Raubling – Für die Einsatzkräfte muss es ein schlimmer Anblick gewesen sein, als sie am frühen Samstagmorgen an der Unfallstelle in Pfraundorf eintrafen. Dort waren gegen 4 Uhr mehrere Kühe von einer nur wenige hundert Meter entfernten Weide auf die Bahngleise der Strecke Rosenheim-Kufstein gelaufen. Im selben Moment rauschte ein Güterzug heran. Trotz einer Notbremsung des Zugführers konnte dieser den Zusammenstoß mit fünf Rindern nicht mehr verhindern. Die Kühe überlebten den Aufprall nicht.
Wie diese überhaupt auf die Gleise gekommen sind, ist noch Gegenstand der Ermittlungen, sagt Rainer Scharf, Pressesprecher der Bundespolizei Rosenheim, auf OVB-Anfrage. Fest steht, dass 22 Kühe von irgendetwas „derart aufgeschreckt worden waren“, dass sie den Elektrozaun der Weide durchbrachen und in Richtung der Bahnstrecke liefen. Einige Tiere gelangten hinter die Lärmschutzwand und wurden erfasst.
Was die Tiere so erschreckt hat, ist bislang nicht geklärt. Auch die Rosenheimer Kreisbäuerin Katharina Kern kann darüber nur spekulieren. „Das kann aus allen möglichen Gründen sein“, sagt sie am Telefon. Dass es einer der vorbeifahrenden Züge gewesen ist, könne sie sich aber nicht vorstellen. „Wenn die Weide in der Nähe der Gleise ist, kennen die Tiere das normal, da ja öfter Züge vorbeifahren“, vermutet die Kreisbäuerin.
Möglicherweise habe auch ein anderes Tier oder Menschen die Rinder in Panik versetzt. In solchen Fällen reicht es der Kreisbäuerin zufolge aus, wenn eins der Tiere Angst bekommt. „Kühe sind Fluchttiere, wenn da Panik ausbricht, dann kann die ganze Herde durchgehen“, erklärt sie. Dann helfe auch der beste Elektrozaun oder andere Weidebegrenzungen nichts, da die Tiere so viel Kraft hätten, dass sie kaum etwas aufhalten könne.
Denkbar schlechtester
Zeitpunkt der Panik
Das passiere auch hin und wieder bei Kuhherden, sagt Kern. Wenn das in Hofnähe geschehe, sei es jedoch nicht so gefährlich, da die Rinder schneller wieder eingefangen werden könnten. Oder im Notfall – bevor sie auf Autobahnen oder Straßen flüchten können – mit einem sogenannten Fangschuss erlegt werden, „damit nichts Schlimmeres passiert“, betont die Kreisbäuerin. In der Nähe von Bahnlinien oder wenn die Tiere in der Nacht ausbrechen, sei es problematisch. Dann könne man es kaum verhindern. So wie vermutlich geschehen bei dem Unfall von Pfraundorf.
Feuerwehr musste
Kadaver einsammeln
Um die Tierkadaver nach dem Zusammenstoß mit dem Güterzug zu bergen, wurde die Zugstrecke nach Kufstein sofort nach dem Unglück gesperrt. „Die Bergung war relativ unkompliziert, da wir mit sehr vielen Leuten im Einsatz waren“, sagt Michael Margreiter, Kommandant der Raublinger Feuerwehr.
Zusammen mit den Kollegen der Pfraundorfer Feuerwehr seien er und seine Kameraden zum Unfallort gerufen worden. „Wir haben dann die Kadaver händisch aufgesammelt“, sagt Margreiter. Anschließend seien die Überreste verpackt und an den Landwirt übergeben worden.
Danach werden die Tierkadaver in eine Tierkörperbeseitigungsanlage nach Erding gebracht, berichtet Katharina Kern. Dort werde geprüft, ob einige Körperteile noch weiterverarbeitbar sind, ansonsten verbrenne man die Überreste. Für die Polizisten war der Einsatz mit der Bergung allerdings noch nicht beendet. Da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass sich weitere Tiere auf den Bahngleisen befinden, suchten mehrere Streifen die Strecke in beiden Richtungen nach den Kühen ab. Erst gegen 7.30 Uhr gab es Entwarnung, teilt Bundespolizei-Sprecher Rainer Scharf mit. Der Eigentümer der Rinder habe alle Tiere in der Umgebung gefunden und sie einfangen können.
Was in dem Landwirt nach dem Unfall vorgehen muss, kann Katharina Kern nur zu gut nachvollziehen. „Man hängt mit ganzem Herzen an den Tieren“, sagt sie. Oft sehe man die Tiere als Kälber auf die Welt kommen und ziehe sie jahrelang auf. „Da wird viel investiert“, betont die Kreisbäuerin. Neben den Emotionen spiele auch immer der finanzielle Aspekt eine Rolle. „Das kann schon ein Riesenschaden sein, auch bei nur fünf Kühen“, sagt Kern. Vor allem, wenn es sich um „wertvolle Zuchttiere handelt, kommt da einiges an Geld zusammen“.
Julian Baumeister