvester? Technik mit langem Greifarm, um an den Biberdamm zu kommen, ohne in den Oberen Tännelbach zu rutschen. Rechts des Ufers liegt ein riesiger Haufen – die Überreste des Biberdammes. Äste, die der Biber im Laufe des vergangenen Jahres zusammengetragen hat, um das Wasser anzustauen und seine Biberburg zu schützen.
Wasserspiegel um
einen Meter gesunken
Am Oberen Tännelbach hatte sich so in den vergangenen Jahren ein Biberteich gebildet. Jetzt wurde der Damm entfernt. Der Bach hat sich in sein Bett wieder zurückgezogen. Nur dicke Eisplatten zeigen noch, wie hoch und wie weit das Wasser in der Fläche stand. Nachdem der Biberdamm – mutmaßlich am 28. Dezember – illegal entfernt wurde, ist der Wasserspiegel mindestens um einen Meter gesunken.
Eingang muss
unter Wasser liegen
Etwa 50 Meter weiter flussaufwärts befindet sich die Biberburg. In die Uferböschung hat er seinen Erdbau gegraben. Der Kessel liegt meist unter den Wurzeln eines Baumes. Zur Stabilisierung hat der Biber den Erdbau von oben mit Ästen und Zweigen abgedeckt. Der Eingang zur Biberburg befindet sich immer unter Wasser. „Jetzt ist er trockengefallen“, stellten die Ermittler der Polizei Brannenburg vor Ort fest. Damit ist die Gefahr groß, dass der Biber und seine Jungen sterben könnten. „Für den Biber ist es wichtig, dass die Eingänge zu ihren Burgen unterhalb des Wasserspiegels liegen, damit der Frost nicht in den Innenraum gelangen kann“, erläutert der Umweltsachbearbeiter der Polizei.
Der Obere Tännelbach beginnt in den Wiesen östlich von Wiechs und Kleinholzhausen und fließt im südlichen Bereich der Kollerfilze in Richtung Raubling. Moor und Wald befinden sich hier im Eigentum vieler Besitzer. Für den Bach aber ist die Gemeinde Raubling verantwortlich. Die habe die Entnahme des Dammes nicht veranlasst, heißt es aus der Gemeindeverwaltung auf OVB-Anfrage. Am ersten Tag nach den Weihnachtsferien glühten auch hier die Telefone. Gemeinde, Polizei, Untere Naturschutzbehörde und Jäger stimmten sich ab, wie es nach der schweren Umweltstraftat weitergehen soll.
Eine Entnahmegenehmigung für Biber gebe es in den Raublinger Filzen nicht, informiert die Gemeinde. Wohl aber sei die Entnahme von Biberdämmen erlaubt, allerdings nur in einem kleinen Abschnitt des Oberen Tännelbachs am Eingang zum Wald aus Richtung Kleinholzhausen. Im Bereich der dortigen Wiesen dürfen Biberbauten entfernt werden, um die landwirtschaftliche Bewirtschaftung der Flächen nicht zu gefährden.
Auch hier wurde ein Biberdamm zwar nicht komplett zerstört, aber zumindest „entschärft“. Zwei vom Menschen geschaffene Abflussrinnen in der Dammkrone leiten das Wasser dort jetzt ab. Der Spiegel des Oberen Tännelbachs ist auch in diesem Bereich gesunken – um etwa 20 Zentimeter. Die eisigen Spuren deuten darauf hin, dass auch dieser Damm erst kürzlich angebohrt wurde. Allerdings legal.
Mitten im Wald ist das Entfernen der Biberdämme nicht erlaubt. Zumal der Biber dort nichts anderes macht, als es ein paar Kilometer weiter staatlich gelenkt und mit Millionen-Investitionen fürs Klima passiert. Er renaturiert das Moor. Große Flächen der Hochrunst- und Kollerfilze wurden im Auftrag der Bayerischen Staatsforsten und des Landratsamtes bereits wiedervernässt. In diesem Jahr sollen weitere 135 Hektar renaturiert werden. Dafür wurden und werden Bäume gefällt, die auf den vormals entwässerten Flächen angepflanzt wurden.
Zudem werden rund 340 Torfdämme eingebaut. Die erfüllen die gleiche Funktion wie ein Biberdamm. „Das Regenwasser wird sukzessive von außen nach innen angestaut, um es in der Fläche des Moores zu halten und so den Moorwasserspiegel zu erhöhen“, erläuterte Sharon Rakowski dazu in einem OVB-Interview. Die Hydrogeologin gehört zum Moor-Team der Bayerischen Staatsforsten, das auch in der Region zwischen Raubling, Bad Feilnbach und Bad Aibling die Moore auf staatlichen Flächen betreut. Durch das Anstauen kann sich das Regenwasser oberirdisch über das Torfmoos und unterirdisch über den Torf in die Fläche ausbreiten. So wird der Wasserspiegel allmählich wieder erhöht, das Moor vernässt und die typische Vegetation entwickelt sich.
Nichts anderes hat der Biber am Oberen Tännelbach gemacht. Von Frühjahr bis Herbst stehen ihm Kräuter, Gräser, Knollen oder Wurzeln als Nahrung zur Verfügung. Um nicht zu verhungern, nagt er in den Wintermonaten Bäume an oder fällt sie, um an die Zweige in den Baumkronen heranzukommen. Er baut Dämme und staut den Bach an, damit er schwimmen kann und seine Burg geschützt ist.
Auch auf Privatbesitz
gelten klare Regeln
Sein Problem: Der Bereich befindet sich im Privatbesitz und nicht im Flora-Fauna-Habitat der staatlichen Moore. Trotzdem gelten auch hier Regeln. Nicht nur, weil der gesamte Bachlauf und seine Ufer ein Biotop sind. Auch weil der Biber nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt ist. Das bedeutet, es ist verboten, ihm nachzustellen, ihn zu fangen, zu verletzen oder zu töten. Und es ist auch verboten, den Biber zu stören, seine Baue und Dämme zu beschädigen oder zu zerstören. Die Zerstörung des Biberdammes war illegal. Die polizeilichen Ermittlungen haben begonnen. „Sie werden langwierig sein, wie immer bei Umweltdelikten“, sagt die Polizei Brannenburg aus Erfahrung. Gemeinsam mit der Unteren Naturschutzbehörde sollen weitere Vor-Ort-Begehungen folgen. Hinweise aus der Bevölkerung nimmt die Polizei Brannenburg unter der Telefonnummer 08034/90680 entgegen.
Biber baut
fleißig weiter
Klar ist: „Es war kein Vandalismus, sondern eine gezielte und geplante Entnahme des Biberdammes mit schwerem Gerät“, informiert die Polizei. Eine Umweltstraftat. Geahndet werde diese je nach Ausmaß mit hohen Geldstrafen, aber auch mit Haftstrafen. Der Biber am Oberen Tännelbach hat seinen Teich zwar verloren, aber er scheint überlebt zu haben. Das lassen zumindest die Arbeiten am zerstörten Damm vermuten: Der Biber hat die ersten frischen Äste schon wieder aufgestapelt.