Besser schlafen durch „Mouth Taping“

von Redaktion

Interview Bad Feilnbacher Schlafspezialist Professor Dr. Peter Young zum neuen Trend

Bad Feilnbach – Es ist ein Trend, der vor allem in den sozialen Medien für mehr und mehr Aufmerksamkeit sorgt und der schnellen Erfolg verspricht: „Mouth Taping“. Dabei klebt man sich den Mund vor dem Schlafengehen mit einem Klebestreifen zu, atmet dadurch nachts automatisch durch die Nase und wacht erholter und letztlich auch gesünder wieder auf, so das Versprechen.

Doch ist „Mouth Taping“ wirklich eine ernst zu nehmende Behandlungsmethode, etwa um Schnarchen zu bekämpfen oder nächtliche Atemaussetzer zu verringern?

Professor Dr. Peter Young ist ausgewiesener Spezialist für die gesamte Bandbreite der Neurologie und der Schlafmedizin und seit 2019 Chefarzt bei Medical Park Bad Feilnbach Reithofpark. Seine klinischen Schwerpunkte liegen dabei auch in der Schlafmedizin. Wie der 59-Jährige zu dem Trend steht und was er zudem unbedingt rät, erklärt er im OVB-Interview.

Professor Dr. Young, spielt sich der Trend des „Mouth Taping“ nur auf Social Media ab oder begegnet er Ihnen auch im Arbeitsalltag?

Ich werde schon gelegentlich mit dem Thema konfrontiert, immer wieder fragen mich auch Patienten nach der Methode. Klar ist, dass wir Ärzte das „Mouth Taping“ nicht belächeln, es kann durchaus funktionieren. Es gibt mittlerweile auch Studien, die eine mögliche Sinnhaftigkeit belegen. Das Zukleben des Mundes kann also eine alternative Methode zur Verbesserung des Schlafes sein, insbesondere wenn es um nächtliche Atemaussetzer geht. Wichtig ist jedoch, dass die Anwendung des „Mouth Taping“ nur Sinn ergibt, wenn verschiedene Voraussetzungen erfüllt sind.

Welche Voraussetzungen sind das?

Generell atmen nachts ohnehin mehr Menschen durch die Nase und haben den Mund geschlossen. Allerdings ändert sich das oftmals im Alter ein wenig. Dann sehen wir ein erhöhtes Auftreten von Schnarchen und Atempausen, was nicht zwingend zusammenhängen muss. Allerdings kann das Schnarchen oftmals die Vorstufe von Atempausen, auch Apnoe genannt, sein. Zwar kann man nicht sagen, dass Menschen, die durch den Mund atmen, ein erhöhtes Risiko für Atempausen haben. Allerdings gibt es nun Studien, die aufzeigen, dass Schnarchen und Atempausen durch das Zukleben des Mundes reduziert werden können. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Menschen nur an einem milden bis mittelschweren „Schlafapnoe-Syndrom“ leiden.

Das bedeutet?

Wir sprechen grundsätzlich von einem „Schlafapnoe-Syndrom“, wenn man über zehn Atempausen pro Stunde hat, die mindestens zehn Sekunden andauern. Die Studien zeigen, dass man mit dem Mouth Taping die Anzahl der Atemaussetzer ungefähr halbieren kann. Die Methode kann also nur bei Menschen sinnvoll sein, die nicht mehr als 20 dieser Atemaussetzer in der Stunde haben. Wenn es über 30 solcher Schnarcher und Atemaussetzer pro Stunde sind, sprechen wir von einem sogenannten schweren „Schlafapnoe-Syndrom“. Hier wäre das Mundzukleben nur ein Tropfen auf den heißen Stein und demnach nicht die richtige Methode. Denn je mehr Atempausen man hat, desto höher steigt das Risiko für HerzKreislauf-Erkrankungen. Hier braucht man also andere Behandlungsmethoden.

Mouth Taping kann also bei bestimmten Problemen helfen. Kann es aber auch gefährlich sein, sich den Mund nachts zuzukleben?

Man erstickt normalerweise nicht einfach daran, der Körper hat entsprechende Alarmfunktionen. Und spätestens, wenn ich bei zugeklebtem Mund auch noch schlecht Luft durch die Nase bekomme, wache ich eigentlich auf. Allerdings macht eine freie Nase natürlich Sinn. In den Studien ist es leider nicht gut untersucht, ob womöglich Menschen, die beispielsweise eine verbreiterte Nasenmuschel oder eine veränderte Nasenscheidewand haben, lieber auf diese Methode verzichten sollten. Die Frage ist doch letztlich, ob mir diese Methode überhaupt etwas bringt. Und um das zu wissen, muss ich zwei Dinge geprüft haben. Erstens: Bin ich wirklich Mundatmer? Zweitens: Schnarche ich nicht einfach nur, sondern habe ich auch tatsächlich Apnoe? Diese Fragen kann ein Schlafmediziner beantworten. Und sollte man sich wirklich auf das Mouth Taping einlassen, empfehle ich in einem Schlaflabor noch eine Kontrolle mit zugeklebtem Mund.

Sie raten demnach davon ab, Mouth Taping einfach mal so auszuprobieren?

Die Methode kann hilfreich sein. Es ergibt aus meiner Sicht allerdings keinen Sinn, sich ohne vorherige Diagnostik, etwa einem Screening, einfach ein Pflaster auf den Mund zu kleben. Auch wenn es auf Social Media gehypt wird. Denn gerade bei vielen nächtlichen Atemaussetzern gibt es Methoden, die wesentlich effektiver ansetzen können, zum Beispiel eine Atemmaske. Das Mouth Taping kann dann jedoch wiederum ins Spiel kommen, wenn Menschen diese Masken nicht vertragen.

Nochmal zurück zur nächtlichen Atmung: Warum ist die Nasenatmung eigentlich besser als die Mundatmung?

Die Nasenatmung hat den Vorteil, dass die Atemluft etwas angewärmt und vorgefiltert wird. Das wird durch die Nasenhaare und durch den deutlich längeren Weg, den die Luft durch die Nase bis zur Luftröhre zurücklegen muss, ermöglicht. Somit ist die Nasenatmung generell die normale Atmung. Hier können aber besagte Veränderungen der Nase, etwa Polypen, zu Behinderungen führen, wodurch der Körper zur Mundatmung wechselt. Und es gibt eben auch Menschen, die von vornherein Mundatmer sind. Warum ein Mensch grundsätzlich Mund- oder Nasenatmer ist, wissen wir nicht.

Angenommen, es ist alles überprüft und das Mouth Taping scheint für mich eine sinnvolle Lösung zu sein: Haben Sie hierfür noch einen allgemeinen Tipp?

Bitte kleben Sie sich auf keinen Fall Panzerband auf den Mund. Natürlich muss es halten und sich auch bei Feuchtigkeit nicht sofort lösen. Hinsichtlich vieler Pflasterallergien sollte man jedoch unbedingt auf ein geeignetes Material achten. Und die wichtigste Nachricht: Es geht bei entsprechenden Methoden ja nicht nur um die Schläfrigkeit, die jemand subjektiv aufgrund der nächtlichen Probleme empfindet. Es geht auch um die Verhinderung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, und hierfür sollte man unbedingt auch die passende Behandlung bekommen.

Interview: Nicolas Bettinger

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