Eggstätt muss nach Umweltskandal bluten

von Redaktion

Der Umweltschaden im Gewerbegebiet Natzing hat Eggstätt schon zwei Millionen Euro gekostet. Trotzdem ist kontaminierter Boden zurückgeblieben. Die Gemeinde muss bis zum Sankt Nimmerleinstag in Grundwasser-Monitoring investieren. Wer daran schuld ist, und wer die Kosten trägt.

Eggstätt – Seit vier Jahren zahlt die Gemeinde Eggstätt für einen Schaden, den sie nicht verursacht hat. Es war ein privater Unternehmer aus der Nachbargemeinde, der Feuerlöschmittel in die Straßenentwässerung im Gewerbegebiet Natzing einleitete. Er wurde auf frischer Tat ertappt und zu einer Haftstrafe verurteilt. Eigentlich müsste er die Kosten übernehmen. Doch seine Haftpflichtversicherung lehnte die Regulierung des vorsätzlich verursachten Schadens ab. Geld hat er keines, um die inzwischen zwei Millionen Euro aus eigener Tasche zu bezahlen. Also muss die Gemeinde ran. Die hat zwar auch kein Geld, blutet aber seit Jahren für die Regulierung des Umweltschadens.

Keine Gefahr
fürs Trinkwasser

Das Feuerlöschmittel enthielt poly- und perfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS). Die können bei Menschen zu vielfältigen Erkrankungen führen. In Natzing gelangten die Schadstoffe übers Entwässerungssystem ins Rückstau- und Filterbecken des Gewerbegebietes.

Durch die Krisenintervention im Jahr 2021 – Spülung des Kanalsystems, Aushub kontaminierten Erdreichs, Reinigung des Oberflächenwassers mit Aktivkohlefiltern, Boden- und Wasserproben – wurde das Grundwasser nicht verseucht. Es bestand nie eine ernste Gefahr für die Trinkwasserversorgung in Eggstätt und Bad Endorf. Der damalige Bürgermeister Christian Glas konnte absehen, dass die Umweltsanierung die Gemeinde finanziell an den Rand des Ruins bringen würde.

Er bat den Freistaat Bayern um finanzielle Unterstützung aus dem Finanzausgleichsgesetz. Im Dezember 2022 kam die Antwort. Da weder eine „finanzielle Notlage“ noch eine „finanzielle Härte aufgrund einer Altlast“ erkannt wurden, gab es keinen Cent.

Zwei Jahre später ist die Gemeinde tatsächlich so gut wie pleite, doch die Sanierung des Umweltschadens noch immer nicht beendet. „Das Retentionsfilterbecken wurde so gebaut, dass eine Entlassung aus dem Altlastenkataster nicht möglich ist“, erklärt Bauamtsleiterin Regina Maier.

Wer hat über
Variante entschieden?

Sie ist seit 1. Dezember 2023 in der Verwaltung, hat den Bau nicht begleitet. Dafür muss sie heute mit den Altlasten umgehen: 247,2 Kubikmeter PFAS-Reste, die als 60 Zentimeter breite Schicht unter der gesamten, 412 Quadratmeter großen Sohle des Beckens lagern. Regina Maier hat in den Unterlagen recherchiert und festgestellt: „Die Fachfirma hat damals zwei Varianten für den Bau des Retentionsbeckens angeboten. Wir wissen nicht, wer die Entscheidung getroffen hat, auf einen Komplettaushub zu verzichten und eine PFAS-Restschicht von 60 Zentimetern zu belassen.“ Auch dem Gemeinderat wurde diese Entscheidung offenbar nicht vorgelegt. Beschlüsse sind dazu nicht dokumentiert.

Nur einer: Der Gemeinderat unter Interimsleitung des zweiten Bürgermeisters Hans Plank hat Mitte 2023 die Vergabeentscheidung für diese Bauausführung getroffen. Doch das bedeutet nicht, dass der Gemeinderat den Altlastenverbleib in Kauf genommen hat, denn: „Es ist fraglich, ob das Gremium über die Konsequenzen dieser Vergabeentscheidung überhaupt im Bilde war“, betont Maier.

Das Wasserwirtschaftsamt Rosenheim hatte die „Nicht-Entlassung aus dem Altlastenkataster“ am 31. Januar verfügt. Auch dort fragte die Eggstätter Bauamtsleiterin im Februar nach, wer die Variantenentscheidung eigentlich getroffen habe. Bis heute steht eine Antwort aus.

Die Konsequenzen sind teuer: Das Grundstück bleibt im Altlasten-Schattenkataster. Damit war die Sanierung für zwei Millionen Euro de facto umsonst. „Wir lehnen eine Bauwerksabnahme ab, weil wir dieses Ergebnis nicht akzeptieren können“, betont Maier, „denn es verursacht Folgekosten von mindestens 12000 Euro pro Jahr für vierteljährliches Grundwasser-Monitoring – und das bis zum Sankt Nimmerleinstag. PFAS ist eine sogenannte Ewigkeitschemikalie. Das heißt, wir müssen von einer Ewigkeitsüberwachung ausgehen.“

Doch das ist noch nicht alles. Das Retentionsbecken funktioniert nicht. „Das Auslaufbauwerk leitet das Wasser gefiltert über drei Sickerschächte ab“, erklärt die Bauamtsleiterin. Doch die versickern nicht. So staut sich das Wasser ins Retentionsbecken zurück. Mit teuren Folgen: Die Begrünung im Wert von 23000 Euro ist im wahrsten Sinne des Wortes „abgesoffen“.

Sickeranlagen
funktionieren nicht

Alternativen für eine andere Versickerungsvariante hat die Gemeinde nicht. „Wir können dafür keine Grundstücke erwerben, weil uns die Angebote und das Geld fehlen“, so Maier. Die Gemeinde muss also mit dem auskommen, was vorhanden ist und die alten Anlagen reaktivieren: „Eine Lösung wäre eine Bohrung, um die Sickerschächte zu vertiefen“, erklärt sie. Doch die wurde abgelehnt. Bleibt also nur das Absaugen von Erdschichten?

Fachliche Hilfe
lässt auf sich warten

„Um diese fachlichen Fragen zu klären, brauchen wir dringend die Hilfe der Fachbehörden“, sagt die Bauamtsleiterin.

In einer Mail vom 13. März machten Ingenieurbüro und Gemeinde das Wasserwirtschaftsamt auf die Eile ihres Anliegens aufmerksam. Doch ein Termin wird erst für April in Aussicht gestellt.

Die Sanierung des Umweltschadens in Natzing geht also in die nächste Runde. Nach Informationen des Wasserwirtschaftsamtes besteht „nach gegenwärtigem Kenntnisstand keine Gesundheitsgefährdung“. Was das konkret bedeutet, weiß die Gemeinde Eggstätt allerdings bis heute nicht.

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