„Häuser sind nicht feuerfest“

von Redaktion

„Die Santa-Ana-Winde sind so heftig und heiß wie noch nie“, sagt Waldbrand-Experte Lindon Pronto. Der US-Amerikaner hat sieben Jahre lang in Kalifornien Brände gelöscht. Heute lebt er in Aschau. Wie er die Naturkatastrophe von Los Angeles erklärt.

Aschau/Los Angeles – Lindon Pronto kommt aus dem Norden von Kalifornien, er weiß genau, wovon er spricht. Schon sein Vater war Wildland-Firefighter. In seine Fußstapfen wollte er treten. Und so arbeitete auch Lindon sieben Jahre als Brandbekämpfer in Kalifornien. Für sein Masterstudium kam er 2014 an die Universität Freiburg. Dort widmete er sich im Forschungsbereich „Environmental Governance“ den Beziehungen von Mensch und Umwelt, dem Zusammenspiel von Markt, Staat und Zivilgesellschaft sowie den Waldbrandrichtlinien in verschiedenen Ländern. Seit vier Jahren ist Pronto beim Europäischen Forstinstitut (EFI) in Bonn. Seinen Wohnsitz hat der Waldbrand-Experte in Aschau.

Verheerende Naturkatastrophe

„An der Westküste der USA sind großflächige Waldbrände eigentlich an der Tagesordnung“, ordnet der 36-Jährige die verheerenden Waldbrände rund um Los Angeles ein. Doch das Flammeninferno, das seit dem 8. Januar rund um Los Angeles wütet, ist die verheerendste Naturkatastrophe in der Geschichte des Landes. Auch Pronto ist überrascht, „dass das Feuer um diese Jahreszeit so gewaltige Ausmaße angenommen hat“.

Die Santa-Ana-Winde seien typisch für den Herbst und Winter in Südkalifornien. Diese föhnartigen Wüstenwinde entstehen durch ein Hochdruckgebiet über dem Großen Becken, einem Hochplateau in den US-Bundesstaaten Nevada, Utah und Idaho. Sie strömen Richtung Süden über die Berge Südkaliforniens ins Becken von Los Angeles. „Wenn die trockenen Luftmassen durch die engen Schluchten gedrückt werden, gewinnen sie an Geschwindigkeit, verdichten sich und werden heißer“, erklärt Pronto. „Dadurch sinkt die Luftfeuchtigkeit. Die Vegetation trocknet aus und die Brandgefahr steigt erheblich. Los Angeles liegt inmitten eines feuerabhängigen Ökosystems.“

Die Santa-Ana-Winde haben ein lebensbedrohliches Potenzial. „Und in diesem Jahr waren sie so heftig und heiß, dass schon vor den Feuern Bäume umgestürzt sind“, berichtet der Waldbrand-Experte. „Bei Stürmen von bis zu 160 Kilometern pro Stunde kann die Feuerwehr nicht mehr viel machen, außer Menschenleben zu retten.“ Erschwerend komme hinzu, dass aufgrund der starken Stürme keine Unterstützung aus der Luft möglich war. Doch durch die anhaltende Dürre und dem enormen Löschwasserverbrauch seien auch die Wasserspeicher von LA versiegt, erklärt der Wildland-Firefighter. Hatten die Hydranten keinen Druck mehr oder waren leergelaufen, mussten einige Stellen in der Feuerhölle von LA mit Tankwagen angefahren werden.

Doch der Millionenmetropole fehle es auch an Einsatzkräften, merkt Pronto kritisch an. Die meisten Fachkräfte von Bundesbehörden wie dem United States Forest Service seien nur saisonal von Frühsommer bis Herbst tätig. „Diese spezialisierten Fachkräfte stehen den Feuerwehrleuten in LA und Umgebung also nur bedingt unterstützend zur Verfügung“, erklärt der Kalifornier.

Inzwischen seien Feuerwehrleute und Führungskräfte aus Idaho und Washington, aus Kanada und Mexiko in LA eingetroffen, um zu helfen. Auch die Nationalgarde unterstütze mit Truppen, Hubschraubern und Flugzeugen. Trotzdem könne man weder dem Wasser- oder Stromversorger, noch dem Gouverneur, der Umweltpolitik oder den Feuerwehrleuten die Schuld zuschieben, betont Pronto. Traurige Tatsache sei, dass in LA „die meisten Häuser nicht feuerfest sind“.

Pronto verweist auf eine aktuelle Studie zum Zusammenhang von Gebäudemerkmalen und Waldbrandschäden. Ein Großteil, wenn nicht sogar alle Schäden in Los Angeles, so ist sich Pronto sicher, hätten verhindert werden können, wenn Gebäude und Gärten brandsicher gestaltet und die Vegetation besser gepflegt worden wäre.

„Ich hoffe, dass beim Wiederaufbau Optionen wie feuerfester, kohlenstoffnegativer Hanfbeton und andere Lösungen in Betracht gezogen werden“, verweist er auf Materialien mit ausgezeichnetem Feuerverhalten, die Flammen zerstreuen, die strukturelle Integrität von Bauwerken bewahren und keinen giftigen Rauch absondern.

Waldbrand-Experten sind unterbezahlt

Eine weitere Tatsache sei laut Pronto aber auch, dass die Feuerwehrleute von LAFD (Los Angeles Fire Department) und LACoFD (Los Angels County Fire Department) mit einem Durchschnittsverdienst von weit über 200000 Dollar pro Jahr zwar zu den bestbezahlten Feuerwehrleuten der Welt gehörten, spezialisierte Waldbrandbekämpfer aber nur ein durchschnittliches Jahresgehalt von knapp 30000 Dollar hätten. „Genau diese Hotshot-Crews sind es aber, die derzeit verhindern, dass die Brände noch mehr Zerstörung anrichten“, kritisiert der Amerikaner.

Wolle man verhindern, dass sich solche Katastrophen wiederholen, müsse die „Verantwortungsgemeinschaft über den Tellerrand hinausschauen, Taktiken verfeinern, anders ausbilden und ausrüsten“.

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