Schuhe fürs Leben

von Redaktion

Ex-Eventmanager Jonathan Rösch hat als Maßschuhmacher seine Berufung gefunden

Stephanskirchen – Ein erdiger, leicht süßlicher Geruch hängt in der Luft der kleinen Werkstatt im ersten Obergeschoss der Landlmühle. Hier ist das Reich von Maßschuhmacher Jonathan Rösch – oder wie er sich selbst nennt: Schuhkreateur. Der Geruch kommt vom Leder, das sich aufgerollt unter einem großen Tisch in der Mitte des Raums stapelt. Aus diesem Material fertigt er Schuhe. Nach Maß und ganz nach den Wünschen seiner Kunden.

Neuanfang
nach Italienreise

Vor knapp zehn Jahren entschied sich der 42-Jährige, der ursprünglich aus Würzburg stammt, seinen gut bezahlten Job als Event-Manager an den Nagel zu hängen. Der Besuch einer Schuhmacherwerkstatt in Florenz habe ihn inspiriert. Er zog nach Berlin und lernte, wie man Schuhe baut. „Ich wollte etwas gestalten, mit meinen Händen schaffen.“ 2016 legte er seine Gesellenprüfung ab und arbeitete als angestellter Schuhmacher in Betrieben, die sich auf Orthopädie spezialisiert haben.

Nach der Geburt seines Sohnes zog die Familie in die Region. Zu dieser Zeit arbeitete er als Schuhmacher am Staatstheater in München. Es folgten weitere Jobs in orthopädischen Schuhmacher-Betrieben. Vor etwa einem Jahr fasste er den Entschluss, sich selbstständig zu machen. Oft habe er gehört, vom Maßschuhmachen könne man keine Familie ernähren. „Aber Geld hat keinen hohen Stellenwert für mich“, so Rösch. Der Verdienst reiche, um die Kosten zu decken und über die Runden zu kommen.

Reine Maßschuhmacher gibt es nur noch wenige. „Ich glaube, ich bin der einzige zwischen München und Salzburg“, sagt der 42-Jährige. Eine Google-Recherche bestätigt das. Die meisten Schuhmacher im Landkreis reparieren Schuhe und Leder. Es gibt zwar einige orthopädische Schuhmacher in der Region, die Maßschuhe anfertigen. Für Rösch aber keine Konkurrenz.

Rösch setzt bei seinen Schuhen vor allem auf Nachhaltigkeit und Langlebigkeit, wie er sagt. „Bei guter Pflege halten meine Schuhe mindestens zehn Jahre.“ Und das braucht Zeit und hat auch seinen Preis. Ab 1900 Euro gibt es ein maßgefertigtes Paar Schuhe. Je nach Leder und Art des Schuhs können es auch mehr werden. Dafür stecken etwa 80 Arbeitsstunden und über 300 Arbeitsschritte in jeder Fußbekleidung. Bis der Schuh fertig ist, dauert es etwa ein halbes Jahr.

Zunächst nimmt der Schuhmacher Maß bei seinen Kunden und erstellt einen sogenannten Blauabdruck. Dabei wird eine Art Stempelabdruck der Fußsohle gemacht. Gegebenenfalls muss auch ein Trittschaumabdruck gemacht werden. So kann er sich buchstäblich ein Bild von den Füßen des Kunden machen. Auf dem Abdruck trägt er die Maße, also den Fußumfang an verschiedenen Stellen, des Kunden ein.

Anhand der Skizze fertigt der Schuhmacher den Leisten – das Herzstück der Schuhmacherei – an. Das Formstück aus Holz, das der Form eines Fußes nachempfunden ist, wird zum Bau eines Schuhs verwendet. Der Leisten wird entsprechend der Maße eingeschliffen. „Dann wird ein Probeschuh darüber gebaut“, erklärt Rösch. Diesen nimmt der Kunde zum Probetragen mit nach Hause. Anschließend wird der Probeschuh aufgeschnitten, um zu sehen, wie der Fuß darin sitzt. So kann der Schuhmacher den Leisten gegebenenfalls anpassen, damit das bestellte Paar Schuhe perfekt sitzt.

Mit dem Rahmen
per Hand vernäht

Der Schuh wird dann über den Leisten gebaut. Zunächst die innere Sohle – die sogenannte Brandsohle – , anschließend wird der Schaft über den Leisten gezwickt und mit dem Rahmen per Hand vernäht. „Zwischen den Arbeitsschritten muss der Schuh auch mal für eine Woche trocknen.“ Zum Schluss kommt die Laufsohle drauf. Rösch verwendet für seine Schuhe nur lösefreie Klebstoffe und größtenteils in Eichenlohe gegerbtes Leder. Für die Nähte verwendet er Wildschweinborsten und japanischen Flachs. „Der Schuh wird dadurch kompostierbar“, sagt Rösch.

Jonathan Rösch hat im Schuhmacher-Handwerk seine Berufung gefunden. Das Material, seien es die silbrig-glänzenden kleinen Nägel oder das duftende Leder, das Werkzeug und am Ende der von eigenen Händen gefertigte Schuh – „ich liebe es einfach“, sagt Jonathan Rösch.

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