Nußdorf – Vor dem Schöffengericht in Rosenheim unter dem Vorsitz von Richterin Isabella Hubert mussten sich ein Versicherungsvertreter (52) und seine Ehefrau (56) verantworten. Laut Anklage soll der Versicherungsvertreter in betrügerischer Absicht einen 2022 verstorbenen Nußdorfer zu mehreren Lebensversicherungen überredet haben, deren Begünstigte im Todesfall die angeklagte Ehefrau des Versicherungsvertreters war. Nach Aktenlage sah das Vermächtnis des Verstorbenen tatsächlich recht fragwürdig aus. Weshalb sein einziger Sohn und vermeintlicher Alleinerbe Anzeige erstattet hatte.
Sohn hatte jahrelang
keinen Kontakt
Vor Gericht berichtete der Angeklagte, dass seine Ehefrau und er sich über mehrere Jahre hinweg um den Verstorbenen gesorgt und sich um ihn gekümmert hätten. Der Sohn habe keinerlei Kontakt zu seinem Vater gehabt. Über die Ursache maße er sich kein Urteil an.
Der Versicherungsvertreter und seine Ehefrau hätten über Jahre hinweg nahezu täglich Kontakt zu dem alten Herrn gehabt. Neben der Hilfe bei behördlichen und schriftlichen Belangen, so erklärte der Angeklagte, hätten sie auch pflegerische und beratende Tätigkeiten für den Senior ausgeübt. Niemand sonst – auch der Sohn nicht – habe sich um den Mann bemüht.
Freilich sei er nicht unproblematisch gewesen – von aufbrausendem Temperament und dem Alkohol zugeneigt, schilderte der Angeklagte. 2016 soll der Senior dem Versicherungsvertreter und seiner Frau angeboten haben, ihnen ein monatliches Gehalt zu zahlen. Das hätten sie aber abgelehnt. Zu dubios und rechtlich fragwürdig sei ein solcher Vorgang zu interpretieren.
Nachdem der Mann aber darauf bestanden habe, schlug ihm der angeklagte Versicherungsvertreter eine Alternative vor: Wenn er seinen Dank unbedingt finanziell bezeugen wolle, solle er doch eine Lebensversicherung abschließen und dort beispielsweise seine Ehefrau als Begünstigte einsetzen.
Das, so will er dem Verstorbenen erläutert haben, hätte den Vorteil, dass der alte Herr bis zu seinem Tode über das eingezahlte Geld verfügen könne und auch jederzeit den Begünstigten ändern könne. Denn alles Geld, das er in die Lebensversicherung einzahle, bleibe unter seiner eigenen Kontrolle.
Als der Sohn von dieser Versicherung erfuhr, soll er den Versicherungsvertreter bedroht und ihm jeglichen Umgang mit dem Vater verboten haben. Dieser sei damals bereits ein Pflegefall gewesen und in ein Pflegeheim gebracht worden, wo er schließlich bald verstarb.
Wegen der Vorwürfe gegen den Versicherungsvertreter sei der Senior schließlich sogar beim Ortsbürgermeister vorstellig geworden. Dort habe er nicht nur seine volle Geschäftsfähigkeit unter Beweis gestellt, sondern auch beteuert, dass alle Maßnahmen, die der Versicherungsvertreter für ihn getroffen habe, in seinem Sinne und rechtskräftig seien. Unterzeichnete Belege aus dieser Besprechung des Verstorbenen mit dem damaligen Bürgermeister legte der nun angeklagte Versicherungsvertreter dem Gericht vor.
Der Sohn (55) erklärte im Zeugenstand, dass sich die Diskrepanz zwischen seinem Vater und ihm aus der Tatsache erkläre, dass dieser ein hochgradiger Alkoholiker gewesen sei. Daher sei er davon ausgegangen, dass dieser keinesfalls geschäftsfähig gewesen sein konnte und ihm diese Versicherungen daher aufgeschwatzt worden wären.
Nach Befragung bestätigte der Sohn vor Gericht, dass dies lediglich seine Verdachtsmomente gewesen seien.
Auf Nachfrage der Richterin räumte er ein, dass er über Jahre hinweg keinen Kontakt zu seinem Vater hatte. Er berichtete, dass sein Vater ihm schon 2013 das Haus überschrieben und sich lediglich ein lebenslanges Wohnrecht im Nießbrauch vorbehalten habe. Dass er als Eigentümer notwendige Reparaturen zu bezahlen hätte, wie ihm durch die Angeklagten im Auftrag des Vaters mitgeteilt worden sei, habe er als unangemessene Einmischung zurückgewiesen. Die Unterschriften seines Vaters auf den von den Angeklagten vorgelegten Papieren bestätigte er als korrekt.
Die Staatsanwältin erklärte, dass die vorgelegten Papiere unzweifelhaft die Erklärung der Angeklagten bestätigten und somit der Vorwurf eines Betruges nicht aufrechtzuerhalten sei. Sie beantragte, die Angeklagten freizusprechen.
Verteidiger und Staatsanwalt einig
Die Verteidiger, Rechtsanwältin Christina Keil und Rechtsanwalt Jürgen Hadinger, freuten sich, einmal der Staatsanwaltschaft zustimmen zu können. Sie bestätigten aber auch, dass die Situation – nur aus der Aktenlage betrachtet – tatsächlich fragwürdig betrachtet werden könne. Das Gericht entsprach beiden Anträgen und sprach die Angeklagten von jeglichem Vorwurf frei. Gerecht geurteilt könne eben nur werden, so die Richterin, wenn auch alle persönlichen Verhältnisse geklärt seien.