Reise durch 350 Jahre Bühnengeschichte

von Redaktion

Volkstheater Flintsbach wird 1675 erstmals urkundlich erwähnt – Festprogramm am Samstag

Flintsbach – Die idyllisch am Fuße des Wendelsteins gelegen Gemeinde Flintsbach feiert am Samstag, 29. März, ein ungewöhnliches Jubiläum: das 350-jährige Bestehen des Flintsbacher Volkstheaters.

Das Jubliläum rückt die tief verwurzelte Theatertradition des Ortes in den Fokus. Seit seiner Gründung im Jahr 1675 ist das Theater nicht nur ein Symbol des Gemeinschaftsgeistes, sondern hat sich über die Jahrhunderte hinweg zu einer kulturellen Institution entwickelt, deren Strahlkraft weit über die Grenzen der Region hinausreicht.

Die Ursprünge
des Theaters

Die Ursprünge der Theatertradition in Flintsbach lässt sich bis ins späte 17. Jahrhundert zurückverfolgen. Geistliche Spiele waren in Oberbayern und Tirol bereits seit dem 15. Jahrhundert verbreitet, doch die schriftliche Erwähnung des Wortes „Theatrum“ in den Kirchenbüchern von Flintsbach aus dem Jahr 1675 markiert den ersten dokumentierten Beweis für organisierte Theateraufführungen. Diese bestanden vermutlich aus Passionsspielen, die auf einfachen Holzpodesten in der Pfarrkirche inszeniert wurden.

Der bedeutende Meilenstein in der Theatergeschichte folgte 1823, als der Flintsbacher Wirt Franz Pallauf einen eigenen „Komödienstadl“ errichten ließ. Diese Entscheidung legte den Grundstein für die Entwicklung eines festen Theaters, das fortan eine Vielzahl von Stücken zur Aufführung brachte. Bereits im Eröffnungsjahr wurde das Märtyrerschauspiel „Der heilige Alexius“ gezeigt – ein erster Beleg für das Streben nach dramaturgischer Vielfalt.

Der historische
Hauptvorhang

Ein zentraler Bestandteil der Geschichte des Flintsbacher Volkstheaters ist der historische Hauptvorhang, ein beeindruckendes Zeugnis ländlicher Theaterromantik. Dieser Vorhang, der bis heute in Gebrauch ist, wurde 1844 anlässlich der Aufführung des Trauerspiels „heilige Katharina“ gestiftet. Anna Gruber von Irlach, die Darstellerin der Titelrolle, schenkte damals 60 Ellen Rupfentuch, die Bernhard Behamgruber aus Niederaudorf und sein Sohn kunstvoll bemalten. Die Darstellung zeigt Thalia, die Muse der heiteren Dichtkunst, umgeben von Figuren der Ritterhistorie und symbolträchtigen Szenerien, die Tugend und Laster gegenüberstellen. Ein auf dem Piedestal eingravierter Text hebt die moralische Dimension des Schauspiels hervor.

Die Erhaltung dieses historischen Vorhangs erforderte über die Jahrzehnte immense Anstrengungen. 1962 wurde er erstmals restauriert, und 1985 erfolgte eine umfassende Restaurierung unter Denkmalschutz durch die Kunstmalerin Louisette Kottulinsky in der Münchner Pinakothek. Hohe Kosten von 75000 DM konnten nur dank großzügiger Zuschüsse und Spenden der Bevölkerung gedeckt werden. Eine weitere Restaurierung der dazugehörigen Bühnenfront fand 1998 durch den Kunstmaler Alois Stein statt, ebenfalls mit erheblichem finanziellem Aufwand.

Der Hauptvorhang gilt als wertvollster Besitz des Theaters und wird von der Heimatpflege als kulturhistorisches Juwel anerkannt.

Herausforderungen
des 19. Jahrhunderts

Im Jahr 1869 erlitt das Theater einen herben Rückschlag, als ein Brand im Niedermaierischen Bäckerhaus die gesamte Theaterbibliothek vernichtete. Die dadurch verlorenen Aufzeichnungen lassen viele Fragen über die frühen Jahre des Theaters offen. Dennoch bewahrte das Ensemble seinen Enthusiasmus und setzte die Aufführung von Heiligen und Ritterschauspielen fort. Ein besonders ehrgeiziges Vorhaben war der Wunsch, ein eigenes Passionsspiel aufzuführen. Dieser Plan wurde jedoch durch die strengen kirchlichen und staatlichen Vorgaben mehrfach vereitelt. 1833 wandten sich die Flintsbacher deshalb an das Landgericht Rosenheim und später direkt an das Staatsministerium des Inneren. Erst nach mehreren ablehnenden Bescheiden wurde die Aufführung genehmigt – mit der Bedingung, dass der Reinertrag einem Schulfonds zugutekommen müsse. Trotz erfolgreicher Inszenierung führte das hohe Defizit dazu, dass das Experiment nicht wiederholt wurde.

Nach dem Ersten Weltkrieg stand das Volkstheater erneut vor wirtschaftlichen Herausforderungen. Die Weltwirtschaftskrise und die Inflation zwangen das Ensemble, Eintrittspreise fortlaufend anzupassen – im Jahr 1923 kletterten sie auf bis zu 88000 Mark. Dennoch gelang es dem Verein, weiterhin Aufführungen zu organisieren und die Tradition am Leben zu erhalten.

Während der NS-Zeit wurde der Druck auf Laienspielgruppen erhöht. Die Reichstheaterkammer kontrollierte die Spielgenehmigungen, und die Zahl der Aufführungen wurde stark eingeschränkt. Dennoch hielt das Volkstheater Flintsbach an seinem Bestehen fest und konnte nach dem Zweiten Weltkrieg dank engagierter Mitglieder wieder aufleben.

Ein bedeutender Moment war der Kauf des Theatergebäudes im Jahr 1948. Nach Jahrzehnten der Abhängigkeit vom jeweiligen Wirt des Gasthofs „Falkenstein“ erwarb der Theaterverein das Gebäude für 6000 Mark. Dies sicherte die langfristige Zukunft des Theaters und ermöglichte wichtige Renovierungen und Erweiterungen.

Technische
Entwicklung

Mit der Zeit erfuhr das Theatergebäude zahlreiche Modernisierungen. 1950 wurde der baufällige Nordanbau erneuert, 1967 folgte die Errichtung eines feuersicheren Treppenaufgangs, und 1987 wurde eine mobile Drehbühne installiert, die schnelle Szenenwechsel ermöglichte. Die Ausstattung wurde kontinuierlich verbessert, um den hohen künstlerischen Ansprüchen gerecht zu werden.

Die inhaltliche Neuausrichtung begann in den 1970er-Jahren mit Stücken von Autoren wie Ludwig Thoma und Georg Lohmeier. Die Inszenierungen wurden anspruchsvoller, die Stückauswahl vielseitiger. Mit dem „Brandner Kaspar“ im Jahr 1975 gelang dem Volkstheater Flintsbach ein großer Erfolg, der landesweit Anerkennung fand.

Ein Theater
mit Strahlkraft

Heute gehört das Volkstheater Flintsbach zu den ältesten und renommiertesten Volkstheatern Deutschlands. 2016 wurde es in die „Europäische Route Historischer Theater“ aufgenommen, was seine kulturhistorische Bedeutung unterstreicht. Die Inszenierungen locken jährliche Tausende Besucher an.

Die Corona-Pandemie stellte das Theater vor neue Herausforderungen. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg musste die Saison 2020 ausfallen. Doch bereits 2021 kehrte das Ensemble mit einer Freilichtaufführung zurück.

Im vergangenen Jahr feierte das Volkstheater Flintsbach einen großen Erfolg mit der aufwendig inszenierten Komödie „Die Teufelsbraut“ von Franz Kranewitter. Rund 6000 Zuschauer ließen sich von der ironisch-menschlichen Darstellung des Teufels und seiner Gefolgschaft begeistern. Heuer präsentiert das Theater das Stück „Madame Bäuerin“ nach einem Roman von Lena Christ – eine humorvolle und zugleich tiefgründige Geschichte, die die Unterschiede zwischen Stadt- und Landleben beleuchtet. Das Werk bietet einen Einblick in das bäuerliche Leben des frühen 20. Jahrhunderts und greift zugleich Themen wie gesellschaftliche Zwänge und die Suche nach Identität auf. Der Kartenvorverkauf beginnt am 1. Mai

Bedeutsame Stationen

Festprogrammam Samstag

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