Unternehmer fordern schnellen A8-Ausbau

von Redaktion

20 Jahre Planungen, 20 Jahre Flickwerk: Trotzdem geht an der A8 nichts voran. Unternehmer aus der Region Rosenheim, Traunstein und dem Berchtesgadener Land haben es satt. Was sie jetzt fordern.

Chiemgau – Seit 20 Jahren wird der Ausbau der A8 von München bis zur Bundesgrenze bei Salzburg geplant. Doch seit 20 Jahren wird nur geflickschustert. „Wir operieren nicht am offenen Herzen, aber Herzdruckmassagen sind immer wieder notwendig“, sagt Dr. Jochen Eid, Geschäftsbereichsleiter Planung bei der Autobahn GmbH. Der 90-jährige Patient A8, ein Baudenkmal aus den 1930er-Jahren, braucht inzwischen Intensivpflege. „Während der Lebensdauer der Autobahn ist ein Neubau nicht gelungen, jetzt erhalten wir oft Hiobsbotschaften und müssen mit Hochgeschwindigkeitsbaustellen sofort reagieren“, macht Josef Seebacher, Sprecher der Autobahn GmbH, die schwierige Situation deutlich.

Unternehmer wollen
Planungssicherheit

Unternehmern aus der Region fehlt dafür inzwischen jegliches Verständnis. Auch wenn die Autobahn GmbH zusichert, dass die Autobahn „nie komplett gesperrt werden wird, immer zwei Fahrstreifen offen bleiben“: Die Wirtschaft sieht ihre Planungssicherheit in dem wichtigen Verkehrskorridor gefährdet. „Die Verbindung der Unternehmensstandorte zu ihren Zuliefer- und Absatzmärkten in den Nachbarstaaten darf nicht gekappt werden“, fordert Dr. Korbinian Leitner von der IHK für München und Oberbayern. „Die verkehrliche Anbindung muss zuverlässig und ohne Hindernisse sein. Die Baufenster von Bahn und Autobahn dürfen sich nicht überschneiden.“

Doch die Planungssicherheit der Unternehmen wird in den kommenden Jahren wohl noch stärker ins Wanken geraten. Überall ist die Infrastruktur verschlissen. Der Ausbau der Bahnstrecke München-Mühldorf-Freilassing (ABS38) soll in zwei Jahren beginnen. Die Trasse München-Salzburg muss generalsaniert werden. Im Abschnitt Rosenheim-Salzburg heißt das für 2027: monatelanger Stillstand. Zwar soll der Fern- und Güterverkehr weiträumig umgeleitet werden, aber: „Umleitungsstrecken sind nicht vorhanden. Das wird nicht funktionieren“, ist sich Spediteur und IHK-Vizepräsident Georg Dettendorfer aus Nußdorf sicher. Ihm fehlt das Vertrauen in die Bahn. Von deren Pünktlichkeit ganz zu schweigen.

Perspektivisch wird sich also noch mehr Verkehr von der Schiene auf die Straße verlagern. Deshalb fordert die IHK, dass „beschlossene Ausbaumaßnahmen realisiert werden und dafür auch der rechtliche Rahmen geschaffen wird“.

Wie der Status quo an der A8 ist, erläuterte Planungschef Dr. Jochen Eid jetzt den IHK-Regionalausschüssen Rosenheim, Traunstein und Berchtesgadener Land: „Abschnitte mit der größten prognostizierten Verkehrsbelastung haben höchste Priorität.“ An der A8 Ost ist das der Bereich von München-Ramersdorf bis zum Dreieck Inntal mit über 150000 Fahrzeugen pro Tag und kilometerlangen Rückstaus von Weyarn bis zu A99 Ost. „Der Ausbau dieses Abschnitts befindet sich im Planfeststellungsverfahren“, informierte Eid.

Richtung Osten wird es „ruhiger“. Vom Inntaldreieck bis zur Anschlussstelle Traunstein/Siegsdorf quälen sich täglich 55000 bis 70000 Fahrzeuge über vier Streifen durch die Landschaft. Danach sinken die Verkehrsströme weiter auf etwa 47000 Fahrzeuge am Tag. Das Problem: Die A8 ist keine normale Autobahn. Sie kann den Wochenend-, Urlaubs- und Schwerlastfernverkehr schon jetzt kaum mehr kanalisieren. „Es ist die stauauffälligste Autobahn“, erläuterte Dr. Korbinian Leitner, IHK-Experte für Verkehrsinfrastruktur und Logistik. „Von den zehn längsten Staus auf deutschen Autobahnen waren 2024 sechs zwischen München und Salzburg.“

Das Verkehrsaufkommen wird sich weiter erhöhen: Mit dem Bau des Brenner-Nordzulaufs will die Deutsche Bahn auch ihren Baustellenverkehr über die Autobahn abwickeln. Entschärft wird die tickende Zeitbombe A8 also auch in den nächsten Jahren nicht. Ganz im Gegenteil: „Eine Autobahn ohne Seitenstreifen ist lebensgefährlich“, so der Planungschef der Autobahn.

Trotzdem muss der Verkehr weiter fließen. Eine Sperrung der A8 würde zum absoluten Verkehrskollaps in der Region führen. „Wir sperren auf keinen Fall“, betonte Seebacher. Doch ob das Versprechen umsetzbar ist, hängt ganz allein vom Intensivpatienten ab. Immer häufiger werden Sofortmaßnahmen erforderlich, um Gefahren abzuwenden. Beispielsweise am Unfallschwerpunkt Bernauer Berg: Treten hier Schadstoffe aus, gelangen sie über den Moosbach direkt in den Chiemsee. Um das zu verhindern, sollen jetzt Absetzanlagen gebaut werden.

Dieses Projekt ist Bestandteil eines Konzepts aus lebenserhaltenden Maßnahmen. Solange der sechsspurige Ausbau nicht möglich ist, muss die vierstreifige Autobahn erhalten und bei erforderlichen Sanierungsmaßnahmen gleichzeitig verbessert werden. Wenn möglich mit Seitenstreifen. Beispielsweise im Abschnitt von Felden bis zur Bundesgrenze. „Damit könnten bei Pannen Staus vermieden werden“, so Eid. „Und bei hohem Verkehrsaufkommen wäre perspektivisch eine Regulierung durch temporäre Seitenstreifenfreigabe möglich.“

Mehr als 81 Brücken an der A8 stammen aus den 1930er-Jahren. Eine nach der anderen gibt den Geist auf. Die Brücke Seehaus wurde bereits abgerissen, die bei Leitenberg gesperrt. Jetzt ist es die Eisenbahnbrücke an der Anschlussstelle Rohrdorf, die Sorgen macht. „Sie ist in einem viel schlechteren Zustand als angenommen“, wertete Dr. Jochen Eid die jüngste Brückenprüfung aus.

Die neue „Hochgeschwindigkeitsbaustelle“ an der A8 wird derzeit mit einer Verkehrsberuhigung vorbereitet. Nach den Oster- und vor den Pfingstferien öffnet sich ein kleiner Korridor für den Bau. In dieser Zeit soll der Verkehr auf einer Fahrbahn einspurig in jede Richtung rollen. Auch die Fahrzeiten der Bahn zum Zementwerk Rohrdorf müssen beachtet werden. „So können wir eigentlich nur am Wochenende bauen“, erklärt Seebacher. Der erste Abschnitt des Großprojektes A8 Ost, für den es seit Januar 2024 eine Baugenehmigung gibt, ist der zwischen Achenmühle, Frasdorf und Bernauer Berg. Dagegen hat der Bund Naturschutz geklagt. Ob das Bundesverwaltungsgericht noch in diesem Jahr eine Entscheidung treffen wird, ist nicht klar. Trotzdem werden zwei Bauvorhaben in diesem Abschnitt realisiert: Um eine Komplettsperrung der Prientalbrücke zu vermeiden, muss sie zwischensaniert werden. Voraussichtlich von Ende April bis zu den Pfingstferien sind die Arbeiten an der Lkw-Spur in Fahrtrichtung Salzburg geplant, von Ende Juni bis Mitte Juli dann auf der Gegenfahrbahn.

Der Bau der Autobahnbrücke bei Seehaus soll nach Abschluss der archäologischen Untersuchungen noch im Frühjahr beginnen. Zwar ist die Brücke Teil des Gesamtprojektes, dessen Baugenehmigung beklagt wird. Trotzdem geht die Autobahn GmbH in den „Sofortvollzug“. Das heißt aber auch: Mit einem „Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung“ könnte der Bund Naturschutz einen Baustopp erwirken.

Forderung nach
Gesetzesänderung

Irene Wagner, Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Berchtesgadener Land, fordert, „die Gesetzgebung für Planungs- und Genehmigungsverfahren zu ändern“, damit vorausschauende Planungen wieder möglich und Projekte überhaupt umgesetzt werden können. Um den Wachstumsmotor anzuwerfen, müsse Bürokratie abgebaut werden. Dazu gehöre es auch, Gesetze zu überarbeiten, damit Behörden wieder effizienter arbeiten können, fordern die IHK-Regionalausschüsse. Andernfalls werde auch das 500-Milliarden-Euro-Infrastrukturpaket verpuffen. Problematisch sieht die IHK auch die Verzögerung, die sich durch Klagen von Verbänden wie dem Bund Naturschutz ergibt. Deshalb fordern regionale Unternehmer auch, das Verbandsklagerecht zu überarbeiten.

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