„Von Titanenfaust zertrümmert“

von Redaktion

Vor 50 Jahren erfasst Lawine am Wendelstein eine Schneefräse – Fünf Menschen sterben

Brannenburg – Fünf Tote und drei Verletzte forderte heute vor genau 50 Jahren ein Unglück am Wendelstein. Eine Lawine erfasste eine Fräse, die das Gleis der Zahnradbahn vom Schnee befreien wollte.

„Gegen 7.45 Uhr wurde eine mit acht Mann besetzte Schneeschleuder von einem Schneebrett erfaßt und 200 Meter in die Tiefe gerissen. Beim Aufprall auf eine Felsnase zerbarst die Fräse“, meldete das Oberbayerische Volksblatt in seiner Ausgabe vom 1. März 1975.

Hüttenwirt ist auf
der Stelle tot

Der Hüttenwirt der Mitteralm, der 38-jährige Fritz B., war sofort tot. „Ebenfalls noch an der Unglücksstelle erlag der 40-jährige Anton B. aus Brannenburg seinen Verletzungen. Kurze Zeit nach der Einlieferung ins Rosenheimer Krankenhaus starb der 37 Jahre alte Rudi W.“ Auch die anderen fünf Männer, die auf der Schneefräse unterwegs waren, erlitten teils schwere Verletzungen. Zwei von ihnen starben in den folgenden Tagen.

Ein Mitglied der Bergwacht wird zitiert: „Es sah aus, als wäre die Schneeschleuder von einer Titanenfaust zertrümmert worden!“

Das Unglück geschah, als eine Lokomotive der Zahnradbahn die Fräse bergauf schob. Auf einer Höhe von rund 1500 Metern löste sich das Schneebrett und erfasste das Fahrzeug, das gerade den zweiten Tunnel verlassen hatte. „Obwohl das Schneebrett nur 25 Meter breit und an die 30 Meter lang war, kippte es die Fräse um und warf sie in den Abgrund rechts neben den Geleisen“, so heißt es in dem Bericht weiter. Der „Schneezug“ hatte aus drei Teilen bestanden: „Eine Lokomotive schiebt bei der Bergfahrt die an sie gekoppelte Schneefräse vor sich her. Hinter sich zieht sie die sogenannte Talschleuder, deren Aufgabe es ist, den Schnee bei der Talfahrt aus dem Weg zu räumen. Die Talschleuder hatte bei der Bergfahrt daher keine Bedeutung. Die acht Mann befanden sich auf der Schneefräse.“

Der Lokführer habe das Unglück mit ansehen müssen, unmittelbar einen Notruf abgesetzt und sei dann mit zwei Sanitätstaschen den Verunglückten zur Hilfe geeilt. Ein 29-jähriger Maschinenschlosser aus der Besatzung habe sich außerdem noch mit eigener Kraft zur Mitteralm geschleppt, wo er zusammenbrach.

„Um 8.30 Uhr wurden die Brannenburger Bergwachtler verständigt. Bereits 15 Minuten später waren die Männer einsatzbereit. In der Zwischenzeit gab es Großalarm.“ Die Polizei, die Feuerwehren von Rosenheim und Degerndorf, Wagen der Sanitätskolonne und Einsatzgruppen des Technischen Hilfswerks und auch insgesamt vier Hubschrauber von Bundeswehr und Polizei seien angerückt.

Sofort nach Bekanntwerden der Katastrophe flog der damalige Staatssekretär Erich Kiesl von München per Hubschrauber nach Brannenburg. „Bei einer Konferenz, zu der sich auch Landrat Knott und Landtagsabgeordneter Walter Schlosser einfanden, bescheinigte Kiesl den Rettungsmannschaften, dass sie alles in ihrer Macht Stehende getan hätten, um den Verunglückten Hilfe zu bringen. Der Geschäftsführer der Wendelsteinbahn erklärte erschüttert, es sei nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn das Schneebrett einen vollbesetzten Fahrgastzug erfasst hätte. In einem einzigen Waggon finden rund 50 Personen Platz.“

Massive
Schutzverbauungen

Im Nachgang der Katastrophe wurden die Schutzeinrichtungen entlang der Strecke massiv ausgebaut. An kritischen Stellen wurden Lawinenverbauungen errichtet, die noch immer regelmäßig überprüft und instand gehalten werden. Im Nachgang des Unglücks wurde auch eine neue Schneeschleuder beschafft, die über zusätzliche Sicherheitsfunktionen verfügt. An Abschnitten, die aufgrund der natürlichen Gegebenheiten nicht verbaut werden konnten, wurden sogenannte Sprengbahnen gebaut, die eine Lawine kontrolliert auslösen können.

„Das Lawinenunglück von 1975, bei dem vier Mitarbeiter der Wendelsteinbahn sowie der damalige Mitteralmwirt tragisch ums Leben kamen, ist ein Ereignis, das uns auch heute noch tief berührt“, berichtet Claudia Steimle, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit bei der Wendelsteinbahn GmbH.

An der Unglücksstelle befindet sich eine Gedenktafel, die noch heute regelmäßig mit frischen Latschen und Kerzen geschmückt wird. „Und zu jedem Jahrestag gedenkt die Mannschaft bei der ersten Schleuderfahrt der verstorbenen Kollegen mit einer Schweigeminute“, berichtet Steimle.

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