Raubling – Besonders brisante Themen erfordern auch eine besondere Informationsmöglichkeit. Deshalb hat sich die Gemeinde Raubling um Bürgermeister Olaf Kalsperger dazu entschieden, die Umweltausschusssitzung vom Rathaus in die Gemeindehalle zu verlegen und dazu die Fachreferenten eingeladen. Entgegen den gängigen Sitzungsabläufen hatte ausnahmsweise auch das Publikum die Möglichkeit zu Wortmeldungen.
Vortrag
der Experten
Die zentrale Frage: „Was passiert in der Filze?“, dazu nahmen die Fachreferenten der Bayerischen Staatsforsten sowie des Landratsamtes Rosenheim Stellung. „Wie kann es sein, dass nach dem Hochwasser vom Juni 2024 jetzt schon wieder an eine Wiedervernässung gedacht wird, wobei viele von uns der Meinung sind, dass auch die Moorrenaturierung vor gut 15 Jahren einen Einfluss auf unser Hochwasser hat“, gab der Rathauschef eine Vorlage mit der Hoffnung auf eine Antwort der Experten.
Plan kommt
nicht gut an
Sharon Rakowski, Hydrogeologin von den Bayerischen Staatsforsten, gab mittels Präsentation Informationen darüber, wie ein Moor hydrologisch funktioniert, wenn es intakt ist. Doch das Moor deshalb mithilfe von Spundwänden, sozusagen kleinen Dämmen aus Holz, wieder zu vernässen, kommt bei einigen Betroffenen nicht gut an. „Mir fällt auf, dass der Radweg an der Panger Straße zu 80 Prozent im Jahr auch schon vor dem Hochwasser nicht mehr nutzbar war, weil er unter Wasser steht“, monierte Gemeinderat Paul Vodermaier vom Umweltausschuss. „Ich frage mich, wie dichtet ihr das ab? Gesprochen wird von Holzspundwänden, ich glaube, dass die im Laufe der Jahre morsch werden.“
Der Raublinger Manfred Kanzog sieht ein weiteres Problem. Er meint, dass er seit geraumer Zeit den Überlauf in der Nähe des Aussichtsturmes in der Filze regelmäßig beobachtet und dabei festgestellt hat, dass 40 Liter Wasser in der Sekunde und somit 57,6 Kubikmeter pro Tag ständig darüberlaufen, obwohl seit Dezember 2024 kein Starkregen mehr fiel. „Der Wasserspiegel gehört um 20 Zentimeter abgesenkt, ein Wehr zum Hochwasserschutz muss errichtet werden“, ist Kanzog überzeugt.
„Die Renaturierung dient nicht nur ausschließlich zum Hochwasserschutz“, erwiderte Veronika Kloska, Moormanagerin von der Unteren Naturschutzbehörde vom Landratsamt Rosenheim. „Wir können in unseren Flächen zurückhalten, was geht, und das Moor erhalten, aber wir können nicht auf fremde Flächen eingreifen. Bei Starkregen fließt das Hochwasser auch aus anderen Bereichen in die Ortschaften.“ Der ortsansässige Nicklheimer Feuerwehrvorstand und Gemeinderat, Andreas Bichlmair, kennt seinen Heimatort und die Filze wie seine eigene Westentasche. Er wies darauf hin, wie sich die Situation nach der damaligen Renaturierung entwickelte. „Nach dem heutigen Stand würde man das wohl nicht mehr so wie damals machen. Die Beobachtungen aller Nicklheimer sagt doch, dass die Bäche wesentlich schneller kommen und nach Raubling laufen. Man hat beim Hochwasser 2024 gesehen, wie sich das Gebiet um das Raublinger Feuerwehrhaus in eine Seenlandschaft verwandelte, das war früher weitaus nicht so extrem“, sagte er. „Ich muss leider Frau Rakowski wegen der Einschlagung von Spundwänden korrigieren. Vor etwa 18 Jahren hat die damalige Renaturierung mit genau solchen Wänden enorm viel Geld gekostet und was haben wir jetzt?“, stellte Michael Paul aus Pang, seit 30 Jahren Vorstand des Hochfilzenweges, in den Raum. Seit zehn, zwölf Jahren stünde der Weg immer wieder unter Wasser. „Vor wenigen Jahren wurde eine Korrektur mittels 100 Plastikspundwänden vorgenommen, weil die Moordämme nicht hergehalten haben. Ich kann es nicht nachvollziehen, wenn man sagt, mit Torf kann man einen Damm bauen und dann muss man mit Spundwänden nachrüsten“, kritisiert er. Rakowski erwiderte daraufhin, dass die Dämme mittlerweile nicht mehr aus Torf gebaut werden und die Spundwände aus Holz sich deutlich weiterentwickelt hätten.
Ortsbegehung
als Vorschlag
Bernhard Hellthaler, dessen landwirtschaftlicher Betrieb direkt angrenzend an die Filze liegt, lud die Fachreferenten zu einer Ortsbesichtigung ein. „Dann zeige ich Euch, wie es das Moorwasser auf meine Flächen reindrückt und wenn jetzt die Renaturierung auch noch kommt, dann wird es bei Weitem noch schlimmer“, befürchtet er. „Ich habe einen Güllebehälter, der vorher trocken war und jetzt schon einen Meter im Wasser steht. Ihr solltet nicht aus der Karte planen, sondern vor Ort gemeinsam mit den Landwirten, und dann reden wir weiter“, schlug er vor.
Renaturierung
verzögert sich
Bürgermeister Kalsperger war wichtig, dass nach der Veranstaltung zumindest alle auf dem gleichen Informationsstand sind. Ob die Fronten tatsächlich aufgeweicht und gemeinsame Lösungen gefunden werden konnten, bleibt dahingestellt. „Dieses Thema wird uns noch lange verfolgen“, denkt der Rathauschef. Wenn man die angeregten Gespräche unter den rund 200 Teilnehmern zusammenfasst, dann überwiegen die Bedenken nach wie vor. Dementsprechend reagieren auch die Bayerischen Staatsforsten, die mit der Renaturierung voraussichtlich erst 2026 anfangen werden.