Stephanskirchen – Der Ortsteil Schloßberg hat sich als attraktives Zentrum Stephanskirchens etabliert. Zahlreiche Geschäfte, die Post, Apotheken, eine Eisdiele und ein Bistro sowie das Rathaus befinden sich dort. Aber auch Grundschule und Kindergarten. Der vorbeirauschende Durchgangsverkehr nach Rosenheim trübt die Idylle und sorgt für Lärm und Unruhe. Das Verkehrschaos am Morgen birgt außerdem Gefahren für die Schul- und Kindergartenkinder, die jeden Tag entlang der Salzburger Straße unterwegs sind.
Marginaler
Zeitverlust
Deswegen möchte die Verwaltung die Salzburger Straße in Schloßberg auf einem Abschnitt von 1,3 Kilometern in eine Tempo-30-Zone umwandeln lassen. Die Hoffnung auf Entschleunigung ist groß. „Der Zeitverlust dadurch ist relativ gering“, berichtete Brigitte Weber vom Sachbereich „Klimaschutz und Mobilität“ jüngst dem Umwelt- und Verkehrsausschuss. Denn eine von ihr vorgenommene Messung – nachts bei keinem anderen Auto auf der Straße – habe ergeben, dass der Zeitverlust bei der Geschwindigkeitsreduktion bei einer Minute liege. Am Tag sei ein Vergleich hinfällig.
„Ich habe den Selbstversuch gemacht.“ Dafür hat sich Stephanskirchens Bürgermeister Karl Mair (Parteifreie Bürger) in sein Auto gesetzt und ist die Salzburger Straße abgefahren. Einmal nachts. Und einmal zur Hauptverkehrszeit am Morgen. Sein Fazit: Nachts, wenn kein anderes Auto unterwegs ist, sei es ihm „schon etwas schwerer gefallen“, das Tempo bei 30 Kilometern pro Stunde zu halten. „Die gerade Strecke verleitet geradezu zum Gasgeben.“ Tagsüber, wenn sich die Blechlawine durch die Ortsmitte wälzt, von links und rechts hektisch weitere Autofahrer auf die Durchgangsstraße schieben, wäre ein Erreichen der erlaubten 50 km/h kaum möglich.
Da es sich um eine Staatsstraße handelt, hat die Gemeinde nicht die gleiche Entscheidungsfähigkeit, wie sie es bei gemeindlichen Straßen hat. Denn diese hat die Gemeinde in Zusammenarbeit mit der Polizei bereits in weiten Teilen in Schloßberg und Haidholzen in Tempo-30-Zonen umwandeln lassen. Eine Neuerung der Straßenverkehrsordnung (StVO), die im Juli 2024 vom Bundesrat beschlossen wurde, macht es nun auch darüber hinaus möglich, erklärte Weber.
„Die Neuerung sieht vor, dass falls in einem Bereich ein hochfrequentierter Schulweg liegt, eine streckenbezogene Geschwindigkeitsbegrenzung auch auf Bundes-, Staats- und Kreisstraßen erwirkt werden kann“, so Weber. Diese liegen im Verantwortungsbereich der Unteren Verkehrsbehörde am Landratsamt. Mit dieser Novelle der StVO soll die Sicherheit in den Vordergrund rücken. „Vision Zero“ – also keine Getöteten und Schwerverletzten im Straßenverkehr. Und mit dem „hochfrequentierten Schulweg“ will die Gemeinde argumentieren.
Das Unfallpotenzial am Schloßberg ist hoch. Eine Messung des Staatlichen Bauamtes auf Höhe der Sparkasse im Jahr 2022 ergab, dass pro Tag 11400 leichtmotorisierte Fahrzeuge und über 400 Schwerlastfahrzeuge (über 3,5 Tonnen) durch den Ort rollen. Hinzu gesellen sich – vor allem bei schönem Wetter – Radfahrer und Fußgänger, darunter Schul- und Kindergartenkinder, die alleine oder mit ihren Eltern unterwegs sind.
Eine Unfallkarte des bayerischen Verkehrsministeriums, die Weber dem Gremium vorstellte, zeigt: In dem Zeitraum von 2019 bis 2023 hat es im Bereich Schloßberg etwa 40 Unfälle mit Radfahrern gegeben. Gebündelt fanden diese im Bereich der Salzburger Straße statt.
Der Plan der Verwaltung ist nun die Beantragung einer Tempo-30-Zone auf dem Abschnitt von der Kreuzung Miesbacher Straße bis zur Kreuzung Wasserburger Straße. „Das ist die große Lösung“, erläuterte Bürgermeister Mair. Denkbar wäre aber auch eine „kleine Lösung“ von der Kreuzung Wasserburger Straße bis Höhe Sparkasse. Allerdings sei für diese Variante die Verkehrsüberwachung eingeschränkt. „Deswegen wollen wir einen Antrag ohne räumliche Einschränkung stellen“, ergänzte Mair. Schließlich solle es daran nicht scheitern.
Die Reaktion auf den Vorschlag fiel bei den Gemeinderäten bis auf eine Ausnahme positiv aus. Weniger „Stop and Go“ und leichteres Einfädeln in den fließenden Verkehr, erhoffte sich Christian Ladner (Parteifreie Bürger). Die Ortsmitte stärken und mit diesem Schritt eventuell sogar den Durchgangsverkehr zu reduzieren, wünschte sich Petra Schnell (Unabhängige Fraktion). Steffi Panhans (SPD) sah in der Umwandlung nicht nur mehr Sicherheit für Schüler und Kindergartenkinder, sondern auch für Senioren.
Reaktionen
fast nur positiv
Dr. Nicole Eckert (Grüne) freute sich darüber, dass der Vorschlag über alle Fraktionen hinweg positiv aufgenommen werde. „Die Begrenzung macht aber auch nachts Sinn, weil oft auch Radfahrer im Dunkeln ohne Licht unterwegs sind.“ Andreas Scheibenzuber (Parteifreie Bürger) verwies auf die Ebersberger Straße in Rosenheim als Vorbild für eine Tempo-30-Zone.
Nur Günther Juraschek (CSU), der letztlich auch als Einziger gegen den vorberatenden Beschluss stimmte (8:1), war nicht vollends von dem Vorschlag überzeugt. Für ihn sei die Idee nicht ausgereift. Er wünsche sich eine zeitliche Begrenzung der Geschwindigkeitsreduktion. Außerdem müsse berücksichtigt werden, wer bei den Fahrradunfällen schuld sei. „Wer schuld ist, spielt doch am Ende keine Rolle. Letztlich ist der Radfahrer aber immer der Schwächere“, hielt Eckert dagegen.